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Bahai
Eden auf Erden

Die Hängenden Gärten in Haifa sollte jeder Bahai einmal im Leben gesehen haben. Mehr noch: Gläubige aus der ganzen Welt sollen die blühenden Landschaften auch selbst ehrenamtlich pflegen. Seit zehn Jahren gehören die Gärten zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Von Mirko Schwanitz |
    Das Bahai-Weltzentrum in Haifa, Israel
    Das Bahai-Weltzentrum in Haifa, Israel (Deutschlandradio / Tim Bieler)
    "Herzlich willkommen … bei den Bahai-Gärten. Wir stehen hier auf der Terrasse 19, wo man, wenn man runterschaut, … Haifa sehen kann und die schönen Gärten. Es gibt 19 Terrassen, 9 hier oben und dann den goldenen Dom. Und da drunter gibt es neun weitere Terrassen….", sagte Anke Großmann. Sie begrüßt Besucher am größten Heiligtum der Bahai. Hier, in Israel, hat die jüngste Weltreligion ihr Zentrum. Einmal im Leben sollte jeder Bahai in die Hängenden Gärten pilgern. Denn hier ist ihr Religionsgründer, den alle nur den "Bab", nennen, beigesetzt.
    Anke Großmann erklärt: "Die ersten 18 Menschen, die hier, die ihn anerkannt haben, das sind die ersten Jünger. Also 18 und er selber – 19, die `ne ganz besondere Zahl bei den Bahais ist."
    Und so hat der Monat bei den Bahai 19 und nicht 31 Tage, hat das Jahr nicht zwölf, sondern 19 Monate, klettern die Gärten über 19 Terrassen vom Karmelberg hinunter in die Stadt. Die letzte endet fast am Ben Gurion-Boulevard, der von hier oben direkt ins gleißende Mittelmeer zu führen scheint.
    "Also gehen wir runter auf die Terrasse 18, um uns das anzuschauen. Insgesamt gibt es 1700 Stufen von oben bis unten hin. Einen Kilometer lang. Die breiteteste Terrasse wäre 400 Meter…", sagt Anke Großmann.
    Der Sultan war beeindruckt
    1866 hatte Baha’ullah ein Sendschreiben an die einflussreichsten weltlichen und religiösen Häupter seiner Zeit geschickt. Darin erhob er Anspruch darauf, Führer einer neuen Weltreligion zu sein. In der Folge wurde er nach Akko im heutigen Israel verbannt. Jedoch beeindruckte Baha’ullahs Persönlichkeit den letzten Sultan des Osmanischen Reiches derart, dass er ihm erlaubte, sich in der Umgebung von Akko frei zu bewegen. Damals entdeckte er diesen Platz auf dem Karmelberg.
    Anke Großmann: "Damals war es ein Berg, der recht kahl ausgesehen hat und karg. Es ist ja hier mehr oder weniger Wüste. Es ist überhaupt nichts im Vergleich zu jetzt, wo man wirklich wunderschöne Gärten hat mit 450 verschiedenen Pflanzen."
    Nach dem Tod von Baha’ullah im Jahr 1892 hätten die Bahai begonnen, auf dem kahlen Berg ihr Abbild des Paradieses zu schaffen, erklärt Anke Großmanns Kollege Karl Walther bevor der Abstieg beginnt:
    "Sie sehen Ästhetik als Teil von ihrem Glauben. Und sie sagen auch: Es gibt keine reine Ästhetik. Darum: In den Gärten kann man sehen persische Büsten von Pfauen, kann man sehen englische Straßenlampen inmitten von einem italienischen Garten. Und kann man auch sehen japanische Gärten oder amerikanische Gärten da. Sie sagen: Ein Mensch muss nicht warten, bis er tot ist, um zu kommen in den Garten Eden."
    Seit 2008 sind die Hängenden Gärten der Bahai Weltkulturerbe. Fast 1000 Bahai arbeiten jedes Jahr als Freiwillige, um sie im heißfeuchten Klima am Mittelmeer nicht verdorren zu lassen. Freiwillige wie Backy aus Südafrika:
    "Als ich das erste Mal hierherkam, habe ich nicht glauben können, dass es so etwas Schönes gibt. Dieser Garten sei an Symbol dafür, dass man an die Schönheit der Welt glauben solle. Er zeige allen, wie die Welt, wie unsere Zukunft sein könne."
    Das Wasser schluckt den Lärm
    Das Wasser, das in Rinnen hinabplätschert, dient nicht nur zur Bewässerung. Akustikern ist es mit Hilfe des Wassers gelungen, Frequenzen zu erzeugen, die den Lärm der Stadt absorbieren und die Gärten zu einem Ort der Stille machen, erklärt Farnoosh. Der junge indische Architekt ist ebenfalls Freiwilliger und mit Ausbesserungsarbeiten an den Gebäuden in den Gärten befasst.
    "Wenn Sie sich die Architektur hier anschauen, das Haus der Gerechtigkeit oder auch die Terrassen, dann bemerken Sie, dass die Architekten die Gebäude als ornamentale Elemente innerhalb der Gartenlandschaft selbst geplant haben."
    Wie einen Diamanten fassen die Gärten heute den aus italienischem Mamor und Granit errichteten Dom ein. In ihm befindet sich der Schrein des Bab, des Urvaters der Bahai-Religion. Unweit vom Dom steht das Haus der Gerechtigkeit. Das Weltzentrum der Bahaireligion wurde im Stile eines griechischen Tempels errichtet: Es ist Schulungsstätte und Tagungsort des Generalkonvents der Bahai und Sarah Vader ist dessen stellvertretende Generalsekretärin.
    Sarah Vader sagt: "Das Weltzentrum ist das Zentrum unserer Religion. Gläubige aus aller Welt kommen hierher nach Israel, um hier zu beten und zu meditieren. Wir glauben, dass alle Religionen aus der gleichen Quelle entspringen und daher niemand behaupten kann, eine Religion sei besser als die andere. Alle stehen auf demselben Grund und alle haben eigentlich das gleiche Ziel: Sie wollen die Welt menschlicher machen. Das ist auch der Plan der Bahai. Wir wollen Leute zusammenbringen, damit sie sich gemeinsam, um etwas bemühen."
    "Kleine Dinge verändern die Welt"
    Sarah Vader ist auch verantwortlich für gute Beziehungen zum Staat Israel, der dem Weltzentrum der Bahai seit seiner Gründung Asyl gibt. Er gestattete nicht nur den notwendigen Landkauf, sondern verlegte sogar ein Militärlager, um die Erweiterung der Gärten zu unterstützen. Die Gärten, sagt Sarah Vader seien wohl nicht nur für die Bahai ein Symbol dafür, was man aus der Welt machen könnte. Auch deshalb, sagt Sarah Vader, sei es vielen Bahai wichtig, einmal im Leben in den Hängenden Gärten einen Freiwilligendienst zu leisten.
    Sarah Vader: "Wir werden die Welt nicht mit großen Aktionen verändern, sagt Sarah Vader. Die Bahai glaubten daran, dass es die kleinen Dinge sind, die die Welt verändern, und das deshalb jeder selbst etwas tun müsse. Die Religionsgemeinschaft der Bahai wolle bei ihren Gläubigen genau das fördern."