Mal sind es die Fußspuren im gemeinsamen Treppenhaus, mal ist es das ständige Grillen oder der Lärm um Mitternacht - es gibt genug Gründe für Streit mit dem Nachbarn: Und so ein Konflikt vor der eigenen Haustür flammt gerne immer wieder auf, weil einer sich nicht zurückhalten kann. Was für Menschen gilt, gilt in diesem Fall auch für Staaten - jedenfalls für Frankreich und Italien. Die beiden Nachbarländer verbindet eine alte Rivalität, die in letzter Zeit eigentlich nur noch Grundlage für Witze war. Und dann provoziert doch wieder einer - in diesem Fall der italienische Vizeministerpräsident Luigi di Maio von den Fünf Sternen. Seine These: Frankreich sei vor allem schuld daran, dass so viele Menschen aus Afrika nach Europa kämen, das Land habe nie aufgehört, Afrika zu kolonisieren. Seine Begründung:
"Indem Frankreich Banknoten für 14 afrikanische Staaten druckt, behindert es die Entwicklung dieser Staaten und trägt dazu bei, dass Flüchtlinge sich auf den Weg machen."
Der CFA-Franc, auf den Di Maio anspielt, ist die Währung von 14 afrikanischen Ländern, die meisten von ihnen sind ehemalige französische Kolonien. Dass diese Währung ein Fluchtgrund sein soll, ist vorsichtig ausgedrückt eine steile These: In diesem Jahr taucht in einer aktuellen Statistik aus dem italienischen Innenministerium noch kein einziger Migrant aus einem dieser Länder auf. Und auch in einer älteren Statistik ist keiner der CFA-Staaten unter den Top drei der Herkunftsländer.
Offene Kritik an Macrons Politik
Die Folgen der Polemik: Frankreichs Außenministerium bestellte aus Protest die italienische Botschafterin ein. Und Italiens anderer Vizeministerpräsident Matteo Salvini von der rechten Lega, legte gleich nach - wie es sich für einen guten Nachbarschaftsstreit gehört. Frankreich wolle aus wirtschaftlichen Interessen vermeiden, dass sich die Lage in Libyen stabilisiert und weise tausende Migranten an der Grenze zu Italien zurück:
"Um das klarzustellen: Ich stehe mit meinem ganzen Herzen, mit meiner Arbeit dem französischen Volk nahe, den Millionen Männern und Frauen, die in Frankreich mit einer furchtbaren Regierung leben, mit einem äußerst schlechten Staatspräsidenten. Natürlich richtet sich die Polemik nicht gegen die Staatsbürger, gegen die Arbeiter, sondern gegen Macron, der viel redet und wenig zustande bekommt."
Er hoffe, dass die Franzosen ihrem "schrecklichen Präsidenten" bei der Europawahl im Mai einen Denkzettel verpassen werden.
Wenig überraschend folgte darauf eine unfreundliche Antwort der Nachbarn: Die Chefin des französischen Europaministeriums, Nathalie Loiseau, richtete über Twitter aus, die Franzosen hätten sich bei der vergangenen Präsidentschaftswahl für Macron entschieden und gegen eine Rechtspopulistin.
Europa-Wahlkampf in vollem Gange
Doch die Europawahl ist ein gutes Stichwort für die, die zur Besonnenheit rufen in diesem absurden Nachbarschaftsstreit. Wie Italiens parteiloser Außenminister Enzo Moavero Milanesi:
"Wir bleiben Freunde Frankreichs, bleiben Alliierte, sind beide weiterhin Teil der EU. Natürlich gibt es zwischen befreundeten Ländern, genau wie zwischen befreundeten Personen, Diskussionen und unterschiedliche Meinungen. Die nahenden Europawahlen sind ein Katalysator einer lebhafteren politischen Dialektik."
Also: Der Wahlkampf für die Europawahl im Mai ist seiner Meinung nach verantwortlich dafür, dass Italiens Politiker so polemisch werden. Was bedeuten würde: Bis Mai dürfte es noch schlimmer werden. Und Oppositionspolitiker Graziano Delrio vom PD hat einen weiteren Verdacht:
"Ich glaube, dass das ein weiteres Manöver der Fünf-Sterne-Bewegung ist, um von unseren wirklichen Problemen abzulenken."
Probleme hat das Land wirklich einige: Hohe Jugendarbeitslosigkeit, hohe Verschuldung, Korruption und eine langsame, ineffektive Justiz. Italien hätte also genug Grund, erstmal vor der eigenen Haustür zu kehren, anstatt Frankreich anzugreifen.