Ein Buch also über die so genannte "Backfischzeit", wie man früher sagte. Mit Herz und Schmerz und Liebesleid. Ein ewig gültiges Thema mit nur geringen Variationsmöglichkeiten, so könnte man meinen. Aber der Blick zurück in die Vergangenheit lehrt einen dann doch eines Besseren. Dagmar Chidolue hat ihren Roman nämlich Ende der Fünfzigerjahre in einer norddeutschen Kleinstadt angesiedelt. Und zwischen dieser Zeit und heute - die Autorin führt es uns bis in die kleinsten Details eindringlich vor Augen - liegen wirklich Welten.
1959. Es ist einer heißer Sommer. Chidolues 15-jährige Ich-Erzählerin Jutta schildert aus der ummittelbaren Gegenwart ihres Erlebens, das, was sie gerade tut, was sie fühlt und denkt und beobachtet. Sie trifft sich mit ihrer Freundin Annemarie zum Sticken, sie sammeln fürs Müttergenesungswerk, sie gehen zum Tanzkursus, sie besuchen ein Mandolinenkonzert, sie langweilen sich zu Hause zu Tode und flüchten sich in ihre endlosen Geschichten über Jungs. Die Spannung dieses Romans ergibt sich aus der Diskrepanz von Fantasie und Wirklichkeit. Jutta liest gerade einen Liebesroman und Passagen dieses Schmökers werden von ihr aufgenommen und zitiert wie der Text einer Gebrauchsanleitung. So schön und aufregend muss es auch bei ihrem ersten Mal zugehen! Genauso muss man sich ansehen und in die Arme nehmen und mit einander glücklich werden! Aber die Gebrauchsanleitung funktioniert nicht. Alle Träume zerplatzen, erweisen sich als banal. Da, wo die Liebe blühen sollte, macht sich der Frust breit.
Chidolues Ich-Erzählerin ist nicht einfach nur naiv. Sie registriert das Auseinanderdriften ihrer inneren und der äußeren Welt sehr genau. "Der Sommer streicht über mich hinweg", so zum Beispiel ihr Kommentar, "Die Zeit versandet, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich halte mich bereit für das große Abenteuer, aber die Geschichten, die ich erlebe, sind nur geträumt. Es ist, als würde ich mich in einem nicht enden wollenden Tiefschlaf befinden".
Was dieser 15-Jährigen fehlt, das sind die Mittel und der Spielraum, um die Leere, die Sprachlosigkeit und das ewige schlechte Gewissen abzuschütteln. Schuld daran ist in Chidolues Roman nicht einfach nur
die Enge und Tristesse der Kleinstadt. Es ist die vermeintliche Wohlanständigkeit der Erwachsenen in diesem Milieu Ende der Fünfzigerjahre, die nicht nur Träume zerschlugen, sondern auch Lebenschancen und Entwicklungen blockierten. Es ist bewegend zu lesen, wie Jutta sich in ihren Cousin verliebt. Sie fahren zusammen Motorrad, wobei sie vorsichtig und mit Herzklopfen ihre Arme um ihn schlingt. Viel mehr passiert da eigentlich nicht, aber die Verwandten reagieren mit Taktlosigkeiten und Gehässigkeit.
Im Elternhaus, bei den Nachbarn - überall die selbe Scheinheiligkeit und widersprüchliche Moral: Als das Nachbarsmädchen Evelyn regelmäßig von ihrem Chef mit einem großen Wagen abgeholt wird, wird das Geschehen hinter den Gardinen bewundernd verfolgt. Als das Mädchen aber schwanger wird, muss sie verschwinden und alle fallen aus den Wolken.
Die ausgehenden Fünfzigerjahre: Manchmal hat Dagmar Chidolue sie etwas überakzentuiert. Die Petticoats, die spitzen BHs, Peter Frankenfeld im Fernsehen und die Salzstangen im Messingständer - diese Ausstattung ist uns durch so manche Reminiszenzen der vergangenen Jahre mehr als vertraut. Interessanter sind da schon so manche sprachlichen Ausprägungen dieser Zeit, die die Autorin einflechtet. Man ging eben damals als Sekretärin nicht ins Büro, sondern "in den Dienst". Man machte keine Ausflug, sondern eine "Spritztour". Und ein Mädchen, das sich auf Jungs einließ, war "verdorben", so hieß das, oder ein "Flittchen".
Dagmar Chidolue hat in ihrem Roman "Liebe ist das Paradies" an eine Mädchengeneration erinnert, die, am Ende des Krieges geboren, durch Fernsehen, amerikanische Hits und Filme auch in der Kleinstadt Vorboten des Aufbruchs bereits wahrnahmen, aber ihre Früchte in den Sechszigerjahre nicht mehr ernten konnten. Diese kleinen, individuell aber doch so großen Tragödien kenntlich gemacht zu haben, darin liegt die Qualität dieses Buches.
1959. Es ist einer heißer Sommer. Chidolues 15-jährige Ich-Erzählerin Jutta schildert aus der ummittelbaren Gegenwart ihres Erlebens, das, was sie gerade tut, was sie fühlt und denkt und beobachtet. Sie trifft sich mit ihrer Freundin Annemarie zum Sticken, sie sammeln fürs Müttergenesungswerk, sie gehen zum Tanzkursus, sie besuchen ein Mandolinenkonzert, sie langweilen sich zu Hause zu Tode und flüchten sich in ihre endlosen Geschichten über Jungs. Die Spannung dieses Romans ergibt sich aus der Diskrepanz von Fantasie und Wirklichkeit. Jutta liest gerade einen Liebesroman und Passagen dieses Schmökers werden von ihr aufgenommen und zitiert wie der Text einer Gebrauchsanleitung. So schön und aufregend muss es auch bei ihrem ersten Mal zugehen! Genauso muss man sich ansehen und in die Arme nehmen und mit einander glücklich werden! Aber die Gebrauchsanleitung funktioniert nicht. Alle Träume zerplatzen, erweisen sich als banal. Da, wo die Liebe blühen sollte, macht sich der Frust breit.
Chidolues Ich-Erzählerin ist nicht einfach nur naiv. Sie registriert das Auseinanderdriften ihrer inneren und der äußeren Welt sehr genau. "Der Sommer streicht über mich hinweg", so zum Beispiel ihr Kommentar, "Die Zeit versandet, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich halte mich bereit für das große Abenteuer, aber die Geschichten, die ich erlebe, sind nur geträumt. Es ist, als würde ich mich in einem nicht enden wollenden Tiefschlaf befinden".
Was dieser 15-Jährigen fehlt, das sind die Mittel und der Spielraum, um die Leere, die Sprachlosigkeit und das ewige schlechte Gewissen abzuschütteln. Schuld daran ist in Chidolues Roman nicht einfach nur
die Enge und Tristesse der Kleinstadt. Es ist die vermeintliche Wohlanständigkeit der Erwachsenen in diesem Milieu Ende der Fünfzigerjahre, die nicht nur Träume zerschlugen, sondern auch Lebenschancen und Entwicklungen blockierten. Es ist bewegend zu lesen, wie Jutta sich in ihren Cousin verliebt. Sie fahren zusammen Motorrad, wobei sie vorsichtig und mit Herzklopfen ihre Arme um ihn schlingt. Viel mehr passiert da eigentlich nicht, aber die Verwandten reagieren mit Taktlosigkeiten und Gehässigkeit.
Im Elternhaus, bei den Nachbarn - überall die selbe Scheinheiligkeit und widersprüchliche Moral: Als das Nachbarsmädchen Evelyn regelmäßig von ihrem Chef mit einem großen Wagen abgeholt wird, wird das Geschehen hinter den Gardinen bewundernd verfolgt. Als das Mädchen aber schwanger wird, muss sie verschwinden und alle fallen aus den Wolken.
Die ausgehenden Fünfzigerjahre: Manchmal hat Dagmar Chidolue sie etwas überakzentuiert. Die Petticoats, die spitzen BHs, Peter Frankenfeld im Fernsehen und die Salzstangen im Messingständer - diese Ausstattung ist uns durch so manche Reminiszenzen der vergangenen Jahre mehr als vertraut. Interessanter sind da schon so manche sprachlichen Ausprägungen dieser Zeit, die die Autorin einflechtet. Man ging eben damals als Sekretärin nicht ins Büro, sondern "in den Dienst". Man machte keine Ausflug, sondern eine "Spritztour". Und ein Mädchen, das sich auf Jungs einließ, war "verdorben", so hieß das, oder ein "Flittchen".
Dagmar Chidolue hat in ihrem Roman "Liebe ist das Paradies" an eine Mädchengeneration erinnert, die, am Ende des Krieges geboren, durch Fernsehen, amerikanische Hits und Filme auch in der Kleinstadt Vorboten des Aufbruchs bereits wahrnahmen, aber ihre Früchte in den Sechszigerjahre nicht mehr ernten konnten. Diese kleinen, individuell aber doch so großen Tragödien kenntlich gemacht zu haben, darin liegt die Qualität dieses Buches.