Genau eine Woche steht der Entwurf zum künftigen baden-württembergischen Bildungsplan jetzt online und jeder kann sich dazu auf einem Kontaktformular äußern. Die Meinungen werden im Kultusministerium gesammelt und dann an das Landesinstitut für Schulentwicklung weitergeleitet.
"Wir wollen den Bildungsplanprozess so transparent wie irgend möglich gestalten," sagt Kultusminister Andreas Stoch jetzt dazu.
Und das Portal wird genutzt: 100.000 Klicks von etwa 10.000 Personen verzeichnet das Ministerium und fünf Kommentare. Nach einer ersten Durchsicht sind die - wie eine Sprecherin sagt, "ganz gesittet". Also keine Ausfälle von Befürwortern oder Gegnern der Leitperspektive Toleranz und Akzeptanz, zu der auch die umstrittene Toleranz und Akzeptanz von sexueller Vielfalt gehört.
Ganz anders also als vor 1,5 Jahren, als ein erstes Arbeitspapier zum Thema "Akzeptanz von sexueller Vielfalt" an die Öffentlichkeit und sorgte im Land für einen Aufschrei. Besorgte Eltern und Lehrer insbesondere in den pietistisch geprägten Landesteilen befürchteten eine Sexualisierung des Unterrichts, insbesondere durch die Beschäftigung mit sogenannten LSBTTIQ-Menschen - lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, intersexuell und queer soll das heißen.
Akzeptanz anderer Lebensformen ein eher kleiner Teil
Und es gab nicht nur mithin schrille Kritik aus dem pietistischen Lager, sondern auch die Kirchen des Landes hatten Probleme mit dem Arbeitspapier und wandten sich an die Regierung so Oliver Hoesch, Sprecher der württembergischen evangelischen Landeskirche:
"Dieses damals wohl auch noch unausgegorenen Arbeitspapier, das Anfang 2014 an die Öffentlichkeit kam, hatte ja eine starke Engführung beim Thema Akzeptanz sexuelle Vielfalt und einen unglaublich engen Diskussionszeitplan."
Aufgrund der Proteste reagierte die Landesregierung dann aber und verschob das Inkrafttreten des Bildungsplans um ein Jahr auf den Beginn des kommenden Schuljahrs. Und aus dem ursprünglichen Leitprinzip Akzeptanz sexueller Vielfalt wurde eine deutlich zurückhaltender formulierte Leitperspektive namens "Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt", in der die Akzeptanz anderer Lebensformen ein eher kleiner Teil ist.
Oliver Hoesch von der evangelischen Landeskirche erklärt jedenfalls nun, "dass wir das Ergebnis dieses dann doch ausführlicher stattgefundenen Diskussionsprozesses gut finden. Dieser Bildungsplan ist jetzt wesentlich ausgeglichener und hat die wesentlichen Schwerpunkte, die ein Bildungsplan haben muss, drin."
Online-Anhörungsphase dauert noch bis zum 30. Oktober
Zu den übergeordneten Leitperspektiven kommen nun natürlich noch die Bildungsinhalte für die einzelnen Stufen und Schularten im Detail. Zum Beispiel in Biologieunterricht in den Klassen 7, 8 und 9 geht es um "unterschiedliche Formen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität wertfrei beschreiben", und "die Bedeutung der Sexualität für die Partnerschaft (auch gleichgeschlechtliche) beschreiben".
Und damit ist auch eine Forderung der anderen Seite, des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg erfüllt, so deren Sprecher Holger Henzler-Hübner:
"Wir sind jetzt, was da drin steht mit einer Sichtbarkeit durchaus zufrieden, das heißt, in den einzelnen Fächern dieses Bildungsplans in den einzelnen Fächern insbesondere im Sekundarbereich werden Aspekte LSBTTIQ schon sichtbar und das ist für uns bedeutsam. Von daher sagen wir der Kampf hat sich gelohnt, aber es hätte natürlich auch noch mehr sein dürfen."
Die Online-Anhörungsphase dauert noch bis zum 30. Oktober. Dann soll mit den Anregungen und unter Einbeziehung eines Beirats die endgültige Fassung fertig gestellt werden. Und der tritt dann am 1. August 2016 in Kraft.