Studierende
Warum beim BAföG gekürzt werden soll

Ein Drittel der Studierenden in Deutschland gilt als armutsgefährdet. Laut Haushaltsentwurf für 2024 sollen die Mittel für das BAföG deutlich sinken. Leistungen würden aber nicht gekürzt, heißt es von der Regierung. Doch was bedeutet das konkret?

    Eine Gruppe von Studierenden in einem Hörsaal
    Etwa elf Prozent der Studierenden haben zuletzt BAföG bekommen. (Getty Images / Tom Werner)
    Eine geplante Haushaltskürzung, die laut Regierung keine Leistungskürzung mit sich bringen soll? Als der Entwurf für den Haushalt 2024 bekannt wurde, gab es einen großen Aufschrei: Er sieht starke Kürzungen unter anderem im Bildungsbereich vor, und dazu gehören auch die Mittel für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG.
    Rund 650 Millionen Euro weniger sind in 2024 für diese staatliche Leistung für Studierende sowie Schülerinnen und Schüler eingeplant. Was genau bedeutet diese Sparankündigung?

    Inhaltsverzeichnis

    Wer bekommt BAföG und wie viel?

    BAföG können Jugendliche und junge Erwachsene bekommen, um ein Studium oder eine schulische Ausbildung zu absolvieren, wenn ihre Familie nicht in der Lage ist, sie finanziell zu unterstützen. BAföG muss beantragt werden. Dabei müssen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsstellers beziehungsweise seiner Eltern offengelegt werden.
    2021 haben laut Statistischem Bundesamt in Deutschland insgesamt 623.000 Personen BAföG erhalten, 155.000 waren Schülerinnen und Schüler und 468.000 Studierende. Die Zahl war gegenüber dem Jahr 2020 um 0,4 Prozent beziehungsweise 2.000 Personen gestiegen. Zuvor war die Zahl der Geförderten seit 2012 jährlich gesunken.

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    Der höchstmögliche Betrag, den Geförderte erhalten können, stieg zum Wintersemester 2022/23 im Zuge einer BAföG-Reform: von zuvor 861 Euro auf nun 934 Euro monatlich. Darin enthalten ist der auf 360 Euro gestiegene Wohnkostenzuschlag für Studierende, die nicht bei den Eltern wohnen. Der sogenannte Grundbedarfssatz stieg von 427 auf 452 Euro im Monat.
    Die Beträge, die gezahlt werden, richten sich nicht nach individuell anfallenden Kosten. Gezahlt werden pauschale Beträge – die sogenannten Bedarfssätze – die sich am durchschnittlichen Bedarf an Geld für Lebenshaltungskosten wie Essen und Kleidung, aber auch für Ausbildungskosten wie Lehrbücher und Fahrtkosten orientieren.

    Infos zum BAföG

    Durch die Reform wurden auch die Altersgrenze für die Förderung und die Freibeträge des Elterneinkommens von BAföG-Empfängerinnen und -empfängern erhöht. So sollen mehr Menschen die Förderung erhalten können.

    Wie ist die finanzielle Situation Studierender in Deutschland?

    Mehr oder weniger parallel zur Anhebung der BAföG-Sätze wuchsen auch die Lebenshaltungskosten in Deutschland stark, Stichworte hier sind gestiegene Energiekosten und Inflation.
    Für die hohen Kosten fürs Heizen wurden Zuschüsse an BAföG-Geförderte gezahlt, die nicht bei den Eltern wohnen: 230 Euro für die Heizperiode 2021/2022 und einen zweiten Heizkostenzuschuss in Höhe von 345 Euro für die Heizperiode 2022/23. Hier gab es allerdings teils große Verzögerungen.
    Dennoch hagelte es Kritik an der Höhe der neuen Förderung: Die Sätze reichten nicht einmal aus, um die hohe Inflation auszugleichen, hieß es.
    Zudem zeigen Statistiken, dass viele Studierende finanziell auf dem Zahnfleisch gehen. Rund ein Drittel der Studierenden in Deutschland gilt als armutsgefährdet. Laut dem bildungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, verfügt mehr als ein Drittel der Studierenden über ein Einkommen von unter 800 Euro pro Monat.
    Die Bildungsgewerkschaft GEW und der Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs) verwiesen darauf, dass von der BAföG-Erhöhung von 5,75 Prozent zum Wintersemester 2022/23 die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge zum 1. Juli 2023 wieder abgezogen werden müsse. Denn dafür gebe es beim BAföG keinen Ausgleich. Gleiches gelte für die ab Januar 2024 geplante Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge.
    Viele Hoffnungen richten sich hier derzeit auf das Bundesverfassungsgericht. Denn das höchste deutsche Gericht klärt gerade, ob die Höhe der Bedarfssätze möglicherweise verfassungswidrig ist. Geklagt hat eine Psychologie-Studentin die - wie auch viele Studierendenverbände und die Gewerkschaft GEW - der Ansicht ist, die Sätze seien verfassungswidrig und deckten nicht das Existenzminimum ab.

    Was plant die Ampelregierung beim BAföG?

    Der Haushaltsentwurf 2024 sieht deutliche Kürzungen bei den Ausgaben vor, etwa beim Bundesbildungsministerium. Dessen Budget soll um 5,4 Prozent kleiner ausfallen als dieses Jahr – das sind rund 1,16 Milliarden Euro weniger. Unter anderem sollen die Mittel schrumpfen, die für das BAföG zur Verfügung stehen: von 2,7 Milliarden Euro auf rund zwei Milliarden Euro. Für Studentinnen und Studenten etwa stehen 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung, in diesem Jahr sind es 1,8 Milliarden Euro. Beim Schüler-BAföG sind 551 Millionen veranschlagt – nach 763 Millionen in diesem Jahr.
    Diese Budgetkürzungen bedeuteten jedoch keine Kürzungen bei den BAföG-Leistungen, betonte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. „Es handelt sich um eine gesetzliche Leistung, die auf jeden Fall gewährt wird“, sagte die FDP-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa. „Jeder einzelne Berechtigte wird seine Leistungen in vollem Umfang erhalten.“
    Ausschlaggebend für die veranschlagten Mittel beim BAföG seien allein die aktuellen Prognosen des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT), schreibt das BMBF auf seiner Webseite. „Die Zahlen entsprechen der aktuellen Bedarfsprognose auf Basis der geltenden Rechtslage.“ Das Bildungsministerium rechnet demnach laut tagesschau.de damit, dass die Gefördertenquote bis 2026 sinkt: von 16,3 Prozent im Jahr 2022 auf dann 14,7 Prozent.
    Die Reform des BAföG – 2022 trat deren erste Stufe in Kraft – habe man „unverändert im Blick“, heißt es auf der BMBF-Webseite. In welchem Rahmen sie sich bewegen wird, hänge vom Bundeshaushalt 2024 ab. Im September soll das parlamentarische Verfahren für das Haushaltsgesetz starten.

    Wie sind die Reaktionen zu den geplanten Kürzungen beim BAföG?

    Selbst in der Koalition sind die Pläne umstritten. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Kai Gehring (Grüne), nannte sie eine „Absage an Chancengerechtigkeit“. Wer durch Mittelkürzungen Bildungschancen einschränke, handele "zukunftsvergessen und zulasten junger Generationen", so Gehring.
    Auch mehrere Verbände warnen vor finanziellen Einschnitten beim BAföG. "Die BAföG-Versprechen der Bundesregierung drohen zu implodieren", erklärte etwa der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl. Die geplante Strukturreform der Ausbildungsförderung mit "BAföG-Sätzen, die zum Leben reichen", würde nun "womöglich Lindners Rotstift geopfert". Ein Verzicht auf die geplante Strukturreform des BAföG wäre fatal, so Anbuhl.
    Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel das Vorhaben fixiert, das BAföG „grundlegend“ zu reformieren. Das sollte etwa durch eine regelmäßigere Anpassung von Freibeträgen und Bedarfssätzen passieren.
    Die Vorständin im Freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs), Rahel Schüssler, erwartet "einen Aufschrei aus dem Parlament, der Regierung und dem Ministerium gegen diese Finanzentscheidung". Ausbildung dürfe "kein Armutsfaktor sein, sondern muss gefördert werden".
    Der stellvertretende Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Andreas Keller, kritisierte: "Die Ampelkoalition hungert das BAföG systematisch aus, wenn sie die Bedarfssätze nicht an die galoppierende Inflation und die Preisexplosion auf dem Wohnungsmarkt anpasst." Statt Kürzungen müsse es im Sinne der Zukunftsfähigkeit des Landes schleunigst eine BAföG-Reform geben.
    Linken-Bildungsexpertin Nicole Gohlke mahnte, eine Kürzung beim BAföG werde die soziale Spaltung des Bildungssystems weiter vorantreiben. Viele Kritiker verweisen im Zusammenhang mit den geplanten Kürzungen beim BAföG auf den Fachkräftemangel und darauf, dass der Kampf dagegen so deutlich erschwert werde.
    Bereits bevor die Kürzungspläne der Ampel-Regierung beim BAföG bekannt wurden, gab es vor allem aus der SPD und von Verbänden die Forderung, das BAföG noch in diesem Jahr zu erhöhen und die Strukturreform voranzutreiben. Unter anderem sollten verbindliche, regelmäßige Anpassungen an die Lebenshaltungskosten festgeschrieben werden.
    Annette Bräunlein, Stephanie Gebert, AFP, dpa