Christiane Kaess: Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat gestern entschieden: Stuttgart 21 wird weitergebaut. Dafür hat er einer Erhöhung des Finanzierungsrahmens um zwei Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden Euro zugestimmt. Woher das Geld kommen soll? – Der Konzern will seine Partner bei dem Bau, nämlich das Land Baden-Württemberg, die Stadt und die Region Stuttgart, an den Mehrkosten beteiligen und das notfalls vor Gericht durchsetzen.
Am Telefon ist jetzt der SPD-Politiker Nils Schmid, stellvertretender Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Guten Morgen!
Nils Schmid: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Herr Schmid, haben Sie mit Ihrem grünen Koalitionspartner schon ausgerechnet, wie viel mehr Sie beisteuern werden?
Schmid: Da gibt es nicht viel zu rechnen. Wir werden nicht mehr beisteuern. Der Finanzierungsvertrag ist eindeutig. Wir haben einen fixen Beitrag zu leisten, 930 Millionen Euro. Den leisten wir. Ansonsten ist es Verantwortung der Bahn, im finanziellen Rahmen und im zeitlichen Rahmen das Projekt zu vollenden. Die Bahn ist Bauherr.
Kaess: Da werden Sie wahrscheinlich Ihren Partnern noch ein bisschen was erklären müssen, denn Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer geht offenbar fest davon aus, dass sich Land und Stadt an den Milliarden-Mehrkosten beteiligen werden.
Schmid: Da geht er in die Irre. Schließlich ist es außergewöhnlich, dass überhaupt ein Land für Bundesverkehrsvorhaben zahlt. Und deshalb sollte er dankbar sein, dass nicht der Bund alles zahlen muss. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Finanzierungsvertrag gilt. Da ist eine Sprechklausel vereinbart. Die Sprechklausel haben wir juristisch überprüfen lassen. Demnach sind wir verpflichtet, Gespräche zu führen, aber nicht verpflichtet, für Mehrkosten aufzukommen. Zumal die Bahn ja selbst einräumt, dass zumindest für die 1,1 Milliarden Mehrkosten, die feststehen, sie in der Verantwortung ist. Und dann muss sie sich der Verantwortung auch stellen und sie übernehmen.
Kaess: Bundesverkehrsminister Ramsauer ist aber für etwas ganz anderes dankbar, nämlich dass das Land Baden-Württemberg keine Ausstiegsdebatte führen will. Das hat er gesagt und daraus gefolgert, daraus ergebe sich auch eine Beteiligung des Landes an den Mehrkosten. Klingt logisch!
Schmid: Ist leider überhaupt nicht logisch, denn der Ball war bei der Bahn AG. Die Bahn AG hätte eine Ausstiegsdebatte führen können, haben sie ja auch im Aufsichtsrat geführt. Sie haben Ausstieg und Fortführung des Projekts miteinander verglichen und sind zur Auffassung gekommen, dass die Fortführung besser ist. Das begrüße ich ausdrücklich, ich sehe das genauso. Aber daraus folgt nicht, dass wir für irgendwelche Mehrkosten in Haftung zu nehmen wären. Es ist bedauerlich, dass die Bahn es bis heute nicht geschafft hat, ein professionelles Projektmanagement aufzusetzen. Erst jetzt wird eine Projektgesellschaft gegründet. Das ist alles Verantwortung der Bahn. Wir sind Finanzier, genauso wie wir übrigens Mitfinanzier bei der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm sind, ohne dass jemand auf die Idee käme, dass wir irgendwelche Mehrkosten tragen, weil die Bauherrenverantwortung eindeutig bei der Bahn liegt.
Kaess: Herr Schmid, nun sind Sie ja für Stuttgart 21, im Gegensatz zu Ihrem grünen Koalitionspartner. Haben Sie denn keine Bedenken, dass das Projekt doch noch scheitert, wenn niemand zahlen will?
Schmid: Nein. Das wird sich die Bahn AG nicht leisten können, das Projekt abzubrechen. Sie hat ja schon jetzt festgestellt, dass es nicht vertretbar wäre, aus Sicht der Bahn AG das Projekt abzubrechen. Und wir müssen in Deutschland es endlich mal erreichen, dass wir wichtige Infrastrukturvorhaben umsetzen. Das ist gerade für den Wirtschaftsstandort ein wichtiges Signal. Deshalb sehe ich nicht, dass dieses Projekt noch gefährdet wäre, es sei denn, die Bahn kriegt das technisch nicht hin. Aber da will ich doch mal hoffen, dass die Ingenieure der Bahn den Umbau des Bahnknotens Stuttgart auch technisch vollenden können. Sonst hätten sie ja wohl nicht angefangen, dieses Projekt zu starten.
Kaess: Worauf begründen Sie denn Ihre Sicherheit, dass die Bahn letztendlich doch zahlen wird?
Schmid: Sie hat einen Finanzierungsvertrag mit uns abgeschlossen. Die Sprechklausel wurde im Laufe der Verhandlungen abgeändert. Ursprünglich war nämlich eine Klausel drin, die darauf hingedeutet hätte, dass die Projektpartner Mehrkosten übernehmen würden. Das wurde dann in eine reine Sprechklausel umgewandelt, so dass ich davon ausgehe, dass juristisch das eindeutig ist. Hinzu kommt …
Kaess: Herr Schmid, wenn ich da gerade mal unterbrechen darf? Werden Sie sich denn auf Basis dieser sogenannten Sprechklausel aus diesem Finanzierungsvertrag auf weitere Verhandlungen mit den Projektpartnern einlassen?
Schmid: Gespräche ja, aber das Ergebnis der Gespräche steht für das Land fest: Wir zahlen nicht mehr. Mit einer Ausnahme: Wenn es wirkliche Verbesserungen am Projekt gibt, wie sie auf dem Filderbahnhof geplant sind, am Flughafen Stuttgart, dann müssen wir als Land bereit sein, in Gespräche einzutreten. Dieser Punkt ist innerhalb der Regierung mit den Grünen noch umstritten. Aber wer etwas Besseres will am Flughafen, der muss auch bereit sein, mehr zu zahlen. Für diesen Punkt bin ich ausdrücklich gesprächsbereit. Da müssen wir mit den Grünen noch eine interne Klärung herbeiführen. Aber schließlich haben die Grünen den sogenannten Filderdialog vorangetrieben, wo es um die Verbesserung am Flughafen ging. Insofern ist an dem Punkt eine Sondersituation und auch Anlass für eine Sonderfinanzierung.
Kaess: Das müssen Sie noch mal genauer erklären. Das hieße dann auch mehr Geld für Stuttgart 21 von Seiten des Landes?
Schmid: Aber nur für die Verbesserung am Flughafen, die eine Verbesserung in Abweichung von dem ursprünglichen Projekt ist, das nachträglich hinzukommt aufgrund eines sogenannten Dialogverfahrens, eines Bürgerbeteiligungsverfahrens am Flughafen. Und da sehen wir uns in der Pflicht, da auch die Landesregierung diesen Dialog vorangetrieben hat mit den anderen Projektpartnern, dass wir da bei Mehrkosten gegebenenfalls auch zahlen. Das ist richtig. Aber ansonsten gilt der Vertrag: Die Bahn muss einen leistungsfähigen Bahnknoten Stuttgart bauen, das Land zahlt 930 Millionen dafür. Und Verträge sollten eingehalten werden.
Kaess: Es bleibt ja trotzdem die Frage, wie Sie aus der Nummer noch rauskommen, denn die Mehrzahlungen der Projektpartner sollen ja vor Gericht durchgesetzt werden.
Schmid: Das sehe ich nun wirklich sehr gelassen.
Kaess: Warum?
Schmid: Die Bahn AG muss sich auch fragen lassen, ob es sinnvoll ist, ein Bahnhofsprojekt vor den Kadi zu zerren, wo man doch gemeinsam vorankommen will. Bahnhöfe werden in Deutschland nicht in Gerichtssälen gebaut. Und die juristische Position der Bahn ist schwach. Deshalb sehen wir dieses Säbelrasseln mit großer Gelassenheit.
Kaess: Wenn die Kosten bei Bund und Bahn hängen bleiben, dann zahlt der Steuerzahler bundesweit für ein regionales Projekt?
Schmid: Das wäre nichts Außergewöhnliches. Denn wir haben leider bei vielen Bahnprojekten Kostensteigerungen, gerade auch bei den Bahnprojekten, die direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Denken Sie an die Neubaustrecke von Mannheim nach Stuttgart vor einigen Jahrzehnten, denken Sie an aktuelle Kostensteigerungen in Bayern und anderswo. Das ist sehr ärgerlich, aber da ist es auch üblich, dass dann Kostensteigerungen vom Bundeshaushalt übernommen werden. Also insofern ist das nichts Neues und nicht spezifisch für Stuttgart 21. Vielmehr muss sich Bahn und auch der Bund überlegen, wie er insgesamt die Planungskultur verändert, dass wir nicht so lange Laufzeiten für Projekte haben, die zwangsläufig immer zu Verteuerungen führen.
Kaess: Herr Schmid, es hat schon vor der Aufsichtsratssitzung gestern Streit in der Koalition gegeben. Ein Angebot von Ministerpräsident Winfried Kretschmann an den Bahnaufsichtsrat, über Alternativen zu Stuttgart 21 zu verhandeln, das ist von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel als "beispielloser Affront" bezeichnet worden, weil Kretschmann damit die gemeinsame Linie verlasse, keine Ausstiegsgespräche zu führen. Können Sie denn in der Koalition überhaupt noch eine gemeinsame Linie bei diesem Projekt finden?
Schmid: Wir können eine gemeinsame Linie finden, wenn wir uns auf der Basis der Volksabstimmung und der Verträge bewegen. In der Sache selbst werden Grüne und SPD unterschiedlicher Meinung bleiben. Das ist auch legitim, dass die Grünen S21 nicht gut finden. Die SPD findet es in der großen Mehrheit gut. Wir haben das noch auf dem Landesparteitag mit 80 Prozent so bestätigt. Aber jetzt geht es ja darum, nach der klaren Weichenstellung durch den Aufsichtsrat dieses Projekt voranzutreiben. Und da zählt jetzt nicht mehr der fundamentale Gegensatz. Der ist mit der Volksabstimmung und dem Beschluss des Aufsichtsrates erledigt. Jetzt geht es darum, dieses wichtige Infrastrukturvorhaben voranzutreiben. Die SPD als Infrastrukturpartei unterstützt das selbstverständlich.
Kaess: Aber Ihrem grünen Koalitionspartner wird ja auch insofern noch mal der Rücken gestärkt, weil es immer mehr Zweifel auch daran gibt, ob es überhaupt bei diesen zwei Milliarden Mehrkosten bleiben wird.
Schmid: Ja aber auch da gilt: Das Projekt ist vorangeschritten. Ein Abbruch ist auf alle Fälle unwirtschaftlich und würde Baden-Württemberg in den Verkehrsschatten werfen. Ich weiß nicht, ob das das Interesse einer baden-württembergischen Landesregierung sein kann. Die Grünen haben jetzt auch vor der Aufsichtsratssitzung versucht, in einer Art letztem Hurra das Projekt zu kippen. Das ist nicht gelungen. Es wird weitergebaut. Und jetzt sollten wir uns alle darauf einstellen, diesen Weiterbau konstruktiv zu begleiten. Denn Infrastrukturvorhaben sind leider immer …
Kaess: Also hat Ihr grüner Koalitionspartner versucht, Sie zu hintergehen?
Schmid: Ja, das war sehr ärgerlich. Ich war auch verwundert, weil dieser Alleingang mit dem Brief war nicht abgestimmt. Aber er ist ja letzten Endes wirkungslos geblieben und der Aufsichtsrat hat entschieden, sehr deutlich entschieden für den Weiterbau.
Kaess: Was für ein Klima herrscht denn da gerade zwischen Ihnen?
Schmid: Wir waren verärgert über das Vorgehen von Kretschmann, weil das nicht abgestimmt war. Aber ansonsten haben wir jetzt gut zwei Jahre es geschafft, trotz des Meinungsunterschiedes zu Stuttgart 21 gut zusammen zu regieren, denn die baden-württembergische Landespolitik versteht mehr als nur Bahnhof. Es geht um Chancengleichheit in der Bildung, um einen starken Wirtschaftsstandort, der nachhaltig ausgerichtet wird. Da haben wir viele Gemeinsamkeiten. Bei diesem Infrastrukturvorhaben, da gab es von Anfang an eine Differenz. Aber da jetzt entschieden ist, dass weitergebaut wird, tun auch die Grünen gut daran, da ein bisschen zurück den Widerstand, den Protest zurückzunehmen, denn schließlich wird jetzt gebaut und wir haben Landesinteressen zu wahren und die beziehen sich vor allem darauf, dass wir keine Mehrkosten übernehmen.
Kaess: Sagt der SPD-Politiker Nils Schmid. Er ist stellvertretender Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Danke für das Gespräch heute Morgen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon ist jetzt der SPD-Politiker Nils Schmid, stellvertretender Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Guten Morgen!
Nils Schmid: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Herr Schmid, haben Sie mit Ihrem grünen Koalitionspartner schon ausgerechnet, wie viel mehr Sie beisteuern werden?
Schmid: Da gibt es nicht viel zu rechnen. Wir werden nicht mehr beisteuern. Der Finanzierungsvertrag ist eindeutig. Wir haben einen fixen Beitrag zu leisten, 930 Millionen Euro. Den leisten wir. Ansonsten ist es Verantwortung der Bahn, im finanziellen Rahmen und im zeitlichen Rahmen das Projekt zu vollenden. Die Bahn ist Bauherr.
Kaess: Da werden Sie wahrscheinlich Ihren Partnern noch ein bisschen was erklären müssen, denn Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer geht offenbar fest davon aus, dass sich Land und Stadt an den Milliarden-Mehrkosten beteiligen werden.
Schmid: Da geht er in die Irre. Schließlich ist es außergewöhnlich, dass überhaupt ein Land für Bundesverkehrsvorhaben zahlt. Und deshalb sollte er dankbar sein, dass nicht der Bund alles zahlen muss. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Finanzierungsvertrag gilt. Da ist eine Sprechklausel vereinbart. Die Sprechklausel haben wir juristisch überprüfen lassen. Demnach sind wir verpflichtet, Gespräche zu führen, aber nicht verpflichtet, für Mehrkosten aufzukommen. Zumal die Bahn ja selbst einräumt, dass zumindest für die 1,1 Milliarden Mehrkosten, die feststehen, sie in der Verantwortung ist. Und dann muss sie sich der Verantwortung auch stellen und sie übernehmen.
Kaess: Bundesverkehrsminister Ramsauer ist aber für etwas ganz anderes dankbar, nämlich dass das Land Baden-Württemberg keine Ausstiegsdebatte führen will. Das hat er gesagt und daraus gefolgert, daraus ergebe sich auch eine Beteiligung des Landes an den Mehrkosten. Klingt logisch!
Schmid: Ist leider überhaupt nicht logisch, denn der Ball war bei der Bahn AG. Die Bahn AG hätte eine Ausstiegsdebatte führen können, haben sie ja auch im Aufsichtsrat geführt. Sie haben Ausstieg und Fortführung des Projekts miteinander verglichen und sind zur Auffassung gekommen, dass die Fortführung besser ist. Das begrüße ich ausdrücklich, ich sehe das genauso. Aber daraus folgt nicht, dass wir für irgendwelche Mehrkosten in Haftung zu nehmen wären. Es ist bedauerlich, dass die Bahn es bis heute nicht geschafft hat, ein professionelles Projektmanagement aufzusetzen. Erst jetzt wird eine Projektgesellschaft gegründet. Das ist alles Verantwortung der Bahn. Wir sind Finanzier, genauso wie wir übrigens Mitfinanzier bei der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm sind, ohne dass jemand auf die Idee käme, dass wir irgendwelche Mehrkosten tragen, weil die Bauherrenverantwortung eindeutig bei der Bahn liegt.
Kaess: Herr Schmid, nun sind Sie ja für Stuttgart 21, im Gegensatz zu Ihrem grünen Koalitionspartner. Haben Sie denn keine Bedenken, dass das Projekt doch noch scheitert, wenn niemand zahlen will?
Schmid: Nein. Das wird sich die Bahn AG nicht leisten können, das Projekt abzubrechen. Sie hat ja schon jetzt festgestellt, dass es nicht vertretbar wäre, aus Sicht der Bahn AG das Projekt abzubrechen. Und wir müssen in Deutschland es endlich mal erreichen, dass wir wichtige Infrastrukturvorhaben umsetzen. Das ist gerade für den Wirtschaftsstandort ein wichtiges Signal. Deshalb sehe ich nicht, dass dieses Projekt noch gefährdet wäre, es sei denn, die Bahn kriegt das technisch nicht hin. Aber da will ich doch mal hoffen, dass die Ingenieure der Bahn den Umbau des Bahnknotens Stuttgart auch technisch vollenden können. Sonst hätten sie ja wohl nicht angefangen, dieses Projekt zu starten.
Kaess: Worauf begründen Sie denn Ihre Sicherheit, dass die Bahn letztendlich doch zahlen wird?
Schmid: Sie hat einen Finanzierungsvertrag mit uns abgeschlossen. Die Sprechklausel wurde im Laufe der Verhandlungen abgeändert. Ursprünglich war nämlich eine Klausel drin, die darauf hingedeutet hätte, dass die Projektpartner Mehrkosten übernehmen würden. Das wurde dann in eine reine Sprechklausel umgewandelt, so dass ich davon ausgehe, dass juristisch das eindeutig ist. Hinzu kommt …
Kaess: Herr Schmid, wenn ich da gerade mal unterbrechen darf? Werden Sie sich denn auf Basis dieser sogenannten Sprechklausel aus diesem Finanzierungsvertrag auf weitere Verhandlungen mit den Projektpartnern einlassen?
Schmid: Gespräche ja, aber das Ergebnis der Gespräche steht für das Land fest: Wir zahlen nicht mehr. Mit einer Ausnahme: Wenn es wirkliche Verbesserungen am Projekt gibt, wie sie auf dem Filderbahnhof geplant sind, am Flughafen Stuttgart, dann müssen wir als Land bereit sein, in Gespräche einzutreten. Dieser Punkt ist innerhalb der Regierung mit den Grünen noch umstritten. Aber wer etwas Besseres will am Flughafen, der muss auch bereit sein, mehr zu zahlen. Für diesen Punkt bin ich ausdrücklich gesprächsbereit. Da müssen wir mit den Grünen noch eine interne Klärung herbeiführen. Aber schließlich haben die Grünen den sogenannten Filderdialog vorangetrieben, wo es um die Verbesserung am Flughafen ging. Insofern ist an dem Punkt eine Sondersituation und auch Anlass für eine Sonderfinanzierung.
Kaess: Das müssen Sie noch mal genauer erklären. Das hieße dann auch mehr Geld für Stuttgart 21 von Seiten des Landes?
Schmid: Aber nur für die Verbesserung am Flughafen, die eine Verbesserung in Abweichung von dem ursprünglichen Projekt ist, das nachträglich hinzukommt aufgrund eines sogenannten Dialogverfahrens, eines Bürgerbeteiligungsverfahrens am Flughafen. Und da sehen wir uns in der Pflicht, da auch die Landesregierung diesen Dialog vorangetrieben hat mit den anderen Projektpartnern, dass wir da bei Mehrkosten gegebenenfalls auch zahlen. Das ist richtig. Aber ansonsten gilt der Vertrag: Die Bahn muss einen leistungsfähigen Bahnknoten Stuttgart bauen, das Land zahlt 930 Millionen dafür. Und Verträge sollten eingehalten werden.
Kaess: Es bleibt ja trotzdem die Frage, wie Sie aus der Nummer noch rauskommen, denn die Mehrzahlungen der Projektpartner sollen ja vor Gericht durchgesetzt werden.
Schmid: Das sehe ich nun wirklich sehr gelassen.
Kaess: Warum?
Schmid: Die Bahn AG muss sich auch fragen lassen, ob es sinnvoll ist, ein Bahnhofsprojekt vor den Kadi zu zerren, wo man doch gemeinsam vorankommen will. Bahnhöfe werden in Deutschland nicht in Gerichtssälen gebaut. Und die juristische Position der Bahn ist schwach. Deshalb sehen wir dieses Säbelrasseln mit großer Gelassenheit.
Kaess: Wenn die Kosten bei Bund und Bahn hängen bleiben, dann zahlt der Steuerzahler bundesweit für ein regionales Projekt?
Schmid: Das wäre nichts Außergewöhnliches. Denn wir haben leider bei vielen Bahnprojekten Kostensteigerungen, gerade auch bei den Bahnprojekten, die direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Denken Sie an die Neubaustrecke von Mannheim nach Stuttgart vor einigen Jahrzehnten, denken Sie an aktuelle Kostensteigerungen in Bayern und anderswo. Das ist sehr ärgerlich, aber da ist es auch üblich, dass dann Kostensteigerungen vom Bundeshaushalt übernommen werden. Also insofern ist das nichts Neues und nicht spezifisch für Stuttgart 21. Vielmehr muss sich Bahn und auch der Bund überlegen, wie er insgesamt die Planungskultur verändert, dass wir nicht so lange Laufzeiten für Projekte haben, die zwangsläufig immer zu Verteuerungen führen.
Kaess: Herr Schmid, es hat schon vor der Aufsichtsratssitzung gestern Streit in der Koalition gegeben. Ein Angebot von Ministerpräsident Winfried Kretschmann an den Bahnaufsichtsrat, über Alternativen zu Stuttgart 21 zu verhandeln, das ist von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel als "beispielloser Affront" bezeichnet worden, weil Kretschmann damit die gemeinsame Linie verlasse, keine Ausstiegsgespräche zu führen. Können Sie denn in der Koalition überhaupt noch eine gemeinsame Linie bei diesem Projekt finden?
Schmid: Wir können eine gemeinsame Linie finden, wenn wir uns auf der Basis der Volksabstimmung und der Verträge bewegen. In der Sache selbst werden Grüne und SPD unterschiedlicher Meinung bleiben. Das ist auch legitim, dass die Grünen S21 nicht gut finden. Die SPD findet es in der großen Mehrheit gut. Wir haben das noch auf dem Landesparteitag mit 80 Prozent so bestätigt. Aber jetzt geht es ja darum, nach der klaren Weichenstellung durch den Aufsichtsrat dieses Projekt voranzutreiben. Und da zählt jetzt nicht mehr der fundamentale Gegensatz. Der ist mit der Volksabstimmung und dem Beschluss des Aufsichtsrates erledigt. Jetzt geht es darum, dieses wichtige Infrastrukturvorhaben voranzutreiben. Die SPD als Infrastrukturpartei unterstützt das selbstverständlich.
Kaess: Aber Ihrem grünen Koalitionspartner wird ja auch insofern noch mal der Rücken gestärkt, weil es immer mehr Zweifel auch daran gibt, ob es überhaupt bei diesen zwei Milliarden Mehrkosten bleiben wird.
Schmid: Ja aber auch da gilt: Das Projekt ist vorangeschritten. Ein Abbruch ist auf alle Fälle unwirtschaftlich und würde Baden-Württemberg in den Verkehrsschatten werfen. Ich weiß nicht, ob das das Interesse einer baden-württembergischen Landesregierung sein kann. Die Grünen haben jetzt auch vor der Aufsichtsratssitzung versucht, in einer Art letztem Hurra das Projekt zu kippen. Das ist nicht gelungen. Es wird weitergebaut. Und jetzt sollten wir uns alle darauf einstellen, diesen Weiterbau konstruktiv zu begleiten. Denn Infrastrukturvorhaben sind leider immer …
Kaess: Also hat Ihr grüner Koalitionspartner versucht, Sie zu hintergehen?
Schmid: Ja, das war sehr ärgerlich. Ich war auch verwundert, weil dieser Alleingang mit dem Brief war nicht abgestimmt. Aber er ist ja letzten Endes wirkungslos geblieben und der Aufsichtsrat hat entschieden, sehr deutlich entschieden für den Weiterbau.
Kaess: Was für ein Klima herrscht denn da gerade zwischen Ihnen?
Schmid: Wir waren verärgert über das Vorgehen von Kretschmann, weil das nicht abgestimmt war. Aber ansonsten haben wir jetzt gut zwei Jahre es geschafft, trotz des Meinungsunterschiedes zu Stuttgart 21 gut zusammen zu regieren, denn die baden-württembergische Landespolitik versteht mehr als nur Bahnhof. Es geht um Chancengleichheit in der Bildung, um einen starken Wirtschaftsstandort, der nachhaltig ausgerichtet wird. Da haben wir viele Gemeinsamkeiten. Bei diesem Infrastrukturvorhaben, da gab es von Anfang an eine Differenz. Aber da jetzt entschieden ist, dass weitergebaut wird, tun auch die Grünen gut daran, da ein bisschen zurück den Widerstand, den Protest zurückzunehmen, denn schließlich wird jetzt gebaut und wir haben Landesinteressen zu wahren und die beziehen sich vor allem darauf, dass wir keine Mehrkosten übernehmen.
Kaess: Sagt der SPD-Politiker Nils Schmid. Er ist stellvertretender Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Danke für das Gespräch heute Morgen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.