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Baden-Württemberg
Vom Hölderlin-Turm bis zum Jünger-Haus

In Baden-Württemberg gibt es fast 100 literarische Museen und Gedenkstätten. Für viel Geld werden diese neu konzeptioniert und renoviert. Für den Hölderlin-Turm in Tübingen steht so eine halbe Million Euro zur Verfügung.

Von Christian Gampert |
    Es gibt in Baden-Württemberg, man glaubt es kaum, fast 100 literarische Museen und Gedenkstätten. Das hat mit der ungewöhnlichen literarischen Produktivität des Neckarraums vor allem im 19. Jahrhundert zu tun, mit Pietismus und Beamtentum und der Rebellion dagegen. Es hat aber auch damit zu tun, dass im bildungsbeflissenen Württemberg mittlerweile jedes Dorf, auf dem ein Nachkriegs-Poet seinen Lebensabend verbrachte, ein Literaturmuseum gründet, das bezuschusst werden will - und meistens auch bezuschusst wird. Und das dann aber auch bestimmten Kriterien genügen soll.
    Die "Arbeitsstelle für literarische Museen" in Marbach, die das alles unter ihren Fittichen hat, kann also über mangelnde Beschäftigung nicht klagen. Ihr Leiter Thomas Schmid hat soeben eine Gedenkstätte für Wilhelm Hauff in Lichtenstein beim Albaufstieg modernisiert. Die aufwendige Umgestaltung des Wilflinger Jünger-Hauses in ein Museum liegt schon zwei Jahre zurück. Das Hebel-Haus im alemannischen Wiesental wurde trotz schwieriger Exponat-Lage als Gedächtnisort eröffnet. Als Nächstes steht eine Neukonzeption und innenarchitektonische Veränderung des Tübinger Hölderlin-Turms an.
    "Der Hölderlin-Turm hat eine wunderbare und zugleich ganz schwierige Grundkonstellation. Und das ist die Verbindung von Dichtung und Wahnsinn. Das ist erinnerungsträchtig ohne Ende, das nimmt jeder mit, der wahnsinnige Dichter im Turm am Fluss. Gleichzeitig ist es aber auch die Krux der ganzen Sache, weil wir das ja genau nicht wollen: Dichtung und Wahnsinn als etwas Zusammengehöriges zu etablieren."
    Schmid, der seinen Mammutjob 2006 übernahm, muss in vielen Museen die oft etwas angestaubten Präsentationsformen verändern. Man könne literarisches Wissen heute nicht mehr voraussetzen, sagt er. Es gehe nicht nur um die oft schwierige museale Gestaltung eines authentischen Orts. Das Problem bestehe auch darin, die neuen digitalen Museumsmedien mit den papierenen Manuskripten der Dichter zu versöhnen.
    "Weil wir ja bei der Literatur einen Gegenstand haben, der als Einziger unmittelbar vom Wechsel der Leitmedien betroffen ist. Bei keinem anderen Gegenstand tritt das neue, vermittelnde, das digitale Medium in unmittelbare Konkurrenz mit dem, was präsentiert werden soll. Also das ist auch ein viel höherer Reflexionsbedarf, den man da aufwenden muss."
    Es gibt neue Gedächtnisorte zu Peter Huchel, Erhart Kästner oder Marie Luise Kaschnitz. Oft gibt es aber auch Streit um Orte und Nachlässe. Das Wieland-Archiv zum Beispiel sollte von Wielands langjährigem Wohnort Biberach nach Weimar kommen. Dann aber gründete die Stadt Biberach eine Stiftung und veranstaltete eine neue Ausstellung in Wielands Gartenhaus, die Wielands Shakespeare-Übersetzungen und seinen Bezug zu Biberach in den Mittelpunkt stellte.
    "Kurzzeitig sah es so aus, als ob Wieland wirklich Biberach verlässt. Und in dem Augenblick, wo er Biberach wirklich hätte verlassen können, wird er erst richtig angesiedelt. Denn die Rezeptionsgeschichte Wielands ist ausgesprochen kompliziert, was auch nicht verwundert, wenn man an die Geschichte vom Esel denkt, an die Geschichte der Abderiten, wo die Biberacher nicht allzu gut wegkommen."
    Das heißt, man hat das Gartenhaus als den lieblichen, den charmanten Ort gewählt, um den in Deutschland nicht gerade hitverdächtigen Wieland bekannter zu machen. Und es funktioniert.
    Für die Umgestaltung des Hölderlin-Turms steht jetzt eine halbe Million Euro zur Verfügung. Oben im Turm befanden sich bislang noch zwei Wohnungen, die nun frei wurden. Thomas Schmidts Neukonzeption der Ausstellung geht von einem kleinen, von Hölderlin benutzten Biedermeier-Tisch aus: Hölderlins Betreuerin Luise Zimmer gab den Tisch an ihre Familie weiter mit der Bemerkung, dies sei der Tisch, auf den Dichter Hölderlin schlug, wenn er "Streit hatte mit seinen Gedanken".
    "Wenn man dann noch weiß, dass von Hölderlin berichtet wird, er hätte immer, wenn er im Turm geschrieben hat, mit der linken Hand skandiert, dann ist der Tisch quasi die Repräsentation des Turmes. Und wir werden sehen, wie der Tisch als Duplikat eingesetzt werden kann."