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Bahai in Deutschland
Weltreligion made in Schwaben

Der Schwabe Edwin Fischer brachte Anfang des 20. Jahrhunderts die Bahai-Religion nach Deutschland. In Stuttgart, eigentlich Zentrum der Pietisten, fielen Prinzipien wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf fruchtbaren Boden. Eine Ausstellung erinnert an den Glaubenspionier.

Von Frank Aheimer |
    Das StadtPalais in Stuttgart, Wohnsitz des letzten württembergischen Königs Wilhelm II. Seit 2018 ist das klassizistische Gebäude Stadtmuseum.
    Das StadtPalais in Stuttgart: Hier wird unter anderem eine arabische Kalligraphie der Bahai-Religion gezeigt (imago / Arnulf Hettrich)
    Liveauftritt der der Massiven Töne im neunen Stadtpalais. In keinem anderen Musikstil gibt es wohl so viele Hymnen auf Stuttgart wie im Hip-Hop. Gut 1.000 Ehrengäste aus Politik, Kultur und Wirtschaft, aber Bürger ohne Amt und Titel sind bei der Eröffnung des Stuttgarter Stadtmuseums dabei. Oberbürgermeister Fritz Kuhn:
    "Dieses Stadtmuseum ist eine echte Bürgerinitiative. Seit 1999 gibt es den Wunsch nach einem Stadtmuseum für Stuttgart, und Sie haben das erstritten - im besten Sinne des Wortes - Initiative von Bürgerinnen und Bürgern."
    Das am Stuttgarter Schlossplatz gelegene Wilhelmspalais, der Wohnsitz des letzten württembergischen Königs Wilhelm II., wurde für das Museum aufwendig umgebaut und in StadtPalais umbenannt. Zehn Jahre lang trug Sammlungsleiterin Edith Neumann die einzelnen Exponate zusammen.
    Sie sagt: "Das Museum für Stuttgart - hier im StadtPalais - steht eigentlich für die Vielfalt der Stadt. Sie finden die bürgerliche Entwicklung der Stadt, die industrielle Entwicklung der Stadt und die avantgardistischen Tendenzen. Bei uns werden Sie auch die Schwulen-Geschichte finden. Sie werden die Geschichte der RAF finden. Das erste Pressegesetz, mit Therese Huber, aus dem 19 Jahrhundert. Und wir hoffen, damit auch ein breites Publikum anzusprechen."
    Der Schwaben-Bahai
    Gezeigt werden auch die von Stuttgart ausgehenden Reformbewegungen Anfang des 19. Jahrhunderts.
    Dazu Neumann: "Vor allem in der Zeit nach 1905 bis zum Zweiten Weltkrieg war Stuttgart eine avantgardistische, moderne Stadt mit vielen Reformbewegungen. Wir haben hier als Beispiel ausgewählt: Einmal den Merz-Baukasten, ein Spiel für Kinder. Die Merz-Schule ist heute noch bekannt für ihre moderne Pädagogik. Als nächstes haben wir hier eine anthroposophische Reiseapotheke. Anthroposophie ist ein richtiges Stuttgart-Thema. Und als drittes war uns auch das geistige Thema wichtig. Die religiösen Strömungen der Zeit: Die Gründung der Bahai hier in Stuttgart - das war uns ganz wichtig. Hier ist eben das Bild mit dem Großen Namen."
    Der größte Name ist eine arabische Kalligraphie, die in der Bahai-Religion den zentralen Namen Gottes symbolisiert. 1905 kehrt Edwin Fischer - ein geborener Schwabe - von seinem Studium der Zahnmedizin aus Übersee zurück. Er hat die Bahai-Religion in Amerika kennengelernt und trägt den neuen Glauben erstmals nach Deutschland. Wieso ausgerechnet Stuttgart? Welche anderen religiösen Strömungen gab es dort? Gisbert Schaal von der Stuttgarter Bahai-Gemeinde:
    "Er war der allererste, der hier ankam, und er hatte eine schwierige Zeit. Am Anfang musste er von Wasser und Brot leben, weil sein Zahnmedizinstudium in Stuttgart noch nicht anerkannt wurde, und es dauerte einige Zeit, bis er sich dann in der der Königstraße niederlassen konnte."
    Prinzipien aus dem Bahai-Glauben, wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, fallen zu einer Zeit, zu der Frauen noch keine Bürgerrechte haben, auf fruchtbaren Boden.
    Gisbert Schaal sagt: "Die Zeit vor dem ersten Weltkrieg war besonders; in Stuttgart waren die Leute empfänglich für neues Gedankengut. Und so konnte sich der Bahai-Glaube ganz schnell verbreiten in der Zeit."
    Prominenter Besuch
    Im April 1913 kommt es zu einem historischen Besuch. Am Stuttgarter Bahnhof hält der Zug aus Paris. Als sich der Dampf verzogen hat, schreitet ein orientalisch gekleideter Mann über den Bahnsteig. Sein Name: Abbás Effendi, bekannt als Abdu'l-Bahá. Er ist kein anderer als der älteste Sohn Bahá'u'llahs, dem Offenbarer der Bahai-Religion.
    Das Stuttgarter Neue Tagblatt schreibt am 26. April 1913:
    "Ein würdevoller Greis mit Langem weißen Bart, mit hoher Stirn und mit den scharf geschnittenen edlen Zügen eines vornehmen Orientalen. Er sprach von Völkerfrieden, von der Solidarität aller Menschen, von dem Unsegen und der Gottwidrigkeit des Krieges."
    Gedenkstein mit historischer Bedeutung
    Ein geplantes Treffen mit König Wilhelm II. auf seinen Jagdschloss Bebenhausen scheitert, weil der König kurzfristig abreisen muss. Der Eintrag von Abdu'l-Bahá im Gästebuch zeugt davon. Ebenso ein Gedenkstein im Kurpark von Bad Mergentheim. Susan Rastani von der dortigen Bahai-Gemeinde:
    "Der Originalstein, oder dieser Gedenkstein war 1917 aufgestellt worden, ungefähr vier Jahre nachdem Abdu'l-Bahá Bad Mergentheim besucht hatte."
    Nachdem 1937 die Bahai-Religion durch einen Sonderbefehl des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler, verboten wird, wurde der Gedenkstein zerstört.
    Susan Rastani: "Wir haben lange danach gesucht, weil wir ihn wieder aufstellen wollten, und dann hat sich nach vielen Jahren der Bemühungen ein neuer Oberbürgermeister, der zum 100-jährigen Bahai-Bestehen in Deutschland unser Gast war, hat gesagt, dieser Stein muss wieder in den Kurpark, der gehört hier dazu, und die Stadt wird sich dafür einsetzen und auch die Kosten übernehmen."
    2006 wird der Gedenkstein in Bad Mergentheim wieder errichtet. Er trägt eine Bronze-Plakette mit dem Profil Abdu'l-Bahás. Ein Abguss des Originals von 1917. Im Museum für Stuttgart - dem neuen StadtPalais - zeugt künftig die arabische Kalligraphie des größten Namen und ein historisches Schwarzweißfoto, das die Ersten Bahai in Stuttgart, zusammen mit Abdu'l-Bahá - dem Sohn des Religionsstifters Bahá'u'llah zeigt - von den Anfängen dieser jüngsten Weltreligion in Deutschland.