Während in der Berliner Konzernzentrale der Deutschen Bahn der Aufsichtsrat tagte, wurde vor der Tür - mal wieder - lautstark demonstriert. Ein paar Dutzend Mitglieder des Aktionsbündnisses gegen den Bahnhofsumbau waren extra aus Baden-Württemberg angereist, um die Bahnspitze anzuzählen. Vor allem wegen der jüngsten Kostenkalkulationen des umstrittenen Bauprojekts. Eisenhart von Loeper, der Sprecher des Aktionsbündnisses:
"Der Finanzrahmen ist jetzt um mehr als 1,5 Milliarden gestiegen. Und die Zeitverzögerungen gehen bis Ende 2025. Das ist keine Kleinigkeit. Das Projekt läuft in jeder Hinsicht aus dem Ruder."
Am Nachmittag billigte der Aufsichtsrat den neuen finanziellen und zeitlichen Rahmen des Bahn-Vorstands. Konkret: Der bundeseigene Konzern geht nun von 7,7 Milliarden Euro Kosten aus, hinzu kommt ein Finanzpuffer von knapp 500 Millionen für - so wörtlich - unvorhergesehene Risiken". Somit können die Gesamtkosten auf bis 8,2 Milliarden Euro steigen. Bislang lag der Kostenrahmen, der allerdings in der Vergangenheit des Öfteren schon nach oben korrigiert werden musste, bei rund 6,5 Milliarden Euro.
Gestiegene Preise, aufwendigere Verfahren
In der Sondersitzung des Aufsichtsrats, so heißt es in einer schriftlichen Mitteilung des Konzerns, habe der Vorstand glaubhaft darlegen können, dass die Fortführung des Bahnprojekts wirtschaftlicher sei als der Abbruch.
Die Bahn verweist auf gestiegene Baupreise. Hinzu kommen aufwendigere Genehmigungsverfahren und Probleme bei der Bodenbeschaffenheit vor Ort. Bahnchef Rüdiger Lutz hatte dies bereits im Vorfeld der Sitzung konkretisiert:
"Wir haben eine ganze Reihe von Planfeststellungsabschnitten, wo wir noch keine finale Planungsgenehmigung haben. Aufgrund von Dingen wie Artenschutz und vielen anderen mehr. Und es geht auch um geologische Besonderheiten, die schon bekannt sind - Stichwort: Anhydrit. Das muss neu in die Betrachtung miteinbezogen werden. Wie baut man dort, wie lange dauert es? Das sind die Themen, die im Moment auf dem Tisch liegen."
Kritiker sprechen von Fehleinschätzungen des Konzerns
Für Stuttgart-21-Gegner sind diese Argumente keine Neuigkeiten. Sie sprechen von einer Fehleinschätzung des Konzerns. Es sei längst bekannt gewesen, dass der Untergrund Stuttgarts mit Anhydrid, einem Mineralgestein, durchzogen sei. Werde dies nass, quillt es auf, sagt Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21:
"Man muss sich vorstellen: Das Gestein quillt um 60 Prozent auf - das hat eine enorme Sprengkraft. Und führt - wie man von anderen Tunneln weiß - auch zu Streckenstilllegungen, die dann Monate an Verzögerungen hervorrufen. Das lässt eine Befahrbarkeit des Tunnels gar nicht zu."
Wer für die heute beschlossenen Mehrausgaben aufkommt - ist noch unklar. 2009 hatten die Bahn, der Bund, Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart vereinbart, die Kosten aufzuteilen. Allerdings gingen die Beteiligten damals noch von 4,5 Milliarden Euro aus. Seit heute weiß man, es könnten auch 8,2 Milliarden werden.