Die Silcherschule in Weinstadt vor den Toren Stuttgarts hat vor ein paar Jahren auf Ganztag umgestellt. Ein voller Erfolg. Gut die Hälfte der 320 Grundschüler gehen jetzt mindestens bis drei Uhr nachmittags in die Schule, und Prorektorin Andrea Wels ist ziemlich froh, dass die Ganztagsschulen seit dem 16. Juli auch im baden-württembergischen Schulgesetz festgeschrieben sind:
"Durch die Stundenzuweisung, durch die Mehrstunden haben wir einen größeren Handlungsspielraum, Kinder besser zu fördern und zu fordern."
Und das scheint auch dringend notwendig - denn: Baden-Württemberg ist mit den Ganztagsschulen im Unterschied zu anderen Bundesländern hinten dran, Grün-Rot hat nun die gesetzlichen Grundlagen geschaffen und Mittel zur Verfügung gestellt. Zum neuen Schuljahr heute gehen 178 neue Ganztagsschulen an den Start, so Kultusminister Andreas Stoch:
"Und wir gehen davon aus, dass auch in den kommenden Schuljahren eine erhebliche Nachfrage der Kommunen nach den Ganztagsschulen erfolgen wird."
Im Ländle fehlt es an Sonderpädagogen
Etwas ungewisser ist die Sache da mit der Inklusion - spätestens seit dem Fall Henri ein Riesenthema im Land. Die Eckpunkte sind verabschiedet, ein Gesetz soll zum nächsten Schuljahr in Kraft treten, aber schon jetzt ist klar, dass es nur allmählich voran gehen wird. Ein Grund: Die Tatsache, dass die Zahl der Sonderpädagogen, die beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern dabei sein sollen, begrenzt ist, so der Kultusminister:
"Wir stoßen in diesem Bereich auch an Grenzen. Wir haben im Bereich der Sonderpädagogen durch das Ziel Ausbau der Inklusion einfach das Problem, dass wir nicht genug Sonderpädagogen auf den Markt bekommen, um das in großen Schritten zu verwirklichen."
In Baden-Württemberg beispielsweise werden pro Jahr etwa 400 Sonderpädagogen ausgebildet, daran werde zwar gearbeitet, aber man könne sie sich eben auch nicht backen, so der Minister.
Beim Thema der umstrittenen, weil angeblich übersexualisierten Bildungspläne, ist die Gangart jetzt eher gemächlich. Nachdem die umstrittenen Formulierungen im Juni abgeschwächt wurden, wird jetzt weiterentwickelt, begleitet von systematischen Praxistests – was insgesamt durchaus dafür spricht, dass die Schulpolitik in Baden-Württemberg zum Schulbeginn in ruhigeres Fahrwasser kommt.
Opposition in den eigenen Reihen
Sogar aus der Opposition kommen bildungspolitische Papiere, aus denen hervorgeht, dass die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule, die aus konservativer Perspektive bislang Teufelswerk war, vielleicht doch gar nicht so schlecht ist und im Fall einer Rückeroberung der Macht durch die Schwarzen sogar teilweise weitergeführt werden könnte.
Innerhalb der eigenen Reihen der Koalition funktioniert die Opposition gegen die Schulpolitik indes ganz gut. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel kann G8 nicht ausstehen und will allen Gymnasien die Rückkehr zu G9 ermöglichen, aber er beißt sich am SPD-Kultusminister - und dessen Spott - die Zähne aus:
"G9 ist immer dann Thema, wenn Claus Schmiedel sich wieder bei der dpa geäußert hat. Es ist manchmal so, als ob der Feuerwehrmann als erster am Brandort ist und Feuer, Feuer schreit."
Und zumindest bei diesem Punkt stellt sich dann auch mal die Lehrergewerkschaft GEW und ihre Vorsitzende Doro Moritz hinter den Kultusminister:
"Die Unruhe, die das Zurück an den Schulen auslösen würde, ist überhaupt nicht vertretbar."
Als ob die Gewerkschaft mit Blick auf die Landtagswahlen 2016 erkennt, dass Grün-Rot ihr trotz allem näher ist als Schwarz-Gelb.