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Bäume
Ahorn und Buche erkennen Rehe am Speichel

Wenn Bäume von schädlichen Insekten befallen werden, wehren sie sich oft mit giftigen Stoffen. Eine Studie aus Leipzig und Jena hat nun gezeigt, dass junge Buchen und Bergahornen auch auf Säugetiere reagieren. Sobald ein Reh an den Knospen frisst, setzt vor allem der Ahorn auf schnelleres Wachstum.

Von Annegret Faber |
    Ein Reh zwischen dichten Brennesseln in einem Wald
    Bäume reagieren nicht nur auf Schädlinge, sondern auch auf Rehe. (picture alliance / ZB - Patrick Pleul)
    Ein relativ trockener Auwald in Leipzig. Weit über 100 Jahre alte Buchen stehen hier. Darunter, im Schatten, viele kleine Bäumchen. Das Testfeld für die Studie. Carolin Seele von der Universität Leipzig, deutet auf einen kleinen Ahorn.
    "So sieht ein typischer Jungahorn in den ersten Jahren aus."
    Er ist nicht höher als einen Meter, hat ein paar Seitentriebe und wächst gerade nach oben. Die Biologin zeigt auf die oberste Knospe.
    "Ein unverbissener Baum hat diese große Apikalknospe, die für das Reh sehr attraktiv ist, weil es eine hohe Konzentration an Zucker und Proteinen hat, die wird bevorzugt abgefressen."
    Rehe fressen vor allem Knospen von Bäumen die kleiner als 1,30 Meter sind, erläutert Bettine Ohse, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchführte. Bäume, die größer sind, sind also außer Gefahr. Der da ist noch lange nicht so weit, sagt die Doktorandin und blickt auf einen anderen kleinen Ahorn, der schon mächtig gelitten hat.
    "Der hat offensichtlich die Hauptknospe verloren und ist dann rechts und links davon ausgetrieben und wurde dann hier auch nochmal abgefressen. Da wurde die Seitenknospe aktiviert, weil die Hauptknospe fehlt und die Seitenknospe übernimmt dann den nächsten Trieb und jetzt das neue Haupttrieb."
    Reaktion der Bäume auf Rehbiss
    Dieses Bäumchen ist kleiner und hat viel mehr Verzweigungen, als der gesunde Baum. Dadurch wächst er langsamer in die Höhe und wird das Sonnenlicht später oder gar nicht erreichen. Kommt das Reh öfter vorbei, kann er sogar eingehen. Deshalb wehrt er sich, wie die Forscher in ihren Tests nun sehen konnten. Sie markierten hier im Wald 30 junge Ahornbäume und 30 Buchen, die noch unbeschädigt waren. Dann imitierten sie den Rehverbiss, in dem sie jeweils die obere Knospe abschnitten. Die Schnittwunden beträufelten sie mit Rehspeichel. Das taten sie bei einem Drittel der Bäume, ein anderes Drittel benetzten sie mit Wasser, der Rest diente als Vergleich. Zwei Stunden später kamen sie zu den Bäumchen zurück und nahmen Proben um zu sehen, wie und ob die Pflanzen auf den Rehspeichel reagieren. Dafür schnitten sie von jedem Baum eine der noch vorhandenen Seitenknospen ab.
    "Und dann haben wir sie gefriergetrocknet. Das ist eine sehr schonende Methode um alles Wasser raus zu bekommen, ohne dass sich die Inhaltstoffe verändern und dann wurden sie in Jena am Max Planck Institut für chemische Ökologie ganz fein zermörsert."
    Das Pulver untersuchten die Forscher dann. Sie interessierten sich vor allem für Pflanzenhormone und andere Stoffe, die zur Abwehr dienen könnten. Stefan Meldau, damals noch Gruppenleiter am MPI in Jena.
    "Wir haben aus der Knospe extrahiert, Wachstumshormone, zum Beispiel Zytokinine, das sind Hormone, die an der Zellteilung involviert sind. Wir haben extrahiert Verteidigungshormone, die das Immunsystem der Pflanze regulieren, hier zum Bespiel die Salizylsäure und die Jasmonsäure und wir haben eine ganze Reihe von phenolischen Verbindungen extrahiert, die von der Pflanze direkt als Verteidigung genutzt werden."
    Die Ergebnisse waren eindeutig. Ahorn und Buche erkennen Rehe an ihrem Speichel und die Bäume reagieren unterschiedlich. Der Ahorn setzt vor allem auf schnelleres Wachsen.
    "Das heißt, es findet wahrscheinlich viel mehr Zellteilung statt, wenn die Pflanze merkt: Ok, jetzt wurde ich von einem Reh angefressen, im Vergleich zu einer einfachen Verwundung."
    Die Buche produziert Stoffe, die dem Reh nicht schmecken.
    "Also was wir in der Buche sehen, dass die einen sehr hohen Gehalt an einer bestimmten Sorte Tannine hat, die sehr wahrscheinlich die Verdauung der Reh negativ beeinflussen", erläutert Bettina Ohse.
    Weiteres Experiment geplant
    Was die bessere Strategie ist, können die Forscher nicht sagen. Auch nicht ob das Reh dann tatsächlich von dem Bäumchen ablassen wird, an dem es schon einmal gefressen hat. Auch auf die Frage wie, und ob andere Baumarten in den hiesigen Wäldern auf Säugetiere reagieren, gibt es noch keine Antwort. Deshalb sind Folgestudien in Leipzig bereits geplant. Diesmal in einem Experiment mit 24 Baumarten. Die Forscher und Forscherinnen wollen herausfinden, ob Baumarten mit energiereichen und attraktiven Knospen generell nach Reh-Verbiss eher in Abwehrstoffe investieren oder ob sie lieber Wachstumshormone produzieren, um schnell groß zu werden und so aus der Reichweite der Rehe herauswachsen.