Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Ängste vor einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den Atommächten USA und Russland neu entfacht. Daher steht das Thema auch ganz oben auf der Agenda der aktuellen Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag - also zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen - bei den Vereinten Nationen in New York. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nahm zum Auftakt an der Konferenz teil. Die letzte Überprüfungskonferenz 2015 endete ohne Abschlusserklärung.
Neben dem Atomwaffensperrvertrag gibt es auch noch den Atomwaffenverbotsvertrag - doch wie unterscheiden sich die beiden? Und welche Staaten haben diese Verträge unterzeichnet?
Was ist der Atomwaffensperrvertrag?
Der Atomwaffensperrvertrag - offiziell Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen - wurde 1968 geschlossen und 1970 ratifiziert. Er verpflichtet die Kernwaffenstaaten , die bereits vor Unterzeichnung des Vertrags Atomwaffen hatten - USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien - auf das Ziel vollständiger nuklearer Abrüstung. Im Gegenzug verzichten die Nichtkernwaffenstaaten auf den Erwerb von Nuklearwaffen. Ziel des Abkommens ist es, die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern, nukleare Abrüstung voranzutreiben und die friedliche Nutzung von Kernenergie zu fördern. Die ersten Unterzeichner waren die USA, Großbritannien, die ehemalige Sowjetunion und auch der Iran.
Die mutmaßlichen Atommächte Indien, Pakistan, Israel haben den Atomwaffensperrvertrag bis heute nicht unterzeichnet. Die mutmaßliche Atommacht Nordkorea war dem Vertrag beigetreten, trat 2003 aber wieder aus.
Insgesamt haben sich zum jetzigen Zeitpunkt 190 Staaten dem Atomwaffensperrvertrag verpflichtet. Die Internationale Atomenergiebehörde kontrolliert (IAEO) die Einhaltung des Vertrags. Alle fünf Jahre ist eine Überprüfung der Ziele vorgesehen.
Wie steht es um den Atomwaffensperrvertrag?
Der Prozess der nuklearen Abrüstung steckt in der Krise. Die Überprüfungskonferenz in New York hätte turnusmäßig bereits 2020 stattfinden sollen. Corona kam nur als weiteres Hindernis auf dem Weg zu Abrüstungsfortschritten hinzu. Vor diesem Hintergrund geht es auf der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag darum, wenigstens die einmal dokumentierte Gemeinsamkeit der 190 Unterzeichnerstaaten nicht noch weiter zu beschädigen.
Manchen schien der Atomwaffensperrvertrag schon als verlorene Sache: Nordkorea hat den Nichtverbreitungsvertrag schon vor fast 20 Jahren verlassen. Und der Iran - obwohl er den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat - forciert seine Bemühungen zur nuklearen Aufrüstung seit Jahren regelmäßig weiter. Da der Atomwaffensperrvertrag aber keine Sanktionsmechanismen bei Verletzung des Vertrags vorsieht, hat er sich gegenüber dem Iran als zahnlos erwiesen.
Während US-Präsident Joe Biden sich bemüht, die von seinem Vorgänger Donald Trump torpedierte Atomwaffenvereinbarung mit dem Iran wiederzubeleben, drängt eine wachsende Gruppe von Staaten - vor allem aus den südlichen Schwellen- und Entwicklungsländern - auf ein umfassenderes Kernwaffenverbot, dass auch für die vom Sperrvertrag ausgenommenen Atommächte des Westens, Russland und China gelten soll. Viele Kritiker werfen den offiziellen Atommächten vor, ihrer Verpflichtung zur Abrüstung nicht nachzukommen.
Was ist der Atomwaffenverbotsvertrag?
Neben dem Atomwaffensperrvertrag gibt es noch den weitergehenden Atomwaffenverbotsvertrag - mit dem Ziel, eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Knapp 90 Staaten haben den Atomwaffenverbotsvertrag inzwischen unterzeichnet; im vergangenen Jahr trat er in Kraft. Zu den Unterzeichnern gehören allerdings weder die Atommächte noch die NATO-Staaten inklusive Deutschland.
Mit dem Ziel einer gänzlich denuklearisierten Welt nimmt der Atomwaffenverbotsvertrag aber eines der Gründungsmotive der Grünen auf, dem sich auch Bundesaußenministerin und Grünen-Politikerin Annalena Baerbock verpflichtet fühlt. Daher haben die Grünen im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass Deutschland - entgegen der NATO-Linie - als Beobachter an einer Vertragsstaatenkonferenz teilnimmt. Folglich war die Bundesregierung im Juni 2022 bereits bei der ersten Konferenz in Wien vertreten – allerdings ohne politische Prominenz. Dennoch hat die Teilnahme Deutschlands bei den NATO-Bündnispartnern für Verstimmung gesorgt.
Wie positioniert sich die Bundesregierung in der Debatte?
Angesichts der neuen Bedrohungslage in Europa ist der Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, der im Wahlkampf 2021 noch von SPD und Grünen gefordert wurde, derzeit kein Thema mehr. Deshalb wurden auch von der neuen Bundesregierung für die Luftwaffe amerikanische F35 Jets bestellt, die mit Atomwaffen der US-Streitkräfte bestückt werden können. Dazu kommt: Bis zu 20 US-Atombomben lagern noch auf dem Fliegerhorst Büchel in der rheinland-pfälzischen Eifel. Im Ernstfall sollen Kampfjets der Bundeswehr sie einsetzen.
Die Ampelkoalition wird weiterhin daran festhalten, im Ernstfall auch unmittelbar am Einsatz von Atomwaffen der Bündnispartner mitzuwirken. Das hat Annalena Baerbock in New York erneut bekräftigt: "Der brutale Angriffskrieg Russlands macht deutlich, dass Nuklearwaffen leider eine bittere Realität sind", sagte sie. "Und deswegen ist es wichtig, dass wir auch im strategischen Konzept der NATO deutlich gemacht haben, die nukleare Teilhabe ist Teil des Bündnisses der NATO und zugleich unterstreichen, dass die NATO für nukleare Abrüstung und Kontrolle einsteht."
Quelle: Stephan Detjen, dh