Archiv

Baden-Württemberg
Stiftung soll Träger des islamischen Religionsunterrichts werden

Eine Stiftung soll künftig die Verantwortung für den islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg übernehmen. Sie soll am Lehrplan mitwirken und Schulbücher aussuchen. Zur Mitarbeit wurden nur Islamverbände eingeladen - und das sorgt für Kritik.

Von Thomas Wagner |
Der Lehrer Timur Kumlu unterrichtet an der Henri-Dunant-Schule in Frankfurt Mädchen und Jungen aus drei ersten Klassen in islamischer Religion
Religion muss in Schulen staatsfern unterrichtet werden (picture alliance / dpa / Roland Holschneider)
Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann gibt die Zielrichtung vor. Ihm ist es ein Anliegen…
"…dass die religiöse Unterweisung auch der muslimischen Kindern an unseren Schulen stattfindet und nicht in irgendwelchen Hinterhöfen."
Deshalb wird islamischer Religionsunterricht an zahlreichen baden-württembergischen Schulen bereits seit 2006 angeboten – allerdings im Rahmen eines zeitlich befristeten Modellversuches, der nun ausläuft. Den Unterricht einfach so fortsetzen – das geht nicht. Denn: Für den Religionsunterricht gilt das Prinzip der Staatsferne. Und das heißt:
"Der Staat braucht nicht nur einen Ansprechpartner, sondern er braucht auch einen Träger für den Religionsunterricht. Denn der Staat kann sich zu religiösen Wahrheiten, zu Fragen der Auslegung von heiligen Schriften und Ähnlichem mehr, nicht positionieren, nicht äußern. Deshalb braucht er eine Religionsgemeinschaft, der diese Funktion übernimmt",
erklärt Michael Hermann, beim baden-württembergischen Kultusministerium für Religionsangelegenheiten und Staatskirchenrecht zuständig. Das Problem dabei: Welche Religionsgemeinschaft kommt als Träger infrage?
Stiftung soll zukünftiger Ansprechpartner sein
Beim evangelischen und katholischen Unterricht liegt die Antwort nahe: Da liegt die Verantwortung bei den zwei großen Amtskirchen. Schwieriger wird’s beim Islam-Unterricht.
"Innerhalb des Islams gibt es natürlich viele unterschiedliche Strömungen. Die wichtigsten Strömungen ist der sunnitische Islam, es ist der schiitische Islam. Aber es gibt noch andere."
Wer soll da Träger sein für den islamischen Religionsunterricht? Keine einfache Frage. In den Stuttgarter Ministerien kamen die Verantwortlichen daher auf die Idee, eine Stiftung zu gründen, unter deren Verantwortung zukünftig der islamische Religionsunterricht angeboten werden soll. Diese so genannte "Stiftung Sunnitischer Schulrat" gibt es formell seit Anfang August. Michael Hermann vom baden-württembergischen Kultusministerium:
"Jetzt ist es so, dass diese Stiftung zukünftig den Religionslehrerinnen und Religionslehrern in Baden-Württemberg eine ausdrückliche Erlaubnis erteilen wird, islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung zu halten. Weitere Aufgaben der Stiftung werden sein, an den Bildungsplänen mitzuwirken, an der Schulbuchzulassung mitzuwirken."
Nicht alle Islamverbände machen mit
Allerdings hat diese Konstruktion einen Haken:
"Von diesen vier islamischen Verbänden, mit denen wir bislang zusammen gearbeitet haben, haben zwei sich bereit erklärt, die Stiftung Sunnitischer Schulrat mitzutragen. Nicht mit dabei ist die Ditib. Und ebenfalls nicht dabei ist die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg."
Die Ditib kritisiert, dass die neue Stiftung gegen das Prinzip der Religionsfreiheit verstoße. Ob es klug war, nur Islamverbände zur Mitarbeit in der Stiftung einzuladen, wird in Baden-Württemberg ohnehin kontrovers diskutiert. So sagte Nico Weinmann, FDP-Landtagsabgeordneter, im SWR-Fernsehen:
"Zum Beispiel hätte ich mir gewünscht, dass man weniger auf die Verbände schaut und mehr unabhängige Einzelpersonen berücksichtigt. Immerhin sind 80 Prozent der Muslime im Land nicht in Verbänden organisiert."
Sunnitisch geprägte Stiftung könnte andere ausschließen
Und noch ein "Schönheitsfehler" haftet der neuen Stiftung an: Das "Zentrum für Islamische Theologie" an der Universität Tübingen bildet bereits seit 2011 Religionslehrer aus. Die werden dort aber nicht nach ihrem Bekenntnis gefragt; auch schiitisch geprägte Studierende sind darunter. In Tübingen kursiert nun die Befürchtung, die neue ‚Stiftung sunnitischer Schulrat‘ könnte möglicherweise einen Teil der Tübinger Absolventen, besonders die mit schiitischer Prägung, nicht mehr als Religionslehrer akzeptieren.
Ursprünglich sollte das Tübinger Zentrum sogar voll unter das Dach der neuen Stiftung der sunnitisch geprägten Stiftung schlüpfen, was aber das Aus für die bekenntnisfreie Lehre dort bedeuten könnte – ein Streitpunkt. Im Rahmen einer Übergansregelung von einem Jahr bleibt das "Zentrum für islamische Theologie" aber erst einmal eigenständig. Und danach?
Michael Hermann: "Die Gespräche mit der Universität Tübingen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Stiftung werden demnächst beginnen. Ich persönlich habe überhaupt gar keinen Zweifel, dass man hier in Bälde zu einer guten Lösung kommen wird, die allen gerecht werden wird."