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Azubis
Zu alt, zu schlecht, zu fremdländisch

Obwohl viele deutsche Firmen händeringend nach Auszubildenden suchen, bleiben viele Schulabgänger ohne Lehrstelle. Die Unternehmen klagen über schlechte Bewerber. Aber oft stehen sie sich mit ihren Vorurteilen auch selbst im Weg. Vor allem junge Deutsch-Türkinnen spüren das.

Von Sandra Pfister und Christoph Richter |
    Zwei Stapel mit Abschluss-Zeugnissen liegen auf einem Tisch.
    "Anfangs wollte ich eigentlich immer nur Arzthelferin werden. Also, ich habe jede Menge Bewerbungen geschrieben, aber andauernd nur Absagen bekommen, weiß nicht woran das gelegen hat? Mein Abschluss war ok." (picture alliance / dpa / Stefan Hähnsen)
    "Es haben sich also mehrere Unternehmen bei mir gemeldet, ich durfte mir aussuchen, wo ich die Ausbildung mache. Man hat mir in jedem Bewerbungsgespräch gesagt, dass man mich dann auch gerne übernehmen würde."
    David Schütz, 34 Jahre alt, will Fachinformatiker werden. Der Aachener konnte sich seine Ausbildungsstelle aussuchen – trotz oder vielleicht auch wegen seines Alters. Seine Leistungen stimmen, aber ihm kommt auch die Gesamtlage zugute. Deutsche Firmen suchen derzeit so händeringend Auszubildende, dass sie Schüler teilweise mit Smartphones oder Zuschüssen zu einem Führerschein locken. Allein im vorigen Jahr konnten sie – so melden die Industrie- und Handelskammern – 80.000 Lehrstellen nicht besetzen.
    In diesem Jahr könnte die Lücke noch weiter auseinandergehen, prognostizieren die Arbeitgeberverbände. Präzise lässt sich das erst im Oktober sagen, wenn das Ausbildungsjahr angelaufen ist. Nicht nur in traditionellen Blaumann-Berufen gibt es einen Azubi-Mangel; offenbar haben es auch Banken und kaufmännische Abteilungen schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden.
    Paradoxerweise finden zugleich immer mehr Schulabgänger keine Lehrstelle. Im vergangenen Jahr waren im Herbst noch 21.000 Bewerber unversorgt, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Mehr als 60.000 überbrückten die Zeit außerdem durch einen weiteren Schulbesuch oder ließen sich in einer Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit parken.
    "Also man bekommt ja sehr viele Absagen. Ich hab jetzt von vielen Menschen gehört, die sich bewerben in meinem Alter, da kriegen auch viele 'ne Abfuhr. Kann ich nicht verstehen, dass viele gesucht werden."
    Mehr Suchende und mehr unbesetzte Stellen gleichzeitig – das klingt widersprüchlich. Rein rechnerisch könnte tatsächlich jede Stelle problemlos besetzt werden. Doch es wird immer schwieriger, das betriebliche Angebot und die Nachfrage und Eignung der Jugendlichen zusammenzuführen. Das sogenannte "Mismatching" ist das größte Problem des Ausbildungsmarktes: Die, die für eine Stelle geeignet wären, wollen sie oft nicht. Und die, die sie gerne hätten, sind den Ausbildungsbetrieben immer seltener gut genug.
    Gegen Hauptschüler etwa gibt es inzwischen große Vorbehalte. Unter Ausbildern kursieren Geschichten von Azubis, die im besten Fall unmotiviert und unpünktlich sind, im schlechtesten auch noch frech werden. Manche Azubis, klagen viele Handwerksmeister, beherrschten nicht mal den einfachsten Dreisatz, von korrektem Deutsch ganz zu schweigen. Esther Hartwich, Bildungsexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, bestätigt das.
    Mehr als die Hälfte eines Abiturjahrganges beginnt inzwischen ein Studium
    "Nach unserer aktuellen Ausbildungsumfrage ist die mangelnde Ausbildungsreife das Ausbildungshemmnis Nummer eins für die Betriebe."
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält dagegen: Es gebe keinerlei empirische Belege dafür, dass sich die Ausbildungsreife der Jugendlichen verschlechtert habe. Das zeige auch eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Matthias Anbuhl, Leiter des Bereichs Bildungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund:
    "Ich glaube, dass wir in der Tat genügend ausbildungsreife Jugendliche haben, das kann man auch ganz einfach feststellen, denn jeder Jugendliche, der zur Bundesagentur für Arbeit geht, absolviert zunächst mal einen Test, ob er ausbildungsreif ist oder nicht, und diesen Test haben ja auch die Arbeitgeberverbände mitentwickelt."
    Kochlehrling Elke Nüstedt arbeitet am 03.03.2014 bei den 22. Regionalen Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen in der Küche der Yachthafenresidenz Hohe Düne in Rostock.
    Vor allem in der Gastronomie fehlen Auszubildende. Die Arbeit ist hart, das Betriebsklima rauh, die Bezahlung schlecht. Kaum einer will noch Koch werden. (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Anbuhl glaubt vielmehr, die Betriebe praktizierten eine Bestenauslese. Jeder vierte Azubi hat inzwischen Abitur, 42 Prozent haben einen Realschulabschluss, nur jeder dritte Azubi ist – laut Bundesinstitut für Berufsbildung - noch Hauptschüler.
    Doch gerade die Abiturienten, die von den Betrieben am meisten begehrt werden, wollen immer öfter studieren. Im vergangenen Jahr haben zum ersten Mal mehr junge Leute ein Studium begonnen als eine Ausbildung. Anfang der 90er Jahre nahmen nur 23 Prozent eines Jahrgangs ein Studium auf; heute studiert mehr als die Hälfte eines Jahrgangs. Das geht zulasten der dualen Ausbildung. Der zukünftige Fachkräftemangel sei auch eine Folge der Bildungspolitik, sagt Esther Hartwich vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag:
    "Wenn an den Schulen immer wieder vermittelt wird: Ihr müsst studieren gehen, dann ist auch klar, dass wenige sich für eine duale Ausbildung entscheiden."
    Wenn inzwischen nicht mehr nur die Besten, sondern auch die Meisten eines Jahrgangs an die Hochschulen drängen, müssen die Betriebe sich umstellen. Barbara Dorn leitet die Bildungsabteilung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände:
    "Das größte Problem der Unternehmen ist, dass sie wenige oder keine Bewerber mehr bekommen mit einem Niveau, das sie zu der Hoffnung berechtigt, dass sie mit diesem Auszubildenden einigermaßen mühelos die Ausbildung absolvieren können. Ich möchte an der Stelle auch hervorheben, dass große Unternehmen schon teilweise Erfahrungen sammeln mit Gruppen von Jugendlichen, die nicht ganz so leistungsstark sind, wie man das in den Jahren mit starken Jahrgängen gewohnt war."
    Viele Kleinunternehmen bilden gar nicht mehr aus
    Manche Betriebe also nehmen zähneknirschend lieber einen schlechteren Lehrling als gar keinen. Andere aber – besonders Kleinunternehmen – bilden dann eher gar nicht mehr aus, weil der Aufwand für sie viel zu groß wäre.
    Jahrelang lag der Anteil der ausbildenden Betriebe bei etwa einem Viertel. Seit fünf Jahren bildet nur noch jeder fünfte Betrieb aus, wie Esther Hartwich vom DIHK bestätigt.
    "Wenn ein Betrieb keine Azubis mehr findet, dann scheidet er schlichtweg aus der Statistik aus, egal, ob er jetzt noch ausbilden will oder nicht."
    Vielleicht aber stehen manchen Arbeitgebern auch ihre eigenen Vorurteile im Weg. Dass 60 Prozent der jungen Deutsch-Türkinnen beispielsweise keine Ausbildung haben, liegt auch daran, dass viele Firmen bei gleichen Noten lieber Emma einstellen als Elif. Diese Auswahl nach ethnischer Herkunft bestätigt auch der aktuelle Berufsbildungsbericht. Inzwischen bemühen sich zahlreiche Chefs zwar um junge Spanier oder Portugiesen als Arbeitskräfte, die Deutschtürken aber fallen durchs Raster.
    Eine junge Muslimin saß bei der Islamkonferenz 2012 mit dabei, als Politiker, Gesellschafts- und Religionsvertreter diskutierten.
    Besondern junge Musliminnen mit Kopftuch fühlen sich immer wieder benachteiligt. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Die 24-jährige Serpil Zaim aus Köln, Hauptschulabsolventin mit zusätzlichem Realschulabschluss, hat mehrere hundert Bewerbungen geschrieben, vergebens.
    "Anfangs wollte ich eigentlich immer nur Arzthelferin werden oder auch im Tierbereich, wollte ich in einer Tierarztpraxis als Helferin arbeiten. Also, ich habe jede Menge Bewerbungen geschrieben, aber andauernd nur Absagen bekommen, weiß nicht woran das gelegen hat, mein Abschluss war ok. Nachdem ich nur Absagen bekommen habe, habe ich auch die Hoffnung aufgegeben und hab dann einfach angefangen, irgendwo zu arbeiten. Und mit dem Geld hab ich mich jetzt selbstständig gemacht."
    Serpil Zaim, eine kleine, drahtige Frau mit blond gefärbten Haaren, sitzt heute in ihrem eigenen Hundesalon, sie hat ihn vor eineinhalb Jahren aufgemacht. Die Frau, der kein Unternehmen eine Chance gegeben hat, managt heute ihren eigenen Laden, inklusive der kompletten Buchhaltung.
    "Die Arbeitgeber gucken immer auf die Noten, statt sich mal die Person selbst anzugucken, wie gibt die Person sich bei der Arbeit! Ich mein', die Noten sagen ja nicht viel aus, vielleicht ist man in der Schule nicht gut, dafür beim Arbeiten besser. Wie bei mir der Fall: Ich war in der Schule nicht super, aber ich bin ein Arbeitstier, das weiß ich selbst. Ich kann arbeiten, aber Schule, Lernen, war für mich nie top."
    Allein in Baden-Württemberg erhalten mehr als 1.000 Jugendliche Hilfe bei der Ausbildung
    Wenn den Firmen zunehmend Lehrlinge fehlen, sollte das eigentlich eine Chance sein für Menschen wie Serpil Zaim, die bislang wenig beachtet wurden. Das geschieht nur selten – es sei denn, die Unternehmen bekommen Unterstützung, etwa wenn sie Lehrlinge einstellen, die beim Rechnen oder Schreiben noch Schwächen haben. In allen Bundesländern gibt es mittlerweile Modellprojekte zur sogenannten "assistierten Ausbildung", bei denen Betreuer dafür sorgen, dass Jugendliche pünktlich zur Arbeit erscheinen oder dass sie nach Feierabend noch Nachhilfe in Mathe oder Deutsch bekommen.
    Allein in Baden-Württemberg erhalten mehr als 1.000 Jugendliche Hilfe bei der Ausbildung – unter anderem im staatlich finanzierten Modellprojekt carpo, das in Freiburg Monika Kramer vom Jugendhilfswerk leitet.
    "Gerade für kleine Betriebe ist das sehr hilfreich, weil sie nicht die Möglichkeiten wie Großbetriebe haben, die schon selbst Ausbildungszentren haben. Ich weiß von Großbetrieben, die selbst schon Sozialarbeiter eingestellt haben, um mit den Jugendlichen zu arbeiten."
    Deutlich attraktiver, als Schwache aufwendig nach zu qualifizieren, ist es aber für viele Unternehmen, die Starken zu umgarnen. Das Handwerk umwirbt gerade massiv Studienabbrecher: Menschen, die mal ihren Master machen wollten, sollen auf Meister umsatteln.
    Die Zielgruppe ist groß und verlockend: Jeder dritte Studierende beendet sein Studium nicht, in den sogenannten MINT-Fächern, also Naturwissenschaften und Technik, bricht teilweise sogar jeder zweite sein Studium ab. Zunehmend wittern Unternehmen die Chance, sie mit einer auf 18 Monate verkürzten Ausbildung zu herausragenden Mechatronikern oder Fachinformatikern zu machen. So wie den 34-jährigen David Schütz aus Aachen.
    "Ja, ich hatte einen Lebensweg mit vielen Kurven, hab die Architektur ja abgebrochen, hab dann mit Fotografie und Kunst angefangen, hab die letzten vier Jahre halb-halb in Thailand gelebt. Jetzt bin ich wieder hier."
    Das ging schneller als gedacht. Erst Mitte Juli hatte Schütz in Thailand den Entschluss gefasst, in Deutschland noch einmal eine Ausbildung zu absolvieren. Schon zum 1. August rollte ihm ein Mittelständler mit 500 Mitarbeitern in Aachen den roten Teppich aus. Entscheidend war, dass Schütz bereits als Schüler Computerprogramme geschrieben hat.
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka will Studienabbrecher besser an Unternehmen vermitteln lassen
    "Ich hab schon harte Kreuzverhöre erwartet, und es war total nett, und in der Regel hatte ich eher das Gefühl, dass das Unternehmen sich darstellt und mir vermittelt, wie schön es wäre, da die Ausbildung zu machen."
    Den Kontakt zwischen Unternehmen und Azubi hat das Aachener Studienabbrecher-Projekt "Switch" vermittelt – es ist die erste Initiative dieser Art, die bundesweit arbeitet. In den vergangenen drei Jahren haben die Vermittler von Switch insgesamt 160 Studienabbrechern zu Ausbildungsplätzen verholfen. In der Region Aachen gibt es viele Betriebe, die Azubis mit technischem Interesse suchen. Und die RWTH Aachen als technische Hochschule bringt eine Menge Studienabbrecher hervor. Peter Gronostaj, der Projektleiter von Switch, versucht, sie zu kontaktieren, bevor sie die Uni und die Stadt verlassen.
    "Also wir vermitteln schwerpunktmäßig in der IT-Branche, aber natürlich gibt es in anderen Bereichen Bedarfe, beispielsweise Mechatroniker, Industriemechaniker, und je nachdem suchen die Unternehmen auch im kaufmännischen Bereich, beispielsweise Industriekaufmann."
    Projekte wie Switch sollen in Serie gehen. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka will ab Januar Pilotprojekte fördern, die Studienabbrechern den Umstieg in eine Lehre schmackhaft machen sollen. Es ist für sie ein Rezept gegen den Fachkräftemangel. Allerdings, so schränken die Vermittler aus der Praxis ein, wohl kein Allheilmittel.
    Lehrling und Meister in der Werkstatt.
    "Ich habe doch gar keine andere Wahl. Ich hätte sonst wieder bei meinen Eltern einziehen müssen. Also habe ich nach Arbeitsmöglichkeiten in ganz Europa gesucht." (picture alliance / dpa/ Sebastian Kahnert)
    "Also, wir denken, dass die Studienabbrecher nicht generell das Problem der Unternehmen lösen können, ihre Lehrstellen mit Studienabbrechern zu decken, das mit Sicherheit nicht."
    Und schon gar nicht in den Bereichen, in denen die meisten Azubis fehlen: In der Gastronomie oder bei Fleischern. Bei Köchen und Restaurantfachkräften ist jede fünfte Lehrstelle unbesetzt, und die Hälfte der Lehrlinge bricht ab.
    Das liegt nicht nur daran, dass das Knochenjobs sind mit niedriger Bezahlung. Nach Ansicht von Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund bieten die Arbeitgeber den jungen Leuten in diesen Branchen zu wenig. Viele Betriebe seien also selbst schuld, wenn sie ihren Nachwuchs nicht halten können.
    "Wenn man mal schaut, welche Betriebe ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können, dann ist das eher bundesweit betrachtet Hotel, Gastronomie, Bäcker, Fleischer, Gebäudereiniger, und das sind häufig auch die Branchen mit den größten Defiziten bei der Ausbildungsqualität."
    Sprache ist oft ein großes Problem bei ausländischen Auszubildenden
    Manch ein Klein- oder Mittelbetrieb dürfte deshalb ganz froh sein über die derzeit hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa. Viele Unternehmen haben etwa in Spanien und Portugal Lehrlinge gesucht und gefunden – mit freundlicher Unterstützung des Bundesarbeitsministeriums. Die damalige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat das Programm namens Mobipro-EU ins Leben gerufen. Seit Januar 2013 können sich junge Ausbildungswillige aus Südeuropa hierzulande bewerben und mit Sprachkursen und Zuschüssen zum Lebensunterhalt fördern lassen. Nach einem zeitweiligen Antragsstopp in diesem Jahr soll das Programm noch bis 2018 weiterlaufen.
    Davon profitiert etwa Katarina Papanikolao aus Griechenland. Vor einigen Tagen hat sie im Ratswaage-Hotel in Magdeburg ihre Ausbildung zur Restaurantfachfrau begonnen.
    Und dazu gehört auch das Serviettenfalten: Die junge Frau mit den schwarzen langen Haaren schaut ihren Kolleginnen genau zu und versucht, sich alles einzuprägen. 29 Jahre ist sie alt und in ihrer Heimat hat sie bereits ein Studium abgeschlossen. Katarina Papanikolao ist eigentlich Lehrerin.
    "Ich bin seit drei Jahren arbeitslos. So, dass ich eine Arbeit finden musste. Weil ich Geld haben will."
    Anfang Juli kam Katarina Papanikolao erst mal zur Probe für ein Praktikum nach Magdeburg. Einige Wochen lang arbeitete sie jeweils drei Tage im Hotel, zwei Tage büffelte sie deutsche Vokabeln und Grammatik. Die Sprache sei das Schwierigste, sagt sie. Doch zusammen mit vier anderen Griechen und einem Spanier beißt sie sich durch. Dass sie nach ihrer akademischen Ausbildung nun noch einmal ganz von vorn anfangen muss, sei kein Problem für sie:
    "Ich habe doch gar keine andere Wahl. Ich hätte sonst wieder bei meinen Eltern einziehen müssen. Also habe ich nach Arbeitsmöglichkeiten in ganz Europa gesucht. Dabei bin ich auf das Programm THE JOB OF MY LIFE gestoßen. Dann habe ich meine Bewerbung abgeschickt und ja, jetzt bin ich hier."
    THE JOB OF MY LIFE – unter diesem Titel wurde das Programm MobiPro-EU des deutschen Arbeitsministeriums beworben. Seit Januar vergangenen Jahres sind auf diesem Weg mehr als 9.000 junge Leute aus Südeuropa nach Deutschland gekommen. So wie Katarina Papanikolao, die seit ein paar Tagen einen Ausbildungsvertrag hat. Wenn sie durchhält, ist ihr eine Festanstellung nach der Ausbildung so gut wie sicher.
    Auch Cheristos Londis hat den weiten Weg von Athen ins rund 2.500 Kilometer entfernte Magdeburg auf sich genommen, um hier eine Ausbildung zu machen. Eigentlich studiert der 19-Jährige Germanistik, dassei in seiner Heimat aber ein Studium ohne Zukunftsaussichten. Deshalb macht er nun eine Ausbildung zum Hotelfachmann.
    "Bis jetzt alles gut. Meine Kollegen sind alle super nette Leute. Und ich habe viele Deutsche kennengelernt, die alle sehr freundlich mit mir sind. Ja, es macht sehr viel Spaß."
    Viele potenzielle Azubis wollen für ihren Job nicht den Wohnort wechseln
    Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Griechenland bei 53 Prozent, in Spanien ist die Situation ähnlich. Doch so makaber das auch klingt: Die Krise der Mittelmeerländer entwickelt sich zur Chance für manchen Betrieb etwa in Sachsen-Anhalt, wo in vielen Branchen Nachwuchskräfte fehlen.
    "Wir gehen auf Bildungsmessen, wir sind in den Schulen unterwegs, wir sind in den diversen Printmedien drin, wo wir unsere Ausbildungsplätze anbieten."
    Erzählt Sven Leib, Verwaltungsdirektor des Magdeburger Ratswaage-Hotels.
    "Aber die Resonanz von heimischen Auszubildenden ist so gering, dass wir gesagt haben, wir müssen uns auch andere Wege erschließen."
    Über die Azubis aus Spanien und Griechenland könne er nur Gutes berichten, sagt Sven Leib.
    "Den Schritt ins Ausland zu gehen, eine Ausbildung da zu machen, erfordert schon einen gewissen Reifegrad. Da haben sie sich vorher intensiv mit beschäftigt. Das merkt man. Man kann jetzt schon sagen, dass der Grad der Einbringung sehr viel höher ist, als das, was man von einem normalen Auszubildenden erwarten kann."
    Zwei Konditor-Lehrlinge bei der Arbeit
    "Die Sprache ist so schwer. Die Arbeit nicht, die gefällt mir und ist viel einfacher als die Sprache!" (dpa/Wolfgang Thieme)
    Sven Leib hofft, dass viele auch nach ihrer Ausbildung in Magdeburg bleiben. Auch deshalb übernimmt in seinem Hotel jeder deutsche Azubi eine Patenschaft für einen Azubi aus Südeuropa – damit sie Anschluss haben und auch, um dem Heimweh vorzubeugen. Der Spanier David Contelles Gimeno findet das gut. Er stammt aus einem kleinen Ort bei Valencia und ist eigentlich Bauarbeiter, doch jetzt hat er eine Ausbildung zum Koch begonnen: Buletten statt Paella. Alles kein Problem – wäre da nur nicht die Sprachbarriere.
    "Die Sprache ist so schwer. Die Arbeit nicht, die gefällt mir und ist viel einfacher als die Sprache!"
    So wie das Magdeburger Ratswaage-Hotel haben mittlerweile viele deutsche Betriebe den Blick über den nationalen Tellerrand gewagt. Manchen würde es vermutlich zusätzlich helfen, in ihrer eigenen Region den Fokus zu erweitern: Die meisten kleinen und mittleren Betriebe suchen bislang ausschließlich in der Nähe ihres Standortes nach Azubis.
    Aber auch die potenziellen Azubis sind oft unflexibel: Laut Bundesinstitut für Berufsbildung hat sich nur jeder achte Ausbildungswillige bei Betrieben beworben, die mehr als 100 Kilometer von zuhause entfernt lagen. Viele bleiben außerdem auf einen einzigen Berufswunsch festgelegt und beschränken damit ihre Chancen. Bildungsexpertin Esther Hartwich vom DIHK rät den Jugendlichen zu mehr Mut und Fantasie:
    "Ein Jugendlicher, der keine Lehrstelle findet, hat der sich auch genau umgeschaut? Ich möchte dafür werben, dass man sich breit aufstellt und nicht nur fokussiert und mal schaut, bei den 340 Berufen, ob da nicht was dabei ist, was auch interessant ist, wo dann auch sicherlich noch Plätze frei sind."