Die Heilbronner Straße beginnt am Stuttgarter Hauptbahnhof und führt in Richtung Ortsteil Zuffenhausen. 60.000 Autos fahren hier jeden Tag. Immer wieder einmal gibt es Änderungen im Verlauf einzelner Fahrspuren, wer regelmäßig in Stuttgart unterwegs ist, hat sich daran längst gewöhnt.
Was sich unter der Straße abspielt, das bekommt man als Autofahrer nicht mit. Am Anfang der Heilbronner Straße befindet sich unter der Erde eine der spektakulärsten Baustellen Deutschlands.
"Hier stehen wir jetzt vor der alten U12 Röhre, die sich jetzt im Abbruch befindet, man kann noch schön die Leitungshalter an den Außenwänden erkennen. Oben drüber befand dich der Fernheiz-Medienkanal, der in diesem Bereich schon vollständig zurückgebaut ist."
In Stuttgart gibt es mittlerweile zwei Welten: eine oberirdische und eine unterirdische. Michael Pradel steht vor einer riesigen Baugrube. Als technischer Projektleiter ist er für den Bereich Nordkopf beim Bahnprojekt Stuttgart 21 zuständig. Er schaut hinab in etwa zwölf Meter Tiefe, langsam entsteht hier die Fläche für den neuen Bahnhof in Stuttgart.
Bahndirektion schwebt auf Pfählen
"Ich habe vorher eine U-Bahn in Rotterdam gebaut und drei Hochhäuser. Also wenn man so ein Angebot bekommt, in Stuttgart 21 den Bahnhof zu bauen, dann ist es schon etwas Besonderes", sagt der 45 Jahre alte Ingenieur und schaut dabei auf meterlange Pfähle, die ein Gebäude darüber stützen.
"Das sind die Großbohrpfähle, auf denen die DB Direktion jetzt steht."
Auf den Pfählen schwebt sozusagen ein Teil der früheren Bahndirektion. Im Bereich Nordkopf gilt die Unterfangung des rund 15.000 Tonnen schweren Gebäudes als eine der größten technischen Herausforderung.
Der erhaltene Teil der früheren Bahndirektion steht unter Denkmalschutz, Stadtverwaltung und Gemeinderat wollten das über 100 Jahre alte Bauwerk gegenüber dem Stuttgarter Hauptbahnhof behalten. Das hat seinen Preis, den Projektleiter Pradel bei einer Pause in einem Container für die Bauaufsicht nennt:
"Wenn die DB Direktion nicht da wäre, könnten wir uns diese ganzen Verkehrsphasen, die wir jetzt im mehrmaligen Verschwenken in der Heilbronner Straße haben, mit allem, was es da gibt, das könnte man sich alles sparen. Da reden wir schon in Summe von 50 Millionen (Euro)."
Auch unter der früheren Direktion liegt künftig ein Teil des unterirdischen Stuttgarter Bahnhofs. Es geht voran auf einer der größten europäischen Baustellen, betont Jörg Hamann, Sprecher des Bahnprojekts:
"Fernbahntunnel Richtung Feuerbach ist nahezu fertig und die S-Bahnröhre muss noch im Bereich des Neckars zum Rosensteinpark vorgetrieben werden."
Längster Tunnel ist bald geschafft
Die ersten Züge werden jedoch frühestens in sechs Jahren, Ende 2025, unterirdisch in Stuttgart einfahren. Frühere Pläne sahen das Bauende im Jahr 2021 vor. Das war allerdings nicht zu halten.
Auch den geplanten Kostenrahmen musste die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr korrigieren: Statt 6,5 Milliarden Euro kommt das Bahnprojekt auf zurzeit 8,2 Milliarden Euro Baukosten. Allerdings zählt zu Stuttgart 21 mehr als der tiefergelegte Bahnhof:
"Dieses umfasst neben dem Hauptbahnhof hier drei weitere Bahnhöfe: oben am Flughafen, Abstellbahnhof Untertürkheim, S-Bahn-Station Mittnachstraße. Und vor allen Dingen sind für dieses Projekt 59 Kilometer Tunnel zu graben, unterhalb der Landeshauptstadt."
Von 59 Kilometern sind mittlerweile 43 Kilometer gegraben beziehungsweise vorgetrieben, wie die Experten sagen:
"Und zwar ohne dass es zu größeren Problemen gekommen wäre. Wir werden in diesem Jahr den längsten Tunnel des gesamten Projektes, den Fildertunnel, der die Verbindung schafft, zwischen dem Talkessel und dem Flughafen oben, mit einer Länge von 9,4 Kilometer, im Rohbau komplett fertiggestellt haben."
Während die Baustelle im Herzen der Stuttgarter Innenstadt relativ reibungslos voran geht, gibt es außerhalb Stuttgarts neckaraufwärts in Richtung Esslingen größere Probleme. Ein Teil des Untergrunds dort musste in der Vergangenheit mit großen Mengen Zementpaste stabilisiert werden.
"Deswegen muss man den Wasserandrang in anderer Weise beherrschen, da ist man gerade in einer Testphase."
Der Tunnelvortrieb dort ginge zwar weiter, so Bahnsprecher Hamann, aber mit großem technischem Aufwand. Im Moment sei man auf der Suche nach einem Verfahren, um dort den Tunnelvortrieb zu beschleunigen.