"Einfach, dass jeder entscheiden kann, welche weiterführende Schule für das Kind besser ist, finde ich sehr gut, weil man kennt sein Kind am besten."
Wie diese Mutter argumentiert der Landeselternbeirat in Baden-Württemberg seit Langem dafür, die Entscheidung, welche weiterführende Schule für den Nachwuchs die beste ist, den Eltern zu überlassen. Die junge rot-grüne Regierung will das ab dem kommenden Schuljahr umsetzen. Doch es gibt auch Kritik. Die Karlsruher Pädagogikprofessorin Birgitta Reddig-Korn warnt:
"Den Kindern wird ein Stück weit ein Schonraum genommen, wenn diese verbindliche Grundschulempfehlung wegfällt. Die meisten Eltern wollen natürlich das Beste für ihr Kind. Die Frage ist, ob als Elternteil tatsächlich immer gesehen wird, was das Beste für das Kind ist, weil Eltern einfach doch nicht den Einblick in die einzelnen Schulen haben wie jetzt die Lehrkräfte."
Eine neue Studie gibt der Pädagogin recht. So hat Dr. Jörg Dollmann am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung untersucht, ob durch verbindliche Schulempfehlungen mehr oder weniger Bildungsgerechtigkeit hergestellt wird. Da in Nordrhein-Westfalen die verbindliche Schulempfehlung erst 2007 eingeführt wurde, konnte das Team des Mannheimer Forscher Grundschulklassen vor und nach dem Einführung untersuchen.
Dollmann: "Wir konnten zeigen, dass eben die Leistungen an Bedeutung verlieren, bei der Frage auf welche Schulart das Kind nach der Grundschule wechseln kann - wenn es eine unverbindliche Regelung ist. Und stattdessen die Bildungswünsche der Eltern eine größere Rolle spielen. Und diese Bildungswünsche, die sind eben differenziert nach sozialer Herkunft. So ist es, dass Kinder aus höheren sozialen Schichten oder deren Eltern besser gesagt, eher anspruchsvollere Aspirationen haben - und zwar auch ganz unabhängig von den Leistungen. Während Kinder aus bildungsfernen Familien, beziehungsweise deren Eltern, eher zurückhaltende Wünsche haben für ihre
Kinder -, auch wenn die relativ gute Leistungen erzielen."
Damit macht der Mannheimer Wissenschaftler die Hoffnungen derer zunichte, die glauben, dass durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung mehr Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten aufs Gymnasium oder die Realschule wechseln. Das Gegenteil ist der Fall, gerade diese Kinder haben mehr Chancen eine höhere Schule zu besuchen, wenn die Empfehlung dafür bindend ist, betont Dollmann:
"Was ganz erstaunlich ist bei der Untersuchung, ist, dass wir so eine gewisse Sogwirkung festgestellt haben für Kinder aus bildungsfernen Familien. Das bedeutet, dass die eben bei einer verbindlichen Regelung dann eher tatsächlich auf eine anspruchsvollere Schulart gewechselt sind, obwohl es theoretisch möglich gewesen wäre ohne Probleme, eben von dieser anspruchsvolleren Empfehlung der Lehrkräfte abzuweichen."
Häufig entscheiden Lehrer ebenso wenig objektiv wie Eltern - auf Kosten von Kindern aus bildungsferneren Schichten, bestätigt Sozialwissenschaftler
Dollmann:
"Bei der Grundschuluntersuchung Iglu konnte man für Deutschland eben zeigen, dass Kinder aus höheren Schichten bei gleichen Leistungen im Vergleich zu Kindern aus niedrigeren Schichten eine zwei bis 2,5-fach höhere Chance haben eine Gymnasialempfehlung zu bekommen."
Bei den Lehrerempfehlungen werden nicht nur die reine Leistung des Kindes, sondern auch seine Erfolgschancen auf dem Gymnasium und seine Unterstützungsmöglichkeiten durch die Familie berücksichtigt. Dazu kommt:
"Dass Eltern aus bildungsaffineren Schichten eben vielleicht mehr Druck auf die Lehrkräfte ausüben und die Lehrkräfte vielleicht dann eher zu einer positiven Empfehlung kommen, als das bei Eltern der bildungsferneren Schichten der Fall ist."
Trotz dieser Gerechtigkeitslücke ist die verbindliche Übertrittserklärung auf dem Rückzug. Nicht nur in Baden-Württemberg, auch Nordrhein-Westfalen hat sie im vergangenen Jahr wieder abgeschafft. Elternverbände hoffen, dass dadurch Lernklima in den Grundschulen wieder entspannt wird: weg vom Drill, dem Druck und den Tränen über schlechte Noten hin zu dem Lernen aus Freude.
Pädagogin Reddig-Korn mahnt, dass der Notenstress so nur verlagert wird:
"Der Druck kann wahrscheinlich rausgenommen werden in der Drei und Vier und das große Erwachen kommt dann in Klasse Fünf. Wenn Schüler vielleicht auf Schulen sind, die ihnen in der Form einfach nicht entsprechen - sei es vom Arbeitsverhalten her, vom Konzentrationsvermögen - einfach von der aktuellen Entwicklung her."
Davor fürchten sich auch die Gymnasiallehrer. Sie warnen, dass in den kommenden Jahren immer mehr Schüler bei ihnen angemeldet würden, die für das Gymnasium nicht geeignet seien. Hugo Öttinger, Vorsitzender der Gymnasialdirektoren in Nord-Baden, ist sicher:
"Natürlich wird es Eltern geben, die diese Chance ergreifen und sagen: Jawoll, mein Kind geht jetzt aufs Gymnasium."
Wie diese Mutter argumentiert der Landeselternbeirat in Baden-Württemberg seit Langem dafür, die Entscheidung, welche weiterführende Schule für den Nachwuchs die beste ist, den Eltern zu überlassen. Die junge rot-grüne Regierung will das ab dem kommenden Schuljahr umsetzen. Doch es gibt auch Kritik. Die Karlsruher Pädagogikprofessorin Birgitta Reddig-Korn warnt:
"Den Kindern wird ein Stück weit ein Schonraum genommen, wenn diese verbindliche Grundschulempfehlung wegfällt. Die meisten Eltern wollen natürlich das Beste für ihr Kind. Die Frage ist, ob als Elternteil tatsächlich immer gesehen wird, was das Beste für das Kind ist, weil Eltern einfach doch nicht den Einblick in die einzelnen Schulen haben wie jetzt die Lehrkräfte."
Eine neue Studie gibt der Pädagogin recht. So hat Dr. Jörg Dollmann am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung untersucht, ob durch verbindliche Schulempfehlungen mehr oder weniger Bildungsgerechtigkeit hergestellt wird. Da in Nordrhein-Westfalen die verbindliche Schulempfehlung erst 2007 eingeführt wurde, konnte das Team des Mannheimer Forscher Grundschulklassen vor und nach dem Einführung untersuchen.
Dollmann: "Wir konnten zeigen, dass eben die Leistungen an Bedeutung verlieren, bei der Frage auf welche Schulart das Kind nach der Grundschule wechseln kann - wenn es eine unverbindliche Regelung ist. Und stattdessen die Bildungswünsche der Eltern eine größere Rolle spielen. Und diese Bildungswünsche, die sind eben differenziert nach sozialer Herkunft. So ist es, dass Kinder aus höheren sozialen Schichten oder deren Eltern besser gesagt, eher anspruchsvollere Aspirationen haben - und zwar auch ganz unabhängig von den Leistungen. Während Kinder aus bildungsfernen Familien, beziehungsweise deren Eltern, eher zurückhaltende Wünsche haben für ihre
Kinder -, auch wenn die relativ gute Leistungen erzielen."
Damit macht der Mannheimer Wissenschaftler die Hoffnungen derer zunichte, die glauben, dass durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung mehr Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten aufs Gymnasium oder die Realschule wechseln. Das Gegenteil ist der Fall, gerade diese Kinder haben mehr Chancen eine höhere Schule zu besuchen, wenn die Empfehlung dafür bindend ist, betont Dollmann:
"Was ganz erstaunlich ist bei der Untersuchung, ist, dass wir so eine gewisse Sogwirkung festgestellt haben für Kinder aus bildungsfernen Familien. Das bedeutet, dass die eben bei einer verbindlichen Regelung dann eher tatsächlich auf eine anspruchsvollere Schulart gewechselt sind, obwohl es theoretisch möglich gewesen wäre ohne Probleme, eben von dieser anspruchsvolleren Empfehlung der Lehrkräfte abzuweichen."
Häufig entscheiden Lehrer ebenso wenig objektiv wie Eltern - auf Kosten von Kindern aus bildungsferneren Schichten, bestätigt Sozialwissenschaftler
Dollmann:
"Bei der Grundschuluntersuchung Iglu konnte man für Deutschland eben zeigen, dass Kinder aus höheren Schichten bei gleichen Leistungen im Vergleich zu Kindern aus niedrigeren Schichten eine zwei bis 2,5-fach höhere Chance haben eine Gymnasialempfehlung zu bekommen."
Bei den Lehrerempfehlungen werden nicht nur die reine Leistung des Kindes, sondern auch seine Erfolgschancen auf dem Gymnasium und seine Unterstützungsmöglichkeiten durch die Familie berücksichtigt. Dazu kommt:
"Dass Eltern aus bildungsaffineren Schichten eben vielleicht mehr Druck auf die Lehrkräfte ausüben und die Lehrkräfte vielleicht dann eher zu einer positiven Empfehlung kommen, als das bei Eltern der bildungsferneren Schichten der Fall ist."
Trotz dieser Gerechtigkeitslücke ist die verbindliche Übertrittserklärung auf dem Rückzug. Nicht nur in Baden-Württemberg, auch Nordrhein-Westfalen hat sie im vergangenen Jahr wieder abgeschafft. Elternverbände hoffen, dass dadurch Lernklima in den Grundschulen wieder entspannt wird: weg vom Drill, dem Druck und den Tränen über schlechte Noten hin zu dem Lernen aus Freude.
Pädagogin Reddig-Korn mahnt, dass der Notenstress so nur verlagert wird:
"Der Druck kann wahrscheinlich rausgenommen werden in der Drei und Vier und das große Erwachen kommt dann in Klasse Fünf. Wenn Schüler vielleicht auf Schulen sind, die ihnen in der Form einfach nicht entsprechen - sei es vom Arbeitsverhalten her, vom Konzentrationsvermögen - einfach von der aktuellen Entwicklung her."
Davor fürchten sich auch die Gymnasiallehrer. Sie warnen, dass in den kommenden Jahren immer mehr Schüler bei ihnen angemeldet würden, die für das Gymnasium nicht geeignet seien. Hugo Öttinger, Vorsitzender der Gymnasialdirektoren in Nord-Baden, ist sicher:
"Natürlich wird es Eltern geben, die diese Chance ergreifen und sagen: Jawoll, mein Kind geht jetzt aufs Gymnasium."