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Bäume auf Äckern
Agroforstwirtschaft gegen Trockenheit

Landwirte in Deutschland leiden erneut unter der Trockenheit. Im besonders betroffenen Brandenburger Süden läuft ein Modellprojekt, das erforscht, wie Landwirtschaft unter den extremer werdenden Umweltbedingungen funktionieren kann.

Von Sylvia Belka-Lorenz |
Ein Landwirt pflügt einen Acker in Proschim und wirbelt auf dem trockenen Feld Staub und Sand auf.
Ein Landwirt pflügt einen staubtrockenen Acker in Proschim (picture alliance / Andreas Franke)
Auch wenn es klingt, als wühlten wir uns sich durch herbstlichen Laubhaufen, wir laufen nur über ein abgeerntetes Getreidefeld bei Sacro im Südosten Brandenburgs, kurz vor der polnischen Grenze. Der Boden ist so trocken, dass ein Trecker am Horizont in der aufgewirbelten Erde verschwindet. Schwer zu glauben, dass hier überhaupt noch etwas wächst. Mitten in dieser ausgedörrten Landschaft befindet sich eine Versuchsfläche, die der Landwirt Egon Rattei vor zehn Jahren in die Obhut eines Forschungsprojekts gab: skeptisch zwar, aber verzweifelt genug:
"Wir Landwirte sind mit einem Stein auf der Brust geboren. Wir jammern ständig. Aber wir schreien natürlich nach Hilfe. Die Gelegenheit müssen wir nutzen, wenn Situationen eintreten wie hier, witterungsbedingte Ertragsausfälle. Hier müssen wir an die Wissenschaft herantreten, um gemeinsam was herauszubekommen."
Heraus kam das Modell einer Bewirtschaftung, das einige Beteiligte gar eine Sensation nennen. Agroforst heißt die Methode, Baumstreifen wie Hecken um die Felder herum zu setzen. Die Bäume schützen den Boden, sorgen für günstigeres Mikroklima und bringen zusätzlich Obst oder Nutzholz. Der Forstwissenschaftler Christian Böhm von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg ist begeistert, seit er die ersten Messreihen durchgeführt hat:
"Ich habe ziemlich schnell mein Herz hier verloren, weil ich gesehen habe, was für positive Aspekte es gibt. Und weil ich mich als Förster gefreut hab, dass man das miteinander verbinden kann, Land- und Forstwirtschaft auf so effiziente Art."
Agroforst pflanzt Bäume rund um Felder
Innovativ ist das streng genommen nicht. Seit dem Mittelalter nutzten Bauern Baumstreifen und Hecken in Kombination mit der Landwirtschaft. Der ökonomische und ökologische Vorteil war enorm- und ist paradoxerweise eben dadurch zum Problem geworden, sagt Christian Böhm:
"Die hatten also einen hohen ökologischen Nutzen, den hat man später erkannt und hat als Konsequenz alles unter Schutz gestellt und ein Nutzungsverbot ausgesprochen. Und das hat dazu geführt, dass die meisten nicht mehr gewillt sind, solche Systeme anzulegen, weil sie die Hecken dann nicht mehr benutzen dürfen."
In der DDR kam dazu noch das Bestreben, die Äcker so groß wie möglich zu machen, weil die Produktion in den LPGs, den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, dadurch einfacher wurde. Die Bereitschaft, das nach Jahrzehnten infrage zu stellen, ist bei
den Landwirten derzeit noch wenig ausgeprägt, so die Einschätzung von Thorsten Mohr vom Brandenburger Bauernverband:
"Diese ganze Entwicklung der Landwirtschaft seit dem Krieg, das kriegen wir jetzt nicht in fünf Jahren umgekrempelt. Aber das Tempo wird deutlich schneller. Mit jedem trockenen, mit jedem extremen Jahr denken immer mehr darüber nach, wie kann ich was verbessern. Das ist im Moment eine gute Zeit. Und das nutzen wir auch."
Kaum noch Erosion und besseres Mikroklima
Der Erfolg ist messbar. Gehölzstreifen auf dem Acker mit einem Abstand von 50 Metern reduzieren den Wind um etwa 85 Prozent, Bäume alle 25 Meter sogar um 97 Prozent. Das bedeutet, dass es praktisch keine Erosion mehr gibt. Die Pflanzen verfügen über ein besseres Mikroklima, das wenige Niederschlagswasser verdunstet kaum. Haben die Pflanzen weniger Stress, stecken sie alle Energie in Biomasse. Der Erfolg auf den Testflächen hat sich herumgesprochen. Der Forstwissenschaftler Christian Böhm:
"Wenn ein Landwirt das betreibt und dann trotzdem noch mit seinen ganz normalen Fahrzeugen rumfahren kann und nicht am Hungertuch nagt und die anderen sehen das, dann sehen die auch, aha, es kann sich lohnen. Das dauert noch ein bißchen ehe das in den Köpfen ist, auch so ein Generationswechsel stattgefunden hat, weil... so ein paar alte Köppe (lacht) kriegt man auf beiden Seiten nicht mehr überzeugt."
Politische Rahmenbedingungen behindern
Und noch stehen auch die geltenden politischen Rahmenbedingungen der Agroforstwirtschaft im Wege, sagen der Wissenschaftler und der Bauernverband. Kaum nachvollziehbare Richtlinien für Agrarzuschüsse, die sich weder an Ökologie noch an Zukunftsfähigkeit orientieren. So nehmen Bauern noch immer eher den Totalverlust ihrer Ernten in Kauf, denn dann gibt es Entschädigungen. Dabei zeigen die Ökosysteme der Testfläche: Es geht auch anders. Sie haben auch den zweiten Extremsommer überstanden. Das kann man sogar sehen. Christian Böhm:
"Und was ganz besonders sichtbar ist, ist das Niederwild. Die Jäger sind ganz begeistert. Selbst Rebhühner wurden gesehen, Feldhasen sieht man sehr viele, Fasane sah man schon laufen."
Die Ergebnisse der inzwischen zehn Jahre währenden Forschung scheinen zu belegen, dass eine uralte Idee das Potential hat, Landwirtschaft selbst unter Extrembedingungen zukunftsfähig zu machen. Das allerdings muss auch bei den Akteuren ankommen. Steffen Mohr vom Brandenburger Bauernverband findet klare Worte:
"Wir haben Betonköpfe, die sagen, das ist alles scheiße, was sollen Bäume auf einem Acker, ich brauche einen 300 Hektar Schlag. Und die Naturschützer sagen, hier steht nur eine Baumart, das ist naturschutzlich nichts wert. Das bringt uns nicht weiter. Aber wenn diese Leute merken, man kann zusammenarbeiten, dann bröckelt auch diese Front."