Es war wohl eine der größten Überraschungen in diesem Sportjahr, als Thomas Bach kurz vor dem Ende der Olympischen Spiele in Paris vor die Mikrofone getreten ist. Er will nach 2025 nicht weitermachen als IOC-Präsident.
Und das, obwohl ihm das IOC das wohl ermöglicht hätte. Entgegen der geltenden Amtszeitbeschränkung hatten mehrere Mitglieder des internationalen Olympischen Komitees vorgeschlagen, dass er doch weiter machen könne. Der Weg für Bach wäre wohl frei gewesen.
„Es war nicht unerwartet“, sagt Wolfgang Maennig dazu, dass Bach diesen Weg nicht gegangen ist, schließlich habe der IOC-Präsident selbst lange für eine Amtszeitbegrenzung gekämpft. Der Sportwissenschaftler und Ruder-Olympiasieger von 1988 zieht nach fast 12 Jahren Bach an der Spitze des Weltsports durchaus ein positives Fazit:
„Die olympische Welt ist nicht perfekt, aber es ist schwer vorstellbar, dass ein anderer Präsident das besser gemacht hätte. Deshalb denke ich, dass wir zufrieden sein können mit der Bilanz von Thomas Bach.“
9. IOC-Präsident der erste aus Deutschland
2013 wurde Bach der Nachfolger von Jaques Rogge: Der 9. IOC-Präsident überhaupt – und der erste in der deutschen Geschichte. Dem olympischen Sport hingen damals noch Korruptionsskandale nach, etwa rund um die Vergabe der Spiele nach Salt Lake City. Zahlreiche Doping-Skandale hatten das Bild des Weltsports ramponiert.
„Also da waren viele böse Sachen, für die olympische Familie auch zu Recht angegangen worden ist. Und in dieser Umwelt hat er natürlich versucht, was er konnte,“ sagt Maennig. „Und ich muss sagen, mein Eindruck ist: Er hat das diplomatisch gelöst, im Einvernehmen mit der olympischen Familie. Und natürlich sind die Entscheidungen nicht immer allen verständlich. Aber in der olympischen Familie hat er extrem großen Rückhalt und Unterstützung.“
Frei von Skandalen war aber auch die Amtszeit von Thomas Bach nicht. Da ist etwa das russische Staatsdoping-System, in dessen Folge zwar schlussendlich russische Flaggen von den Olympischen Spielen verbannt werden – Sportler aber trotzdem starten dürfen.
Und auch bei den Spielen in Paris sind am Ende russische Sportlerinnen dabei. Trotz Angriffskrieg in der Ukraine - wenn auch unter neutraler Flagge. Ein Kritikpunkt von Karla Borger, der Präsidentin von Athleten Deutschland: „Er hat seine klaren Prioritäten gesucht und den IOC geschützt, und nicht so ganz die Belange der Athlet*innen.“
Wenig Geld für Sportler, viel Geld für das IOC
Überhaupt müsse sich in diesem Bereich so einiges ändern im IOC, sagt die Beachvolleyballerin: „Ich denke an transparente Aufschlüsselung der IOC-Umsätze, dass die Athlet*innen an den Einnahmen eben auch beteiligt werden, und ihnen auch mehr Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden.“
Vor allem die eigene Vermarktung bemängeln die Athletinnen und Athleten immer wieder: Während das IOC mit der Leistung der Sportler rund um die Spiele Milliarden verdient, dürfen die selbst die große Olympia-Bühne nicht für Sponsoring nutzen. Auch unter Bach hat sich in dieser Sache wenig verändert.
Angehen wollte er vor allem den Gigantismus, den viele mit den Spielen verbinden – und der Olympia bei potenziellen Ausrichtern unbeliebt gemacht hat: Immer größere Spiele, mehr Teilnehmer – und mehr Umweltzerstörung. Hier wollte Bach mit dem Reformprozess „Agenda 2020“ gegensteuern, die Spiele wieder kleiner machen.
Gute Situation des IOC dank Bach
„Er hat bewiesen, mit den Spielen in Paris, dass die Agenda nicht nur etwas ist, was auf dem Papier steht, sondern in der Realität die Marke Olympische Spiele unwahrscheinlich gestärkt hat“, sagt dazu Thomas Konietzko, Chef des Kanu-Weltverbands – die Spiele in Paris seien schließlich ein großer Erfolg gewesen:
„Dass wir jetzt als olympische Bewegung in einer besseren Situation als je zuvor sind, haben wir ausschließlich den 12 Jahren Präsidentschaft von Thomas Bach zu verdanken.“
Gerade in Deutschland steht der IOC-Präsident aber auch immer wieder in der Kritik – wegen seiner langjährigen Russland-Nähe, wegen Spielen in autokratischen Ländern wie China. Oder auch wegen zunehmender Intransparenz bei der Olympia-Vergabe, wo der Ausrichter von Spielen schon vor der Verkündung quasi feststeht. Für Thomas Konietzko ist das international aber ein Einzelfall:
„Ich glaube ehrlich, dass diese Wahrnehmung des IOC-Präsidenten eine relativ einsame ist, und auch nicht dem entspricht, was der Rest der Sportwelt über das IOC und Thomas Bach denkt.“
Dort stünden vor allem die Verdienste von Bach im Vordergrund, die Sportwelt trotz Doping, Krieg und Pandemie zusammengehalten zu haben. Das sagt auch Sportwissenschaftler Maennig. Laut ihm hinterlässt Bach seinem Nachfolger eine gesunde Organisation:
„Die Spiele sind praktisch bis 2034 vergeben, es stehen mehrere Bewerber für 2036 und 2040 zur Verfügung. Er hat die Marketing-Verträge langfristig gesichert. Im Vergleich ist das Feld sehr gut bestellt.“
Und wer darf von Thomas Bach übernehmen? Sieben Kandidaten gibt es, etwa Sebastian Coe als Präsident des Leichtathletik-Weltverbands, oder die Ex-Schwimmerin Kirsty Coventry aus Zimbabwe.
Schneller, höher, stärker, ... zusammen
„Ich bin da relativ neutral, aber ich würde mich freuen, wenn es eine Frau am Ende wird“, sagt Karla Borger. Für Thomas Konietzko ist vor allem wichtig, Olympia relevant zu halten – egal mit wem an der Spitze:
„Wir müssen uns an die gesellschaftlichen Trends anpassen, Sportarten, die vor 50 Jahren interessant waren, sind es heute nicht mehr. Was wir nicht verändern dürfen, ist, dass wir die eigentliche Rolle des Sports, zusammenzubringen, alle Länder der Welt, nicht aus dem Blick verlieren sollten.“
Nicht umsonst hat Thomas Bach sich ja auch im Leitspruch des IOC verewigt – seit dem Spielen in Tokio trägt der Slogan „Schneller, höher, stärker“ den Zusatz „Zusammen.“