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Bahnrad
Vogel ist die erfolgreichste Athletin

Spätestens seit ihrem Olympiasieg von Rio ist Kristina Vogel das Gesicht des Bahnradsports in Deutschland. Und jetzt ist sie es auch weltweit. Die Zahlen sprechen Bände: Niemand hat mehr Weltmeistertitel im Bahnradsport errungen.

Von Holger Gerska |
    Kristina Vogel jubelt bei der Bahnrad-WM in Apeldoorn
    Kristina Vogel jubelt bei der Bahnrad-WM in Apeldoorn (imago sportfotodienst)
    Nicht einmal der große Sir Chris Hoy – der sechsmalige Olympiasieger aus Großbritannien - hat so viele Weltmeistertitel wie Kristina Vogel. Er kommentierte in Apeldoorn ihren WM-Titel für die BBC so:
    "Sie ist ein Phänomen. Diesmal hatte Stephanie Morton einen Geschwindigkeitsvorteil, aber Kristina hat das mit Taktik und Erfahrung gemacht. Das war so beeindruckend!"
    "Spaß haben, Vollgas fahren"
    Die so Hochgelobte gab sich hier ganz bescheiden. Von Wettkampf zu Wettkampf denken. Eine WM wie eine Fahrt durch einen Tunnel erleben. Kristina Vogel hat für sich ganz eigene Qualitätsmaßstäbe entwickelt:
    "Spaß zu haben, Vollgas zu fahren, sauber zu fahren und gucken, was dabei rauskommt. Ich bin dann immer noch "In Competition" irgendwie. Der Stolz und das Realisieren kommt bei mir immer erst danach."
    Entwicklungen, die sie in Rage bringen
    Inzwischen genießt sie auch die Anerkennung und Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit. In den letzten beiden Jahren landete sie in den Top Vier bei der Umfrage nach Deutschlands Sportlerinnen des Jahres. Sie ist ganz gut vernetzt und engagiert sich im neu gegründeten Verein "Athleten Deutschland". Es gibt da Entwicklungen im deutschen Spitzensport, die sie so richtig in Rage bringen:
    "Zum Beispiel jetzt im Wintersport: Da gibt es eine Snowboarderin, die macht ihren Job und nimmt einen Kredit auf, um zu den Olympischen Spielen zu fahren. Das kann es doch nicht sein, oder? Also: Sportreform hin oder her. Natürlich haben wir nur ein gewisses Kontingent an Geld im Jahr. Andere Nationen haben viel viel mehr – auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - aber: Ich verstehe schon, das gut gehaushaltet werden muss. Verstehe ich alles, aber ich hoffe, dass da viele wach werden und ich hoffe auf den neuen Innenminister, dass der vielleicht auch merkt: Ein, zwei, drei Märkchen mehr wäre auch ganz schön."
    Politik geht nicht von heute auf morgen
    Kristina Vogel wirkt – wenn sie über solche sportpolitische Themen spricht - genauso engagiert wie bei Problemen im eigenen Sport. Vor einem Jahr wurde sie in die neue Athletenkommission des Weltradsportverbandes gewählt. Je zwei Sportler aus den UCI-Sparten wie Straßenradsport, Mountainbike, BMX und Cross und natürlich auch Bahnradsport sind für vier Jahre gewählt. Getroffen haben sie sich allerdings erst ein Mal:
    "Ich bin mittlerweile alt genug, dass ich weiß: Politik geht nicht von heute auf morgen. Das dauert. Man muss viele Sachen ansprechen, viel Überzeugungsarbeit leisten und das ist ein langer Weg für einige Sachen, aber ich bin guter Dinge, dass das was wird."
    Hoffnung auf Übertragungen
    Diese Sachen sind zum Beispiel Übertragungszeiten im Fernsehen. Auch während dieser für Deutschland sehr erfolgreichen und stimmungsvollen WM liefen daheim stundenlang Eisschnelllaufen und Skilanglauf. Dabei hat der Weltverband extra ein dem Wintersport entsprechendes System mit sechs Weltcups im Winter und einer anschließenden WM als Saisonhöhepunkt etabliert:
    "Ich sage mal: Für die, die gut fahren ist es immer leichter als für kleinere Nationen, die schlechter fahren. Aber ich bin froh über unseren großen Wettkampfkalender, dass wir uns breit aufstellen können. In der Hoffnung, dass in vielen Ländern auch Übertragungen im öffentlich-rechtlichen und im privaten Fernsehen stattfinden."
    "Nicht so schnell schießen"
    Und das Thema Gerechtigkeit im Anti-Doping-Kampf. Bei den Olympischen Spielen von Rio war Kristina Vogel mit interpretierbaren Aussagen über das Leistungsvermögen der britischen Radsportler aufgefallen. Nicht erst jetzt als Athletensprecherin rudert sie zurück:
    "Die ganze Anti-Doping-Geschichte, die liegt nicht an der UCI, sondern extern an den Anti-Doping-Agenturen der Welt. Auch da weiß ich mittlerweile andere Sachen, dass man nicht so schnell schießen sollte wie in einigen Kommentaren, die man dazu hat."
    Angehende Sportpolitikerin
    Auch wenn es um den prominentesten aktuellen Fall geht, beteuert Vogel:
    "Zum Beispiel auch bei Chris Froome und der Vuelta-Etappe, wo der positiv war. Da heißt es auch: UCI – warum nicht früher? Die wissen das gar nicht, die bekommen das erst viel später mit. Und mussten dann nachträglich einen Kommentar abgeben. Man kann es am Ende selber reflektieren und dann lernt man so ein paar andere Wege auch ein bißchen besser kennen. Was nicht heißt, dass das gut ist, was da so passiert. Zeigt aber auch: Das ist ein langer Weg."
    Es war ein langer Weg zur erfolgreichster Bahnradsportlerin aller Zeiten, zumindest bei Weltmeisterschaften. Sie hat dieses Ziel erreicht. Für die anderen Ziele als angehende Sportpolitikerin braucht Kristina Vogel wohl einen ebenso langen Atem.
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