Archiv

Bakterien oder Viren?
Neuer Schnelltest zur Bestimmung von Krankheitserregern

Um zu entscheiden, ob dem Patienten ein Antibiotikum helfen könnte oder nicht, muss der Arzt wissen, ob der Infekt von Bakterien oder Viren ausgelöst wurde. Das ist bisher nur mithilfe von zeitaufwendigen und nicht immer zuverlässigen Tests möglich. Eine israelische Firma hat nun ein Verfahren entwickelt, der das zu ändern verspricht.

Von Magdalena Schmude |
    "Das Problem ist, dass sich bakterielle und virale Infektionen klinisch oft nicht unterscheiden lassen. Die Symptome von Viren und Bakterien sind oft sehr ähnlich, das ist ein Teil des Problems."
    Eran Eden ist System-Biologe und Geschäftsführer der Medizin-Diagnostik-Firma MeMed, die dieses Problem lösen will. Denn dir diagnostische Ungenauigkeit hat Folgen: Häufig werden in solchen Fällen Antibiotika verschrieben, ohne dass eine bakterielle Infektion - gegen die Antibiotika tatsächlich helfen würden - eindeutig nachgewiesen wurde.
    "Antibiotika sind nicht nur das am häufigsten verwendete Medikament der Welt, sie sind auch das am häufigsten falsch verwendete. Zum einen werden Antibiotika bei nicht-bakteriellen Infektionen eingesetzt, was total ineffektiv ist. Etwa jedes zweite Antibiotikum wird heute falsch verschrieben."
    Antibiotika häufigstes verwendetes Medikament der Welt
    Zum anderen erhalte einer von fünf Patienten trotz einer bakteriellen Infektion kein Antibiotikum, sagt Eran Eden. Was dazu führe, dass Krankheiten länger dauern und schwerer verlaufen.
    "Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig hat ernste Folgen. Es entstehen zum Beispiel mehr und mehr Bakterienstämme, die resistent gegen Antibiotika sind, was eine der größten Herausforderungen für das Gesundheitswesen ist. Antibiotika sind die Grundlage der modernen Medizin und die verlieren wir nach und nach."
    Um eine zuverlässige und schnelle Unterscheidung zwischen viralen und bakteriellen Infektionen zu ermöglichen und so den gezielten Einsatz von Antibiotika zu erleichtern, entschieden sich Eran Eden und sein Team vom üblichen Weg abzuweichen. Während bisherige Testmethoden darauf angelegt sind, direkt den Erreger nachzuweisen, wählten sie einen anderen Ansatz.
    "Wir entschieden zu schummeln. Und uns dabei auf das beste Messsystem zu verlassen, das es gibt: unser Immunsystem. Das ist der beste Weg, um bakterielle und virale Infektionen zu erkennen und gezielt zu bekämpfen. Alles was wir tun müssen ist, darauf zu hören."
    Komplett neuer Ansatz
    Die Theorie dahinter: Da das Immunsystem auf Bakterien anders reagiert als auf Viren, könne man anhand der Zunahme bestimmter Proteine im Blut erkennen, was einen Infekt ausgelöst hat. Dieser Ansatz ist nicht komplett neu, auch bisher gab es schon Diagnosemethoden, die die Immunreaktion des Körpers messen, um auf den Erregertyp zu schließen. Doch all diese Methoden hätten eine entscheidende Einschränkung, erklärt Eran Eden.
    "In der Medizin hat man sich in den letzten Jahren auf bakterielle Biomarker konzentriert. Deswegen haben wir gesagt: Was, wenn wir virale Biomarker finden könnten und diese mit den bakteriellen Faktoren kombinieren? Das könnte die Ergebnisse noch zuverlässiger machen."
    Um geeignete virale Faktoren zu finden, erstellten die Forscher zunächst eine Liste mit 600 potentiellen Biomarkern und untersuchten dann in einer klinischen Studie mit knapp 400 Probanden, wie sich das Niveau dieser Proteine im Blut der Probanden im Fall einer viralen oder bakteriellen Infektion verändert. Dabei stießen sie auf ein bisher wenig beachtetes Protein, das bei viralen Infektionen stark anstieg, bei bakteriellen Infekten dagegen sank.
    "Und wenn wir das mit bakteriellen Proteinen kombinieren, können wir eine Art Muster in der Immunreaktion erkennen. Damit können wir mit einer Genauigkeit von über 95 Prozent zwischen bakteriellen und viralen Infektionen unterscheiden."
    Der fertige Test wurde anschließend in einer Studie mit weiteren 400 Probanden erfolgreich getestet und wird derzeit an ausgesuchten Krankenhäusern in Israel in der klinischen Praxis erprobt. Anfang des nächsten Jahres soll er dann auch in Europa erhältlich sein.