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Bakterienspray statt Dusche?
"Je sauberer wir wurden, umso mehr Hautprobleme bekamen wir"

Wer sich waschen möchte, tut dies normalerweise mit Wasser und Duschbad. Eine US-amerikanische Firma rät nun stattdessen zu einem Bakterienspray - das stärke das Mikrobiom der Haut. Experten zweifeln aber am Nutzen des sogenannten "Motherdirt"-Sprays.

Von Nele Rößler |
    Zwei Füße, auf die der Betrachter schaut, als wären es seine eigenen, während er in der Badewanne liegt. Das Bad ist allerdings ein Moorbad, so dass die Füße ganz braun sind.
    Warum wälzen sich eigentlich alle Säugetiere im Schlamm? Und warum tut es der Mensch nicht auch, fragt eine US-Firma. (Imago/Gerhard Leber)
    Sprühregen von Muttererde, so heißt ein Spray, dass die US-amerikanische Firma AO Biome produziert. Verpackung: Eine Flasche, die an ein Deodorant erinnert. Kosten: 42 Euro. Inhalt: Wasser und Bakterien. Anstatt Mikroorganismen, die auf der Haut sitzen durch Waschen zu entfernen, soll das Motherdirt-Spray zusätzliche Bakterien auftragen. Probiotischer Joghurt für die Haut sozusagen. Die Vorstandsvorsitzende von AO Biome, Jasmina Aganovic erklärt:
    "Unser Hauptprodukt, AO Plus Mist, enthält eine Lebendkultur von Bakterien. Diese Bakterien haben vor langer Zeit auf unserer Haut gelebt, aber sie wurden entfernt, weil wir zu sauber waren. Sobald die Bakterien auf unserer Haut sind, wandeln sie die irritierenden Anteile unseres Schweißes um in Sachen, die sehr gut für unsere Haut sind."
    Säugetiere wälzen sich im Schlamm
    Die Bakterien in dem Spray sind ammoniakoxidierende Bakterien. Es gibt keine Studien dazu, ob diese Bakterien früher tatsächlich einmal auf der Haut der Menschen gelebt haben. Aganovic ist davon aber überzeugt:
    "Es ist unmöglich, dass wir dieses Bakterium nicht auf der Haut hatten. Einfach, weil sie in der Natur so weit verbreitet sind. Darüber hat einer unserer Firmengründer nachgedacht. Er hat versucht zu verstehen, warum alle Säugetiere sich im Schlamm wälzen. Und er kam zu dem Schluss: Wenn sie alle das gleiche Verhalten zeigen, scheint es für sie überlebensnotwenig zu sein."
    Der besagte Gründer von AO Biome ist der Chemiker David Whitlock. Er behauptet, seit 14 Jahren nicht geduscht zu haben: Er benutze nur das Spray mit den ammoniakoxidierenden Bakterien. Menschen, die im Selbstversuch das Motherdirt Spray gegen Duschen getauscht haben, berichten aber: Sie hätten sehr wohl angefangen nach Schweiß zu riechen.
    Lieber täglich mit Wasser waschen
    Für Cord Sunderkötter klingt das plausibel. Ammoniakoxidierende Bakterien alleine könnten nicht viel gegen Schweißgeruch ausrichten, so der Professor von der Universitätsklinik Halle. Er sagt über AO Biome:
    "Die beziehen sich auf den Ammoniak der im Schweiß manchmal enthalten ist. Aber da sind ja noch andere Substanzen und auf die kann dieses ammoniakoxidierende Bakterium meines Wissens nach keinen Einfluss nehmen. Also wenn man jetzt dieses Spray nimmt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man da nicht gewisse Gerüche entwickelt."
    Sunderkötter rät, den Bereich unter den Achselhöhlen, den Intimbereich sowie die Füße täglich mit Wasser zu waschen. Vom ständigen Gebrauch von Seife rät aber auch er ab.
    "Um das Mikrobiom habe ich gar nicht soviel Sorge, wenn sich jemand viel duscht und wäscht. Das erneuert sich immer wieder. Aber um den Säureschutzmantel, um die Hautfette, das wird beeinträchtigt durch die Seife."
    Erbgut und nicht Spray bestimmt Hautbesiedlung
    Das Bakterienspray aus den USA soll aber nicht nur gegen Achselschweiß helfen, sondern auch gegen Hautkrankheiten wie Akne, Rosacea, Schuppenflechte und Neurodermitis. Studien haben gezeigt, dass diese Krankheiten oft auch mit dem Mikrobiom in Verbindung gebracht werden. Die Dermatologin Karin Loser vom Universitätsklinikum Münster ist allerdings skeptisch, ob das Bakterienspray wirklich einen positiven Effekt haben kann.
    "Meine Gene bestimmen, was für Bakterien sich besonders gern auf meiner Haut ansiedeln, von daher ist es nicht unbedingt zu erwarten, dass die Benutzung eines solchen Sprays zu einer dauerhaften vollständigen Änderung oder auch Umkehr des Mikrobioms beitragen kann."
    Hautkrankheiten gab es schon immer
    Auf seiner Website behauptet AO Biome wörtlich: "Je sauberer wir wurden, umso mehr Hautprobleme bekamen wir". Der Medizinhistoriker Hans-Georg Hofer von der Universität Münster sieht das anders. Denn die Daten belegen: Auch bevor die Menschen in der westlichen Welt vor rund 150 Jahren begannen, mehr Seife zu verwenden, litten sie unter Hautkrankheiten:
    "Das ist belegt in zahlreichen Veröffentlichungen der damaligen Universitätsmedizin, an Kliniken und Instituten der Pathologie, der pathologischen Anatomie und eben der sich herausbildenden Kliniken für Hautheilkunde, die sich Ende des 19. Jahrhunderts immer stärker zu profilieren weiß."
    Der vermehrte Gebrauch von Seife führte also nicht dazu, dass alles schlechter wurde. AO Biome, das ursprünglich als Biotechnologie-Unternehmen gegründet wurde, will durch wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit des Motherdirt Sprays belegen.
    "Es ist sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten 12 bis 18 Monaten Studien veröffentlicht werden, die zeigen, was für eine Arbeit wir machen. Momentan sind sie aber noch nicht öffentlich zugänglich."
    Wer also erst einmal keine 41 Euro plus rund 33 Euro Versandkosten für ein Produkt ausgeben will, dessen Wirksamkeit fragwürdig ist, sollte vorerst auf konventionelle Produkte zurück greifen.