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Bahnrad-EM in Belarus
"Alles andere als vertretbar"

Die Bahnrad-EM in Minsk ist abgesagt. Eine gute Entscheidung sagen der deutsche Radsport-Präsident Rudolf Scharping und der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe. Bei der generellen Trennung von Sport und Politik sind sie hingegen deutlich unterschiedlicher Meinung.

Rudolf Scharping und Frank Schwabe im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Der deutsche Bahnradfahrer Stefan Bötticher im Keirin-Qualifikationslauf.
Die Bahnrad-EM wird doch nicht in Belarus stattfinden (AFP / ANDY BUCHANAN)
Die erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine in Minsk und die Inhaftierung des belarussischen Regimekritikers Roman Protassewitsch haben für große internationale Empörung gesorgt. Die EU hat etwa Wirtschaftssanktionen angekündigt.
Der Europäische Radsportverband hat am Donnerstag entschieden, die Bahnrad-EM nicht in Belarus auszutragen – sie sollte eigentlich im Juni starten. Am Dienstag hatte schon der Bund Deutscher Radfahrer verkündet, nicht teilnehmen zu wollen. Der Verbandspräsident und ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) sagte im Dlf:
"Das ist eine Kumulation von mehreren Brüchen internationalen Rechts und das steht in einer Linie mit Entwicklungen, die es in Belarus seit der sogenannten Präsidentenwahl gegeben hat. Und vor diesem Hintergrund waren wir der Meinung, dass in dieser besonderen Situation eine Austragung eines internationalen Sportereignisses, in dem Fall die Radsport-Europameisterschaft, alles andere als vertretbar wäre."
Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD).
Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD). (dpa /picture alliance/imageBROKER)
Er sei aber skeptisch, was die Vermengung von Sport und Politik angehe, oder sogar die Instrumentalisierung des Sports durch die Politik, erklärt Scharping.

"Denen gehen wir nicht auf den Leim"

Scharpings These der Trennung von Politik und Sport widerspricht Frank Schwabe, Fraktionssprecher für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der SPD im Bundestag. Ein Sportverband könne es sich nicht mehr leisten, apolitisch zu sein, die meisten Verbände seien auch schon weiter.
"Es gibt Veranstaltungen in Ländern, die mit Menschenrechten nicht gut umgehen, die fragwürdig sind. Aber es gibt auch manche Ereignisse, die sind absolut absurd. Und die sind eben nur dafür da, um bestimmte Regime reinzuwaschen. Und ich finde, da muss ein Sportverband sagen, dort finden bestimmte Veranstaltungen auch gar nicht statt. Denen gehen wir nicht auf den Leim."
Frank Schwabe (SPD), menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Frank Schwabe (SPD), menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion (Deutschlandradio)
Die Grenze sei aber nur schwer zu ziehen. Amnesty International etwa wolle die Fußball-WM in Katar nutzen. Schwabe ist skeptischer und nennt Katar und Aserbaidschan als Beispiele für Länder, die sich mit Veranstaltungen reinwaschen wollten. Die Absage der Bahnrad-EM unterstützt aber auch er. Auch aus Gründen der Sicherheit der Athletinnen, Athleten, Journalistinnen und Journalisten.

"Dann wird das eine ziemlich kleine Welt"

Schwabe sieht einen positiven Einfluss der Politik auf Sportverbände. Die reagierten auf Debatten und Regularien – etwa im Rahmen der Europarats oder der Vereinten Nationen.
Schwabe und Scharping sind sich einig, dass Sportveranstaltungen nicht nur in menschenrechtlich problemlosen Ländern laufen können, weil damit zu viele Länder ausgeschlossen würden.
Deutsche Fußball-Nationalelf mit Buchstaben auf Trikots, die zusammen "Human Rights" ergeben
Menschenrechte im Sport - Bundesregierung: UN-Prinzipien bei Sportevent-Vergabe einhalten
Bei der Vergabe von Großveranstaltungen durch die Sportverbände sollten aus Sicht der Bundesregierung auch Menschenrechte berücksichtigt werden. Dass durch eine Vergabe eines Sportgroßevents die Menschenrechtssituation grundsätzlich verbessert werden könnte, hält die Bundesregierung eher für nicht möglich.
Scharping verteidigt deswegen die Bahnrad-WM in Turkmenistan im Oktober, obwohl in dem Land laut Amnesty International schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind:
"Wenn wir alles mit Sanktionen belegen wollen, was uns nicht passt - auch an zum Teil schweren Menschenrechtsverletzungen - dann wird das eine ziemlich kleine Welt, in der wir uns bewegen, leider Gottes."

"Keinen Sinn in Sanktionismus zu verfallen"

Vieles sei Sache der Politik, sagt Scharping, der Sport könne Brücken bauen, Verständnis fördern, Austausch ermöglichen. Der Sport habe eine Beziehung zu den Menschen eines Landes und nicht zu Regimen. Auch im Bezug auf Belarus spricht Scharping von einer Abwägung und will nicht generell Sportveranstaltungen in problematischen Ländern ausschließen:
"Es hat keinen Sinn, da in einen Automatismus von Sanktionismus zu verfallen, sondern das nüchtern zu betrachten und die jeweilige Situation zu bewerten."
Aus Sicht der Athleten hofft Scharping nun, dass es im europäischen Verband noch gelingt, die mit Blick auf die Olympischen Spiele wichtigen Europameisterschaften kurzfristig in einem anderen Land als Belarus auszutragen.