Der aktuelle Streik sei "völlig maßlos" und "überflüssig", kritisierte Ulrich Weber, Personalvorstand der Bahn, im Deutschlandfunk. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer sei nicht bereit, sich mit der Bahn an einen Tisch zu setzen. Streit mit dem Konzern gibt es unter anderem, weil die GDL auch einen Tarif für die Berufsgruppe der Lok-Rangierführer verhandeln will, von denen ein Großteil in der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft vertreten ist. "Die EVG war bisher zuständig für diese Gruppe", führte Weber aus, die Deutsche Bahn wolle bei den Tarifverhandlungen keine Spaltung in diese Gruppe bringen. Die Bahn sehe keinen Sinn darin, gleiche Tätigkeiten unterschiedlich zu bezahlen.
Weiter sagte er, man appelliere an die GDL, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Eine Schlichtung sei ein übliches Mittel in einem Tarifstreit. GDL-Chef Claus Weselsky lehnt eine Schlichtung ab. Im ZDF hatte er gestern betont, man könne grundgesetzlich geschützte Rechte nicht schlichten lassen. Es sei gerichtlich geklärt, dass die GDL für ihre Mitglieder eigene Tarifverträge unabhängig abschließen dürfe.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Es gibt wohl kein Wortspiel, das noch nicht gemacht ist. Aber zu sagen, dass die Lage im Tarifkonflikt zwischen Deutscher Bahn und der Gewerkschaft der Lokführer „verfahren" ist, das trifft die Lage einfach. Sieben GDL-Streiks haben die Bahnkunden und Unternehmen über sich ergehen lassen. Streik Nummer acht hat für den Güterverkehr gestern begonnen, für den Personenverkehr heute Nacht um zwei.
Am Telefon begrüße ich Ulrich Weber, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn. Guten Morgen!
Am Telefon begrüße ich Ulrich Weber, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn. Guten Morgen!
Ulrich Weber: Guten Morgen, Frau Schulz!
"Dieser Streik ist völlig überflüssig, ist maßlos und durch nichts gerechtfertigt"
Schulz: Herr Weber, eine Woche Streik. Warum konnten Sie den Bahnkunden und den Unternehmen das nicht ersparen?
Weber: Ja, das frage ich mich auch. Wir haben in der letzten Woche zusammengesessen. Wir haben der GDL am 29. April ein Angebot zu allen maßgeblichen Forderungen und Fragen hingelegt. Das hat die GDL, ohne mit uns darüber zu reden, abgelehnt und sich entschlossen, einen weiteren Streik auszurufen. Ich verstehe es nicht. Dieser Streik ist völlig überflüssig, ist maßlos und durch nichts gerechtfertigt.
Schulz: Schuld ist die GDL?
Weber: Schuld ist die GDL insofern, als sie nicht mit uns am Verhandlungstisch versucht, zu Lösungen zu kommen. Es hilft nichts, Druck auszuüben nach dem Motto, wir streiken für unsere Rechte, und dann inhaltlich nicht bereit zu sein, mit uns über die Kernfragen zu reden.
Schulz: Aber, Herr Weber, die GDL musste Ihnen doch bisher unheimlich viele Verhandlungspositionen in sieben Streiks abtrotzen. Es ging im Herbst noch um die Frage, ob die GDL überhaupt abschließen darf für ihre Mitglieder. Warum muss sich die GDL in der Auseinandersetzung mit Ihnen eigentlich Selbstverständlichkeiten erkämpfen?
Weber: Das muss sie gar nicht. Wir haben nie der GDL abgesprochen, Tarifverträge mit uns abzuschließen. Wir haben nie der GDL abgesprochen, auch für Bordgastronomen oder Zugbegleiter Tarifverträge mit uns abzuschließen. Wir haben nur versucht, mit der GDL darüber zu reden, ob es nicht sinnvoll wäre oder sei, das gemeinsam mit der Gewerkschaft EVG zu tun, die diese Gruppen unter ihren Tarifverträgen bisher geregelt hat, und wir halten es unverändert für sinnvoll, keine Spaltung der Belegschaft zu provozieren, sondern für ein und dieselben Berufsgruppen identische Regelungen zu verabreden mit beiden Gewerkschaften.
"Das Thema Lok-Rangierführer steht für den Konflikt im Großen"
Schulz: Das Verfahren haben Sie jetzt ja auch bei verschiedenen Berufsgruppen schon verabredet. Es geht jetzt im Moment um die Lok-Rangierführer. Ist das Thema für die Deutsche Bahn wirklich so wichtig, dass Sie es deswegen auf diesen einwöchigen Streik ankommen lassen?
Weber: Das Thema Lok-Rangierführer steht für den Konflikt im Großen, weil auch für die Lok-Rangierführer gibt es existierende Tarifverträge. Es gibt ein Vergütungssystem, es gibt ein Arbeitszeitregime, was wir gerne auch mit der GDL diskutieren und weiterentwickeln und gegebenenfalls auch verändern. Aber wir können nicht von heute auf morgen das System für die Lok-Rangierführer, soweit sie GDL-Mitglieder sind, anders aufstellen als das, was existiert und verabredet ist. An dem Beispiel wird ja sehr plastisch und deutlich, was es bedeuten würde, für ein und dieselbe Gruppe unterschiedliche Regelungen in den maßgeblichen Fragestellungen zu haben.
Schulz: Aber Sie haben ja auch jetzt schon über 300 Betriebe. Sie haben mehr als 100 Arten von Zuschlägen. Welches Problem stellen da jetzt vor diesem Hintergrund die Lok-Rangierführer dar? Kann es sein, dass Ihnen da auch der Blick fürs große Ganze fehlt?
Weber: Das glaube ich nicht. Der Punkt ist ja hier, dass die EVG bisher zuständig war für diese Lok-Rangierführer, die GDL für die Gruppe der Lokomotivführer, und die GDL reklamiert seit Jahren auch eine Zuständigkeit für die Lok-Rangierführer und möchte sie in ihr Vergütungssystem für die Lokomotivführer integrieren. Da sagen wir, das kann perspektivisch so sein, aber lasst uns über Übergangsszenarien reden, um dort einen bruchlosen Transfer sozusagen sicherzustellen und keine Spaltung in diese Gruppe der Lok-Rangierführer zu bringen, weil wirklich nicht erkennbar und ersichtlich ist, warum es notwendig ist, gleiche Tätigkeit unterschiedlich zu vergüten, je nachdem in welcher Gewerkschaft ich bin.
"Wir appellieren an die Vernunft der GDL"
Schulz: Okay, Herr Weber. Jetzt gibt es diesen längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn, den Sie als - Sie haben, glaube ich, gerade unmäßig gesagt - bezeichnen. Das heißt, Sie ziehen wieder vor Gericht, riskieren wieder auch die Bauchlandung?
Weber: Wer spricht davon, dass wir vor Gericht ziehen? Wir appellieren an die Vernunft der GDL, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Wir haben vorgeschlagen, das Ganze mit Hilfe Dritter zu besprechen, damit diese Zuspitzung, diese Missverständnisse, dieses wechselseitige sich vorwerfen mal ein Ende hat, damit deutlich wird, dass wir über sachliche Positionen reden und verhandeln, dass es nicht um Personen geht oder um Grundsätze, um Dogmen. Wir brauchen dort Vernunft und Sachlichkeit und Objektivität.
Schulz: Und diese sachliche Diskussion führen Sie, indem Sie der GDL Unmäßigkeit vorwerfen, obwohl Gerichte das mehrfach anders gesehen haben und die Verhältnismäßigkeit bejaht.
Weber: Nein. Ich werfe der GDL vor, dass sie mit untauglichen Mitteln einen Konflikt versucht zu lösen. Ich kann die Struktur eines Tarifvertrages, ich kann die Zuständigkeit und die Regeln für einzelne Berufsgruppen nicht per Streik erkämpfen. Ich muss akzeptieren, dass da eine Gesamtbelegschaft ist. Wir reden über rund 160.000 Kolleginnen und Kollegen, die vernünftige Arbeitsbedingungen benötigen und die es nicht ertragen, wenn zwei Gewerkschaften darum kämpfen, wer denn mehr Einfluss hat und wer erfolgreicher ist in Tarifverhandlungen mit der Bahn.
"Eine Schlichtung ist ein übliches, ein professionelles Mittel"
Schulz: Aber die GDL ist ja nun mal in der Situation, dass sie auch Leute vertritt, auch Lok-Rangierführer, die sich ja aktiv dafür entschieden haben, sich von der GDL vertreten zu lassen. Das kann denen doch nicht auf die Füße fallen oder die können doch auch umgekehrt die GDL nicht vor den Kopf stoßen.
Weber: Ob Lok-Rangierführer sich entschieden haben, sich von der GDL vertreten zu lassen, kann ich nicht beurteilen, weil wir nicht wissen, wer Mitglied in welcher Gewerkschaft ist oder ob jemand Mitglied in einer Gewerkschaft ist. Das hat uns auch nicht zu interessieren. Gerade deshalb sagen wir ja, einheitliche Regelungen, liebe Gewerkschaften, lasst uns sie gemeinsam entwickeln und lasst uns wegkommen von diesem wechselseitigen Beäugen, wer hat bei welcher Berufsgruppe welchen Einfluss, wie viele Mitglieder, und wer hat die besseren Abschlüsse. Das bringt uns nicht weiter. Das ist ja der Ansatz, um voranzukommen zu sagen, lasst uns einen Dritten dazu nehmen, der hilft, uns die Dinge zu versachlichen, zu schlichten, zu moderieren, wie auch immer Sie es nennen wollen. Aber diese Diskussion, wie wir sie gerade führen, führt uns in der Tat nicht weiter.
Schulz: Aber das will ja die GDL gerade nicht, die Schlichtung. Was wollen Sie jetzt als nächstes machen?
Weber: Wir werden darauf beharren, dass wir in ein solches Verfahren gehen. Ich möchte gerne verstehen, welche Argumente die GDL einzuwenden hat. Ich habe bisher keine gehört, die gegen eine Schlichtung sprechen. Eine Schlichtung ist ein übliches, ein professionelles Mittel, in einem sich verhakenden Tarifstreit wieder an den Tisch zu kommen und zu Ergebnissen zu kommen, und von daher kann ich nicht nachvollziehen, wenn eine GDL sich dort wehrt.
Schulz: Ulrich Weber, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn, hier heute bei uns im Deutschlandfunk im Interview.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.