Nach zwei schwierigen Coronajahren geht es für die Deutsche Bahn finanziell wieder aufwärts. Doch auf dem Schienennetz offenbart sich für die Fahrgäste seit Monaten, was während der Pandemie zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten war: Es ist höchst sanierungsbedürftig. "Qualität und Pünktlichkeit sind derzeit nicht akzeptabel", sagt sogar Bahnchef Richard Lutz. Doch was muss geschehen, damit der Bahnverkehr in der Bundesrepublik besser wird? Ein Überblick.
Finanzierung und Preise der Deutschen Bahn
Wichtig für einen besseren Bahnverkehr ist mehr finanzielle Unterstützung durch die Politik. Langfristig benötigt das System Schiene laut Experten einen dreistelligen Milliardenbetrag. In der Bundesrepublik ist da noch Luft nach oben: Andere europäische Staaten geben pro Einwohner deutlich mehr für den Bahnverkehr aus als Deutschland.
Während das 9-Euro-Ticket für freie Fahrt in allen Regionalzügen ein Verkaufsrenner war, gab es bei Bahn-Mitarbeitern teils Unmut über eine Überlastung im Arbeitsalltag. Die Vorbereitungszeit für das von Juni bis August 2022 verfügbare bundesweit gültige Ticket war zu kurz, um rechtzeitig zusätzliches Personal zu gewinnen. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn war das 9-Euro-Ticket nicht gültig.
Am 13. Oktober 2022 haben die Verkehrsminister von Bund und Ländern sich grundsätzlich auf ein Nachfolgemodell geeinigt. Demnach wird es ein bundesweites Nahverkehrsticket für 49 Euro im Monat geben. Das sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Bremerhaven. Gedacht sei an ein Abonnement, das monatlich kündbar sei. In einer Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse Agentur vorliegt, heißt es, der Bund stelle ab 2023 hierfür 1,5 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Ziel sei eine Finanzierung durch die Länder in gleicher Höhe.
Unter den Bundesländern gab es lange keine einheitliche Position darüber, was für ein Ticket als Nachfolgemodell sinnvoll wäre. Diskutiert wurde über ein Monatsticket für 29, 49 oder 69 Euro. Unklar war auch, wie dies im Einzelnen finanziert werden solle.
Unabhängig davon soll in einer Bund-Länder-Runde über die komplizierten Finanzierungs- und Organisationsstrukturen des öffentlichen Personennahverkehrs beraten werden. Debattiert wird darüber, mehr Transparenz zu schaffen und die unübersichtliche Zahl der regionalen Verkehrsverbünde in vielen Bundesländern zu reduzieren.
Pünktlichkeit und Service bei der DB
Ein Dauerthema bei der Bahn: die (Un-)Pünktlichkeit. Fast jeder dritte Zug war im ersten Halbjahr mehr als fünf Minuten zu spät. Ein Grund dafür: Die Reisenden kehren nach zwei Corona-Krisenjahren wieder zurück in die Züge. 2022 wird die Fahrgastzahl im Fernverkehr laut DB leicht unter dem Rekordwert aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 liegen, als es rund 151 Millionen waren. "Leider kann die derzeitige Schieneninfrastruktur nicht mit dem Verkehrszuwachs mithalten", erklärte die Bahn den Bahncard-Inhabern im August 2022 in einer Mail. Mehr Staus auf der Schiene und Verspätungen seien die Folge.
Bahnreisende sollen angesichts vieler Verspätungen längere Umsteigezeiten auf hunderten Fernverbindungen einplanen. In der Fahrplanauskunft und im Buchungssystem würden dafür standardmäßig einige Minuten mehr eingestellt. Außerdem sollen knapp 1.000 zusätzliche Mitarbeiter in Fernzügen und auf Bahnhöfen zum Einsatz kommen. Sie sollen Fahrgästen etwa beim Ein- und Aussteigen und bei der Suche nach ihrem Sitzplatz helfen.
Ein weiteres Dauerproblem: die sogenannte Aufenthaltsqualität. Ein Beispiel: Nur etwa die Hälfte aller 295 Bahnhöfe, Stationen und Haltepunkte im Bereich des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) war 2021 in einem guten Zustand. Das ging aus dem im Frühjahr 2022 veröffentlichten aktuellen Stationsbericht des VRR hervor. Das war ein besseres Ergebnis als im Vorjahr. Aber immer noch klagen viele Kunden über Müll und sonstige Mängel in und rund um Bahnhöfe sowie in den Zügen. Die Bahn reagiert darauf unter anderem mit Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften. Die Reisenden werden aufgefordert, Müll und Mängel zu melden.
Infrastruktur und Modernisierung der Deutschen Bahn
Ein Grund für die vielen Verspätungen ist die große Zahl von Baustellen. Die Bahn kämpft gegen einen Sanierungsstau. Mehr als 17.500 Kilometer Schienen und 1.000 Eisenbahnbrücken sind sanierungsbedürftig. Das geht aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor.
Im Juni 2022 kündigte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) an, dass der Bund das marode Schienennetzes der Bahn grundlegend sanieren wolle. Die ersten Arbeiten an überlasteten Strecken sollen demnach 2024 starten. "So wie es ist, kann es nicht bleiben", sagte Wissing. "Ich will die Probleme angehen und lösen, indem ich sie zur Chefsache mache." Ein besserer Schienenverkehr sei unerlässlich auch für die Klimaziele der Regierung. Die genaue Investitionssumme nannte Wissing nicht.
Die Nutzungsintensität auf dem Schienennetz hat sich seit der Bahnreform 1994 bis 2021 um mehr als 60 Prozent erhöht. "Im Moment ist auf unseren Netzen so viel los wie nie zuvor", sagte Bahn-Chef Richard Lutz. Mehr Verkehr auf einer ohnehin schon knappen und durch Baustellen noch zusätzlich eingeschränkten Infrastruktur führe zu Staus und Verspätungen im Personen- und Güterverkehr, so Lutz im Juni.
Das hochbelastete Netz, rund zehn Prozent des Gesamtnetzes, erstreckt sich derzeit über rund 3.500 Streckenkilometer und ist bereits ohne Baumaßnahmen im Schnitt zu 125 Prozent ausgelastet. Zu den besonders belasteten Strecken zählen unter anderem Strecken an Rhein und Ruhr, in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart. Das Baustellen-Management soll besser werden durch eine sogenannte Korridor-Sanierung. Die Idee ist, hochbelastete Korridore gebündelt bei Baustellen zu sperren und über eine Alternativstrecke zu umfahren. Ebenfalls ab 2024 soll eine neue Infrastruktur-Gesellschaft an den Start gehen. Debattiert wird vielerorts auch über Reaktivierung alter Bahnstrecken.
Quellen: Nadine Lindner, Axel Schröder, Dieter Nürnberger, dpa, Reuters, tei