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Bahnsitze ohne Schimmelpilze

Mirobiologie. - Der Wunsch der Bus- und Bahnkonstrukteure nach Fahrgastkomfort hat auch seine Schattenseiten. Die Polstersitze sind in der Regel Brutstätten für Schimmelpilze und Bakterien. Deshalb haben die Forscher der Hohenstein-Institute nun Fahrzeugsitze entwickelt, die nahezu keimfrei sind.

Von Thomas Wagner |
    Unterwegs mit dem Stadtbus – Glück hat, wer einen Sitzplatz bekommt. Doch nach einem genauen Blick auf die Polster relativiert sich die Freude darüber: Flecken überall, dazu ein modriger Geruch.

    "Wir haben es hier mit Mikroorganismen der unterschiedlichsten Art zu tun, Bakterien, Schimmelpilzen und den Sporen von Schimmelpilzen","

    erklärt Dr. Helmut Macha, Mikrobiologe der Hohenstein-Institute Bönnigheim. Und er weiß: Gerade auf Fahrzeugsitzen haben solche Schimmelpilze ideale Ernährungsgrundlagen: Einerseits findet sich dort stets organisches Material in ausreichender Menge wieder – angefangen von Haarresten über Hautschuppen bis hin zu Keks- und Vesperbrotresten. Andererseits gibt es dort auch genügend Flüssigkeit: Die Fahrgäste schwitzen, husten, setzen sich mit Regenkleidung auf den Sitz. Ergebnis: Gerade auf und im Sitz haben solche Pilze alles, was sie zu ihrem Wohlbefinden brauchen – und vermehren sich explosionsartig. Das gibt nicht nur hässliche Flecken und üble Gerüche. Das schlägt auch auf die Gesundheit. Macha:

    ""Außerdem bilden dann Schimmelpilze auch flüchtige organische Komponenten, die nicht der menschlichen Gesundheit zuträglich sind, die auch im Bereich des Nervensystems, aber auch im menschlichen Stoffwechsel Beeinträchtigungen herbeiführen können. Zu allerletzt bilden Schimmelpilze auch, einige von ihnen, sehr giftige Mikrotoxine, die, wenn sie in die Umwelt geraten, wenn sie in Lebensmittel geraten, sehr gefährlich werden können."

    Der Fahrzeugsitz ist also häufig eine Art "Giftküche" – Grund genug für die Forscher der Hohenstein Institute, über eine drastische Verminderung der Keime nachzudenken. Bei der Suche nach Abhilfe betrachteten sie zunächst die Struktur von gepolsterten Fahrzeugsitzen. Die sind meistens mehrstufig aufgebaut. Zum einen bestehen sie aus dem Oberstoff, auf dem der Fahrgast sitzt. Darunter befindet sich eine Zwischenschicht. Danach folgen Wattierung und Polsterkern. Dass sich organische Ablagerungen wie Kekskrümel oder Hautschuppen auf dem Oberstoff anlagern, lässt sich kaum vermeiden. Die Forscher aus Bönnigheim versuchen deshalb, die Zufuhr von Feuchtigkeit zu den einzelnen Sitzkomponenten zu unterbinden. Damit schalten sie eine wichtige Ursache der Schimmelpilzbildung aus. Dr. Jan Beringer, Textilchemiker der Hohenstein Institute:

    "Am Oberstoff kann man dementsprechend modifizieren, dass man Fasern nimmt, die wenig Feuchtigkeit aufnehmen; Polyester zum Beispiel; Wolle ist hier deutlich im Nachteil. Die Wattierung als Zwischenschicht der Polsterung besteht sehr häufig aus Fließstoffen, wo keine gute Luftzirkulation stattfinden kann. Hier kann man diesen durch Abstandsgewirke ersetzen. Und dann diffundieren praktisch Feuchtigkeit und warme Luft aus der Seite der Polster hinaus."

    Der Nutzer sitzt auf einen solchem Sitz dann buchstäblich auf dem Trockenen – was aber in diesem Fall von Vorteil ist: Die Flüssigkeit wird aus dem Sitz hinausgeleitet und die Schimmelpilz-Bildung unterbunden. Wichtig auch die Modifizierung des Materialaufbaus im Inneren, im Polsterkern: Hier gibt es verschiedene Konstruktionsvarianten; häufig werden Kunststoff-Schäume verwendet. Die ersetzt Jan Beringer durch einen ganz klassischen Sitzkern aus Metall:

    "Da ist der klassische gute, alte Federkern eigentlich das optimale, weil eigentlich nur eigentlich ein Metallgerüst da ist mit Federn. Und die Feuchtigkeit, die ich von oben her einschwitze, kann sehr gut nach oben abziehen. Bei einem Blockschaum, der also sehr dicht ist, also keine Poren hat, nicht atmungsaktiv ist, setzt sich die Feuchtigkeit rein und kann auch sehr schlecht wieder verdampfen."

    Den Labortest hat die Kombination der neuen, flüssigkeitsabweisenden Materialien bereits bestanden – und zwar mit Bravour, weiß Helmut Macha:

    "Im Labor erzielen wir schon Reduktionsunterschiede von drei Lockstufen. Drei Lockstufen bedeutet eine Keimreduktion von drei Zehnerpotenzen. Das sind 99,9 Prozent."

    Dennoch bleibt ein Problem: Die Herstellung der neuen, keimarmen Fahrzeugsitze ist wesentlich teurer als die Verwendung der bisherigen Materialien, die die Pilzbildung fördern. Und ob die "keim-armen" Sitze so schnell in Stadtbussen und S-Bahnen zum Einsatz kommen, ist angesichts der höheren Kosten fraglich. Um dennoch hygienisch auf einem guten Kurs zu fahren, empfehlen die Fachleute hier die einfachste Konstruktionsvariante, wie sie in S-Bahnen großer Städte längst üblich ist.

    "Das ist richtig – ein klassischer Holz- oder Plastiksitz ist aus mikrobiologischer Sicht viel besser als etwas Komfortables mit Polsterung."