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Baden-Württemberg
Friedensorganisationen in die Schule

Homosexualität als Unterrichtsthema - mit diesem Plan brachte die Stuttgarter Landesregierung vor allem Konservative gegen sich auf. Nun will Kultusminister Stoch Friedensorganisationen in die Schulen holen, als Gegengewicht zur Bundeswehr. Die CDU kritisiert das massiv.

Von Michael Brandt |
    Zwei Regenbogenfahnen mit dem Schriftzug "Pace" wehen im Wind
    Baden-Württemberg will Friedensorganisationen in die Schulen holen - als Gegengewicht zur Bundeswehr. (dpa / Patrick Pleul)
    Zwei Monate ist es her, da klang es auf dem Stuttgarter Marktplatz so: "Wir sagen nein zur Zwangssexualisierung und Umerziehung der Kinder."
    Gegner des geplanten baden-württembergischen Bildungsplans hatten eine Online-Petition gegen die Leitprinzipien des Plans verfasst. Insbesondere das Prinzip "Toleranz und Akzeptanz" stand in der Kritik. Solange "schwule Sau" das häufigste Schimpfwort auf Schulhöfen sei, bestehe Handlungsbedarf, verteidigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Papier aus dem Kultusministerium zunächst, wenig später fügte er aber hinzu:
    "Ich werde alles versuchen, dass jetzt da diese Anzeichen von Kulturkampf, die sich da entwickeln, dass wir das möglichst beenden und alle Menschen ihre Kinder mit Vertrauen in den Unterricht schicken können."
    Die Folge waren zum einen Gespräche mit den evangelikalen, also pietistischen Gruppen, aus deren Richtung die lauteste Kritik kam, zum anderen, dass Kultusminister Andreas Stoch ankündigte, dass der Bildungsplan erstens um ein Jahr verschoben wird und dass zweitens aus den Leitprinzipien sogenannte Leitperspektiven werden.
    "Die Arbeitsfassung aus dem letzten Jahr hatte tatsächlich Nachbesserungsbedarf. Da geht es vor allem um Fragen der Lesbarkeit und Verständlichkeit."
    Und nun waren Akzeptanz und Toleranz nur noch Perspektiven neben vielen anderen: "Wenn wir uns als weiteres Thema die Bildung für nachhaltige Entwicklung nehmen, das Thema Medienbildung nehmen."
    Ruhigere Debatte
    Die öffentliche Debatte hat sich seitdem beruhigt. Allein die CDU-Opposition im Landtag fordert jetzt, auch auf die Leitperspektiven zu verzichten. Aber nicht weil sie in der Sache falsch seien, so CDU Bildungspolitiker Georg Wacker, "sondern unsere Sorge ist, dass diese sechs Leitperspektiven, so wie sie jetzt geplant sind, am Ende zu einer Überfrachtung des Bildungsplanes führen."
    Die Differenzen liegen also nur noch in der redaktionellen Ausgestaltung des Bildungsplans und demnach wäre sogar ein Konsens mit der Opposition denkbar. In diesem Punkt. Denn vor einigen Tagen machte Kultusminister Stoch dann einen neuen Vorstoß, der zumindest in einem gewissen Zusammenhang mit dem Bildungsplan steht.
    Er erklärte, dass künftig neben der Bundeswehr auch Friedensorganisationen bei der politischen Bildung in der Schule mitwirken sollen. Bislang gibt es eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr, nach der Jugendoffiziere im Unterricht über deutsche Sicherheitspolitik informieren dürfen.
    Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch (SPD) im Landtag in Stuttgart.
    Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch (SPD) im Landtag in Stuttgart. (picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann )
    "Da ist es mir auch wichtig, dass andere außerschulische Partner an dieser Information in der Schule teilhaben können. Und die Friedensorganisationen sind für mich ein Teil der Gesellschaft und können, wenn es um Friedenserziehung geht, eine ganz gewichtige Rolle spielen."
    Gegengewicht oder Friedens-Ideologie
    Stoch betont zwar, dass da alles bislang bereits möglich sei und dass die Entscheidung am Ende immer vom Lehrer getroffen werde, aber die Kritik der CDU kam dennoch schnell und massiv. Der Abgeordnete Ulrich Müller vermutet reine Ideologie hinter dem Vorstoß des Ministers:
    "Ich halte das für völlig falsch, solche Organisationen auf eine Stufe mit der Bundeswehr zu stellen und damit gleichzeitig zu suggerieren, die einen sind für den Krieg, nämlich die Bundeswehr und die anderen sind für den Frieden und im Interesse der Ausgewogenheit muss man beide Seiten hören. Die Bundeswehr ist eine Friedensorganisation!"
    Die Grünen begrüßten den Vorstoß des Ministers hingegen: "Für die politische Bildung braucht es ein ausgeglichenes Angebot an den Schulen", sagte die bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser. "Deshalb solle künftig die Friedensbewegung auf Augenhöhe mit der Bundeswehr gebracht werden."
    Das wiederum empört CDU-Mann Müller geradezu: "Die Bundeswehr vertritt die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik und sie bedarf ebenso wenig der Korrektur wie der Auftritt eines Polizeibeamten der Korrektur durch einen Rechtsbrecher bedarf, der dann sozusagen seine Sicht der Dinge darstellt."
    Auch wenn die Bildungspolitik in Baden-Württemberg inzwischen insgesamt in ein ruhigeres Fahrwasser gekommen ist, beim Thema Bildungsplan, beim Thema Ganztagsschule gibt sogar so etwas ähnliches wie einen parteiübergreifenden Konsens. Die neue Auseinandersetzung zeigt, dass bis zur Landtagswahl im Frühjahr 2016 ein Schulfrieden nicht zu erwarten ist.