Rund 60 Mitglieder hat die Leipziger Bahai-Gemeinde. Sieben davon sind zur Andacht im Wohnzimmer von Afsane und Olaf Akhtar-Khawari zusammengekommen. Die Gemeinde ist dezentral organisiert. Die wöchentlichen Andachten finden in mehreren Privatwohnungen von Mitgliedern statt. Im Gemeindehaus, einem Ladenlokal, trifft man sich zu besonderen Festen oder zu Vorträgen.
Olaf Akhtar-Khawari wurde getauft und konfirmiert. Mit 18 Jahren konvertierte er zum Bahaitum. Anders seine Frau: Afsane Akhtar-Khawari stammt aus einer Familie, die sich bereits seit vielen Generationen zu dieser Religion bekennt. Ihre Eltern sind in den 60er Jahren aus dem Iran nach Köln gekommen, wo sie geboren wurde.
"Köln war eine große Gemeinde, es waren auch viele Iraner dort. Das war eine der größeren Gemeinden im Westen. Es gab auch einige deutsche Bahai. In den 70ern, Hippie-Bewegung und so weiter, da waren viele offen. Da sind viele Bahai geworden. Von daher war das eine große Gemeinde in Köln."
Schwierige Zeiten in der DDR
Die Geschichte der Bahai in Deutschland reicht weit zurück. Bereits 1905 gab es erste Bahai-Gemeinden in Deutschland. Vor allem in den USA hatte der Glaube schon damals zahlreiche Anhänger unter Intellektuellen. Deutsch-Amerikaner brachten die Bahai-Religion dann nach Deutschland. Ein Höhepunkt war 1913 der Besuch Abdul-Bahas, des Sohnes des Religionsstifters Baha'ulla. Katja Wengenmayr hat für die Universität Leipzig zu den Bahai geforscht.
"In der Literatur wird dieser Besuch als Aufwind beschrieben, den die Bahai-Gemeinde dadurch erfahren hat, weil er zum einen als charismatischer Mensch beschrieben wird, als eine Vaterfigur, sehr gebildet, wegweisend. Und gleichzeitig dadurch, dass die öffentlichen Vorträge auch in den Tageszeitungen rezipiert wurden, ist der Glaube auch in einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden."
Nach diesem Aufschwung in den 1920er und 30er Jahren kamen die Nationalsozialisten. Sie haben die Bahai-Religion verboten. Nach dem Krieg etablierten sich neue Gemeinden. Aber auch in der DDR empfahl es sich, seinen Glauben nicht allzu aktiv zu bekennen.
Viele Bahai gingen in den Westen oder zogen sich zurück. Viele Jahrzehnte lang war Eva Gleichmann die einzige Bahai in Leipzig. Olaf Akhtar-Khawari lernte sie kennen, als er nach der Wende zum Studium nach Leipzig kam.
"Sie erzählte, dass sie zweimal im Jahr Besuch bekam. Wenn Frühjahrs- und Herbstmesse war in Leipzig, durften nämlich westdeutsche BRD-Bürger ohne Visum einfach nach Leipzig reisen. Und ab und zu klingelte jemand an ihrer Tür und sagte: Allah-u-Abha. Das ist der Gruß, mit dem sich Bahai weltweit begrüßen, und da war sie immer hocherfreut. Das war ein Bahai, der extra aus dem Westen anreiste, um sie zu besuchen, der wollte gar nicht zur Leipziger Messe."
Orthodoxe Muslime sehen in Bahai Abtrünnige
Langsam wuchs die Leipziger Gemeinde wieder - auf zunächst fünf Mitglieder.
"In der Nachwendezeit, in den 90er Jahren, gab es viel Konkurrenz auf dem Markt der Religionen. Und es gibt ja im Bahaitum weder den Berufsgeistlichen noch den Berufsmissionar. Also wir haben da mit anderen persönlichen, privaten kleinen Mitteln gekocht. Wir haben hier und da mal eine Ausstellung und einen Vortrag gemacht."
Heute gehören auch gebürtige Muslime zur Leipziger Bahai-Gemeinde, wie dieser Iraner, der erst in Deutschland zum Bahaitum fand.
"Im Iran sagt unsere Religion, dass Bahai schlimme Menschen und Spione sind. Und deswegen wollte ich selber gucken, was sie sagen, was sie glauben. Und wir diskutieren über die Bahai-Religion und andere Religionen auch."
Seine Eltern leben noch im Iran. Und auch wenn theologisch betrachtet Bahai im orthodoxen Islam als Abgefallene gelten, was tödlich enden kann - sie akzeptieren den Glaubenswechsel ihres Sohnes.
Keine Berührungsängste mit anderen Religionen
Die Bahai sehen die abrahamitischen Religionen als ihre Vorgänger. Jesus und Mohammed sind Gottesboten. Mit Bab und Baha'ullah hat in ihrem Verständnis das Zeitalter der Gottesoffenbarer begonnen. Peter Mittelbach gehört zum neunköpfigen "Geistigen Rat" der Leipziger Bahai-Gemeinde.
"Wir glauben, dass alle diese Weltreligionen in ihrem Ursprung von Gott sind, insofern kann auch zwischen ihnen kein wesensmäßiger Unterschied bestehen. Das, was uns manchmal als Unterscheidung auffällt, das sind Dinge, die der Zeit oder dem Volk zuzuschreiben sind. Aber die geistigen Wahrheiten, die sind ja immer identisch."
Und so haben die Bahai auch keine Berührungsängste mit Festen anderer Religionen. Sie gehen mit ihren Kindern zum Martinssingen und Adventsbasteln in die Schule. Auch Weihnachten ist für einige Leipziger Bahai ein besonderer Tag. Afsane Akhtar-Khawari.
"In Deutschland kommen alle zusammen. Und da haben wir so eine kleine Tradition entwickelt, dass wir hier mit Bahai-Freunden oder auch anderen uns treffen, Käsefondue zusammen essen und eine Andacht machen mit Zitaten aus den Bahai-Schriften zu Jesus. Und da gibt es ganz viele schöne Zitate zu ihm und dann gedenken wir Jesus und der herausragenden Stellung, die er hat."