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Baden-Württemberg
Triumph für die Grünen

Fast auf den Tag genau vor 36 Jahren sind die Grünen aus der Anti-AKW-Bewegung Wyhl kommend zum ersten Mal in den Landtag eingezogen. Ein vorübergehendes Phänomen, glaubten damals die Christdemokraten. Der gestrige Wahlabend hat sie eines Besseren belehrt.

Von Barbara Roth |
    Winfried Kretschmann hebt abwehrend die Hände.
    Die Grünen stellen weiter den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. (dpa / Marijan Murat)
    "Ich muss kurz noch geschwind was erzählen: Und zwar habe ich dem Winfried Kretschmann versprochen, wo ich Kandidatin geworden bin: Ich gehe an jedes Haus in Sonnebuch und werbe dafür, dass Winfried Kretschmann die nächsten fünf Jahre Ministerpräsident bleibt."
    Feucht-fröhliche Stimmung auf der Wahlparty der Grünen. Es ist Sonntagabend gegen halb elf – und noch immer knallen die Sektkorken. Kerstin Lamparter hat ihr Direktmandat auf der Schwäbischen Alb zwar nicht gewonnen – doch der jungen Frau ist das egal. Sie hat für Winfried Kretschmann gekämpft.
    "Und genau das habe ich gemacht. Und wir sind richtig, richtig stolz. Hallo Winfried, grüß dich." -"Hallo."
    Der Triumph der Grünen in Baden-Württemberg trägt Kretschmanns Namen. Zum ersten Mal überhaupt ist die Ökopartei mit 30,3 Prozent stärkste Kraft in einem Parlament. Und Baden-Württemberg als Stammland der CDU ist Geschichte.
    "Die Grünen in Baden-Württemberg sind immer solide gewesen. Sie waren nie Chaoten gewesen, sie sind bodenständig, wie man das so schön sagt – und das mag der Schwabe. Ich bin Unternehmer und Grüner, das widerspricht sich nicht."
    Hinten im Saal in einer Ecke sitzt Reinhard Bütikofer und genießt still den Jubel. Er trägt Anzug und eine grüne Krawatte – wie übrigens alle Männer im Saal, die an diesem Abend Krawatten tragen.
    "Ich habe noch vor drei Monaten nicht daran geglaubt, dass wir überhaupt eine Chance haben könnten, die CDU zu überholen."
    Der 63-Jährige war Bundesvorsitzender der Grünen, er war Europaabgeordneter, heute ist er Chef der Europäischen Grünen-Partei. Seine Karriere aber begann der gebürtige Mannheimer im baden-württembergischen Landtag. 28 Jahre ist das her.
    "Als ich hier im Landtag war, war das übliche Landtagswahlergebnis: 69 Direktmandate CDU, eins bei der SPD."
    Rückendeckung auch vom bürgerlichen Lager
    Erinnern Sie sich, fragt Bütikofer und trinkt einen Schluck Rotwein. Ich wurde damals nicht zu Staatsempfängen eingeladen, weil ich Strickpullover trug. Seit gestern sind nun 46 der 70 Wahlkreise grün – auch Villingen-Schwenningen, wo einst der frühere CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel kandidierte. Der Beweis dafür, dass Kretschmann mittlerweile breiten Rückhalt im bürgerlich-konservativen Lager hat.
    "In Baden-Württemberg haben die Menschen seit jetzt 36 Jahren die Gelegenheit gehabt, die Grünen auf Herz und Nieren zu prüfen."
    Fast auf den Tag genau vor 36 Jahren sind die Grünen aus der Anti-AKW-Bewegung Wyhl kommend zum ersten Mal in den Landtag eingezogen. Ein vorübergehendes Phänomen, glaubten damals die Christdemokraten. Die Grünen – so Bütikofer – hätten sich davon nie beirren lassen.
    "Der Rezzo Schlauch hat schon in der ersten Hälfte der 80er-Jahre die Bauernversammlungen besucht und versucht dort für grüne Themen zu kämpfen. Und das ist ihm überhaupt nicht leicht gemacht worden. Und ich weiß nicht, ob er viele Wähler gewonnen hat – aber den Respekt."
    Und Grund dafür, warum die Grünen hier so beliebt sind. Im wirtschaftspolitischen Vorzeigeland Baden-Württemberg ist die CDU auf Schrumpfkurs – und der Wirtschaft ist es egal, schrieb vor Kurzem erst die FAZ. Bütikofer hat den Artikel gelesen und sagt: Ja, genau das trifft es.
    "Die Baden-Württemberger Grünen haben das Grün-Sein nicht im Gegensatz gestellt zu einer bodenständigen Verankerung. Sondern haben es geschafft, da eine Brücke zu schlagen. Und zwar sowohl in den Städten als auch auf dem flachen Land. Ich erinnere mich an andere Landesverbände sind die zum Teil erst vor 10 Jahren darauf gekommen, dass es einen ländlichen Raum gibt, in dem es auch grüne Wähler geben könnte. Da hatten wir hier zum Teil schon 15 Prozent und mehr Ergebnisse. Das heißt, da ist viel über viele Jahre richtig gemacht worden."
    Ein Glücksfall für die Grünen
    Kretschmann nennt Bütikofer einen Glücksfall für die Grünen. Dessen Rede später wird er sich ganz allein am Rand stehend anhören. Was er dem vier Jahre älteren Ministerpräsidenten mit Blick auf künftige Koalitionspartner rät? Bütikofer zögert: Eine Ampel mit SPD und FDP hält er für schwierig – was an den Liberalen liege. Grün-Schwarz wäre ihm lieber.
    Wissen Sie noch, fragt er, 1992 hat Gerhard Mayer-Vorfelder Schwarz-Grün in Baden-Württemberg verhindert. Der Strickpullover – tragende Bütikofer kam damals mit Rucksack zu den Sondierungsgesprächen. Jetzt werde die CDU – glaubt er – nicht mehr von oben herab auf die Grünen blicken und nein sagen können.
    "Am Ende vom Lied ist doch ganz eindeutig: Das Land will diesen MP. Und ich glaube nicht, dass das gelingen kann, das zu untergraben. "