Archiv


Bahn-Vorbild Schweiz

Schiene vor Straße - Europäische Länder fördern den Bahnverkehr auf unterschiedliche Art. In Deutschland will man es mit Privatisierung und einem Gang an die Börse versuchen. Jetzt fand in der Evangelischen Akademie Baden eine Tagung zum Thema statt. Die Initiative "Bürgerbahn statt Börsenbahn" richtete dort den Blick vor allem auf die Schweiz, wo die staatseigene Bahn vorbildliche Marktanteile beim Personen- und Güterverkehr hält.

Von Ludger Fittkau |
    "Ich möchte, dass sich für den Kunden was verbessert, dass also nicht nur an die Aktionäre gedacht wird. Im Moment ist ja der Hauptanteilseigner noch der Bund, aber ich finde, in der Vergangenheit ist zu wenig an die Kunden gedacht worden, an die Benutzer."

    Die Frankfurterin Anna Maria Hipp brachte die Zweifel, die viele Teilnehmer der Tagung in Bad Herrenalb in Sachen Börsengang der Bahn hatten, auf den Punkt. Die Zweifel nämlich, ob eine Privatisierung der Bahn den Service für die Bahnkunden wirklich verbessern wird.

    Ein Börsengang der Bahn könnte im Gegenteil zu einem weiteren Abbau des Schienennetzes in Deutschland von derzeit 36.000 Kilometer auf etwa 30.000 Kilometer führen. Das befürchtet Winfried Wolf, Autor und Sprecher der Initiative "Bürgerbahn statt Börsenbahn" und Mitveranstalter der Tagung in Bad Herrenalb:

    "Die Erfahrungen im Ausland, in Neuseeland, Australien, USA und England, aber auch in Schweden sind ziemlich eindeutig: Man kann im Schienenverkehr heute, angesichts des Marktes, der vom Flugzeug oder Auto dominiert wird, keine großen Gewinne machen. Die Erwartung von privaten Investoren wird aber sein, große Gewinne zu machen.

    Das heißt, dass man Rosinenpickerei machen muss, sich auf die Hauptstrecken konzentrieren muss, die vielleicht profitabel sind oder auf Güterzüge, Ganzzüge europaweit, aber eben die Bahn in der Fläche weiter abbauen wird, oder sagen wird: Wir fahren in der Fläche nur dann, wenn die Subventionen zehn Jahre garantiert werden."

    Diese Subventionen gingen bei einer Börsenbahn dann aber an ein privates Unternehmen, über das es keine öffentliche Kontrolle mehr gäbe. Doch zurzeit fehle der Bahn ohnehin das Geld, das sie für einen Börsengang bräuchte, glaubt Dieter Ludwig. Ludwig ist Geschäftsführer des sehr erfolgreichen Karlsruher Verkehrsverbundes, der mit seinen Straßenbahnen auch im Schwarzwald und bis Heilbronn das Bahnnetz befährt.

    Um für Aktionäre attraktiv zu werden, müsse die Bahn zunächst Milliardensummen in die zunehmend marode werdende Infrastruktur investieren - Geld, das sie nicht habe, so Dieter Ludwig:

    "Sie braucht vier Milliarden, das haben wir damals ausgerechnet, um den Bestand betriebssicher und schnell zu erhalten und dieses Geld bekommt sie nicht, sie bekommt nur 2,5 Milliarden. Jetzt fehlen 1,5 Milliarden, das kann man ein oder zwei Jahre mal tun, wenn man es aber drei oder vier Jahre tut, dann geht die Substanz kaputt. Wir leben im Augenblick vom Raubbau an den Gleisanlagen."

    Auch das Zauberwort "Nutzerfinanzierung" sei kein Ausweg, um der Bahn das fehlende Kapital zu verschaffen, glaubt Dieter Ludwig. Trotz der großen Akzeptanz, die Ludwig mit seiner Karlsruher Stadtbahn auf stillgelegten Bahnstrecken zum Beispiel im Schwarzwald bei den Kunden erzielt: Auch seine Bahn bleibt langfristig auf öffentliche Mittel angewiesen:

    "Wenn wir eigenwirtschaftlich fahren müssten, müssten wir unsere Preise um 30 Prozent erhöhen und das ist zu viel. Da bleiben uns die Kunden weg, und ich habe in der Kasse nachher weniger Geld als zuvor."

    Als Alternative zur Börsenbahn wurde im Schwarzwald am Wochenende immer wieder das Bahnsystem der nahe gelegenen Schweiz ins Blickfeld gerückt. In einer Volksabstimmung bereits im Jahr 1987 hätten sich die Schweizer für den Erhalt der Flächenbahn ausgesprochen, berichtete Professor Wolfgang Hesse von der Universität Marburg.

    In den vergangenen Jahrzehnten sei deshalb anders als in Deutschland das Schienennetz des Nachbarlandes komplett erhalten worden. Inzwischen habe man im Fernverkehr zwischen allen wichtigen Schweizer Städten einen Halbstundentakt. Und die große Fahrplanumstellung im Dezember 2004 habe noch einmal einen Schub für das Bahnfahren in der Schweiz gebracht, so Wolfgang Hesse:

    "Zwölf Prozent mehr Züge, von einem Tag auf den anderen, vierzehn Prozent mehr Zugkilometer. Wir haben im Fernverkehr fünfzig Prozent, also jede zweite Verbindung um mindestens fünf Minuten schneller und knapp dreißig Prozent der Verbindungen, das ist immerhin noch ein knappes Drittel, um mindestens fünfzehn Minuten schneller."

    Europa-, ja wahrscheinlich weltweit sei die Schweizer Bahn das Vorbild in Bezug auf die Marktanteile beim Personen- und Güterverkehr. Beim Kundenservice besteche vor allem die Sauberkeit und Pünktlichkeit der Schweizer Bahnen, unterstreicht Winfried Wolf von der Initiative "Bürgerbahn statt Börsenbahn":

    "Aber eben als Staatseigentum, wenn auch sehr dezentralisiert. Das ist auch unser Vorbild, also nicht der zentralisierte Staatseigentümer, sondern eben auf kantonaler Ebene, kommunaler Ebene, wo eben auch die relativ große Bürgernähe da ist, die dann ihre Bahn, Oberalb-Furka-Bahn oder Rhätische Bahn verteidigen."