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Aviv Geffen und sein Projekt "Blackfield"
"Musik war mein Psychiater, meine Sicherheit"

In seiner Heimat Israel ist er ein großer Star: der Pop/Rockmusiker und "The Voice"-Juror Aviv Geffen. Für das fünfte Blackfield-Album arbeitet er zusammen mit dem britischen Gitarrengenie Steven Wilson – und holt sich Alan Parsons als Produzent für drei Songs dazu.

Aviv Geffen im Gespräch mit Anja Buchmann |
    Der israelische Popsänger Aviv Geffen, aufgenommen am 06.11.2009 bei einem Konzert im Lido in Berlin. Der am 10. Mai 1973 geborene Aviv Geffen ist der Sohn des israelischen Dichters Jonatan Geffen und ein Neffe des ehemaligen israelischen Generals und Ministers Moshe Dayan. Der Atheist Geffen engagiert sich für einen echten Frieden zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten und verweigerte den Militärdienst. Unter den Jugendlichen in Israel ist Geffen inzwischen ein Idol. Seine Songtexte richten sich gegen Gewalt, Drogen und Alkohol. Foto: Britta Pedersen +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
    Aviv Geffen, Neffe des ehemaligen israelischen Generals Moshe Dayan, engagiert sich für den Frieden. In seiner Heimat ist er ein Idol. (dpa-Zentralbild)
    Seit über zehn Jahren arbeitet der israelische Sänger Aviv Geffen bereits mit dem englischen Progressive-Rock-Gitarristen Steven Wilson zusammen: Blackfield heißt ihr gemeinsames Projekt, mit dem die beiden im Februar ihr nächstes Album "V" heraus bringen. Produziert unter anderem von Alan Parsons über eine Zeitspanne von 18 Monaten in Tel Aviv und London. Anja Buchmann hat den politisch sehr interessierten Popmusiker zum Gespräch in Köln getroffen - kurz nach dem Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump.
    Das Gespräch wurde auf Englisch geführt und steht zum Nachhören in der Originalsprache zur Verfügung: Aviv Geffen auf Englisch.

    Das Corsogespärch in voller Länge:
    "Ich werde alles tun, um Netanjahu nach Hause zu schicken"
    Anja Buchmann: Ich war sehr erstaunt, als ich einen Artikel in einer deutschen Zeitung las – über Israel und die Reaktion auf die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten: Dort sah man Fotos von Plakaten in diversen israelischen Städten mit der Aufschrift: Trump macht Israel wieder groß. Hat Trump eine große Anhängerschaft in Israel?
    Aviv Geffen: Ich glaube nicht. Ja, es gibt ein paar Unterstützer, aber ich glaube Netanjahu ist naiv, wenn er denkt, Trump wird ihm helfen. Obama hasst Netanjahu, wie alle Amerikaner ihn hassen. Ich glaube, Israel ist von der Welt isoliert wegen seiner Regierung. Und bei der nächsten Wahl werde ich alles tun, um Netanjahu nach Hause zu schicken.
    Buchmann: Denken Sie, dass die Trump-Wahl Einfluss auf die Balance zwischen Israel, Palästina und den anderen arabischen Staaten haben wird?
    Geffen:: Ich glaube Trump hat nicht den Hintergrund und kennt nicht die Geschichte zwischen Israel und Palästina. Er wird nicht der richtige Berater sein, um Frieden in der Region voran zu treiben. Auf jeden Fall sollten wir von den Besiedlungen ablassen, wir sollten die Besetzung stoppen. Ich denke, wir werden nur verlieren und die Palästinenser werden gewinnen: Denn wir haben zwar die große Armee, aber das hilft nicht, wenn im Fernsehen gezeigt wird: Ein vierjähriges Kind wurde im Gazastreifen getötet. Und schon haben sie wieder gewonnen.
    Das Trauma: Mord an Premierminister Jitzhak Rabin
    Buchmann:: Sie haben gehen, wie Jitzhak Rabin ermordet wurde – war das ein Wendepunkt in Ihrer Biografie?
    Geffen:: Ja, natürlich. Ich wurde eingeladen, während seiner Friedensrede zu singen. Er brauchte Unterstützung durch meine Fans. Wir haben 300.000 Leute zu dem Platz in Tel Aviv gebracht. Dort hat er den Menschen gesagt: Wir müssen den Krieg stoppen, einen wirklichen Friedensprozess beginnen. Dann haben wir den letzten Song spielt und danach gemeinsam von der Bühne gegangen, haben uns umarmt, kurz geredet und sind zusammen zum Parkplatz gegangen. Dort wurde er erschossen. Und der Mörder sagte: Aviv Geffens Fahrer hat ihn rein gelassen. Es geschah direkt vor meinen Augen, drei Kugeln hat er in den Premierminister Jitzhak Rabin geschossen. Er hat damit auch unsere Träume erschossen, unsere Träume von einem Leben in Frieden. Danach begann der Aufstieg von Netanjahu und es war ein Wendepunkt für Israel.
    Buchmann:: Und für Sie auch?
    Geffen:: Für mich war es traumatisch. Denn ich habe einen Mord mit angesehen. Und der Mörder sagte, mein Fahrer hat ihn rein gelassen, um in der Nähe von Rabin zu sein. Es war verrückt, ich fühlte mich wie Forrest Gump. Ich habe ein paar Psychiater besucht, bin für zwei Jahre nach London gezogen. Denn wir waren Zeuge eines Mordes, auch eines Mordes an Israel. Seitdem sehe ich es als meine Aufgabe an, Israel zu einem besseren Ort zu machen.
    "In Israel gehört Politik immer zu meiner Kunst"
    Buchmann:: Also sehen Sie sich als Vermittler oder Friedensagent?
    Geffen:: Ich bin so etwas wie der Sprecher der jungen Generation, die Israel auf den richtigen Weg leiten will. Mit Bibi Netanjahu ist es gefährlich. Denn er vereint die Israelis durch Angst, nicht durch Visionen oder Hoffnung.
    Buchmann:: Kombinieren Sie Musik und Politik? Oder sind das zwei verschiedene Dinge für Sie – bezogen auf das aktuelle Album, dessen Texte auf mich einen privateren, persönlichen Eindruck machen ...
    Geffen:: Bei Blackfield geht es nicht um Politik. Ich glaube, Steven kennt da die kleinen Details nicht. Aber in Israel gehört Politik für mich immer zu meiner Kunst. Ich mache Shows, wo Bibi Netanjahu mit einem großen "X" auf seinem Gesicht auf dem Bildschirm gezeigt wird. In Israel musst Du Dir der Dinge bewusst sein und als Künstler agieren. Ansonsten bist Du nur ein nettes Gesicht mit netten Popsongs. Das interessiert mich nicht.
    "Eine neue Welt, eine Kombination aus Tel Aviv und London"
    Buchmann:: Aber Blackfield ist dann eine andere Sache – Sie arbeiten mit Steven Wilson zusammen, aber Sie sind doch hauptsächlich der Songwriter und Texter, oder?
    Geffen:: Ich bin der Hauptschreiber der Songs, Steven hat einen geschrieben und an einem anderen mit gearbeitet. Ich war immer der hauptsächliche Komponist bei Blackfield, es ist meine Welt. Aber es passt gut zusammen: Steven ist Engländer und weiß, wie eine richtig gute Produktion gemacht wird, die beste Musik kam immer aus England. Aber hier kreieren wir gemeinsam eine neue Welt, eine Kombination aus Tel Aviv und London. Es ist nicht israelisch, nicht englisch, irgendwas dazwischen, das ist großartig.
    Buchmann:: Wie ich schon sagte, das Blackfield-Album macht einen sehr persönlichen Eindruck auf mich; Dinge, die Ihnen im Kopf herum gingen – zum Beispiel der Song "Sorry": Da scheint es um einen Mann zu gehen, der ein nicht so guter Vater für sein Kind – oder für seinen Sohn – war. Ist das so?
    Geffen:: Es ist verrückt, alle Journalisten sprechen über diesen Song. Ich kann darüber nicht sprechen. Es geht nicht um mich und dass ich ein schlechter Vater wäre, das Gegenteil ist der Fall. Ich war sieben Jahre lang der Vater und die Mutter für meinen Sohn – aber das ist sehr privat. Aber gut, dass Sie darauf gekommen sind.
    Buchmann:: Okay, dann reden wir über andere Songs, wenn das zu privat ist. Es gibt zwei Songs, October und Lately, in denen es auch um Depressionen oder depressive Episoden geht ...
    "Bei Steven Wilson denke ich an Jimmy Page oder David Gilmour"
    Geffen:: Ja, auf eine Art bedeutet es mir, dass wir mit Blackfield mehr verdient haben, als wir bisher erreicht haben. Ich wollte immer außerhalb Israels bekannt sein. Mit Blackfield haben wir den Status einer Indie-Band, aber wir verdienen mehr. Vielleicht erreichen wir mit dieser Platte den Durchbruch – ich finde, diese Musik sollte von Millionen, nicht nur von Tausenden gehört werden. Auch Steven – wenn ich mit ihm spiele, denke ich an Jimmy Page oder David Gilmour. Ich weiß, man muss vielleicht fünf oder 10 Jahre warten, bis er die Anerkennung als herausragender Gitarrist findet. Aber er verdient schon jetzt mehr. Noch ist er ein kalter Held, ein cold hero.
    Buchmann:: Sind Sie beide sehr verschiedene Charaktere? Oder ergänzen Sie sich gut?
    Geffen:: Wir sind beide Außenseiter, da sind wir uns ähnlich. All unsere Freunde in der Schulzeit hatten schöne Freundinnen, gingen aus, schwimmen, surfen, Motorradfahren.
    Buchmann:: Und Sie haben das nicht getan?
    Geffen:: Wir waren zuhause in unserem Zimmer mit der Gitarre und dem Klavier und einem Delay-pedal. Also wir wissen beide, durch was wir jeweils durch mussten. Und wir haben die gleichen Idole, ELO, Abba, die Bee Gees, Pink Floyd, die Beatles. Da haben wir Gemeinsamkeiten. Andererseits: Als ich Steven kennenlernte, war er sehr schüchtern auf der Bühne. Er hat sich kaum bewegt, Gitarre gespielt und auf seine Schuhe geschaut. Nachdem er mich kennengelernt hat, tanzt er fast auf der Bühne. Sehr offen, wie ein Rockstar. Das ist mein Werk, denke ich. Ich habe auch viel von ihm gelernt. Ich bin halb russisch und sehr schmalzig.
    Buchmann:: "Schmalzig" – diesen Ausdruck gibt es im Deutschen auch.
    Geffen:: Ich bin sehr schmalzig. Ich packe gerne ein ganzes Orchester auf einen Song, große Chöre – manchmal wie Chris de Burgh. Und Steven begrenzt mich in meiner Schmalzigkeit. Er sagt dann: Mach das nicht, das ist zu fett ... Aber im Stück "October" klingt es wunderschön – und schmalzig.
    "Alan Parsons hat uns angeschrien - es war erfrischend"
    Buchmann:: Wessen Idee war es, Alan Parsons als Produzenten dazu zu nehmen – und bei welchen drei Songs ist er dabei?
    Geffen:: "We'll never be apart", "The Jekyll" und "How was your ride" sind von ihm produziert. Es war ein Traum, dass ein Mann, richtig oldschool, der vielleicht die besten Alben der Popgeschichte gemacht hat, mit Blackfield gearbeitet hat. Es war wie ein Wunder für uns, mit ihm in einem Studio zu sein, wir waren total aufgeregt. Als meine erste Freundin mich verlassen hat, hörte ich "Old and wise" in einer Schleife, immer wieder. Also, mit diesem Mann an meinen Songs zu arbeiten, war einfach nur...wow.
    Buchmann:: Wie hat er mit Ihnen gearbeitet? War er sehr streng?
    Geffen:: Ja, er ist sehr streng und direkt. Steven und ich sind immer umgeben von "Jasagern" - alles ist schön und wunderbar ... Aber Alan Parsons sagte: nein, Steven, das kannst Du besser. Aviv, guck dir diesen Teil noch mal an. Ändere den Akkord hier, diese Spannung gefällt mir nicht. Er hat die Sessions nach der Hälfte gestoppt und hat uns angeschrien. Es war erstaunlich und erfrischend. Wenn Du von jemandem, den Du sehr bewunderst, lernen kannst. Und es ist sehr gesund fürs Ego.
    "Musik zu machen, war das am wenigsten Verletzende, was ich tun konnte"
    Buchmann:: Was bedeutet es Ihnen, Musik zu machen?
    Geffen:: Als ich sieben Jahre alt war, war das meine einzige Alternative raus zu kommen. Ich hätte später auch Drogen nehmen können oder Alkohol, denn ich hatte viele Probleme – oder eben Musik machen. Und das war das am wenigsten Verletzende, was ich tun konnte.
    Buchmann:: das Gesündeste ...
    Geffen:: Musik war mein Psychiater für viele Jahre. Meine Sicherheit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.