Man kann sich seine Nase so gründlich putzen wie man will, manche Untermieter lassen sich auf die Schnelle nur mit Medikamenten daraus entfernen. Das Bakterium Staphylococcus aureus zum Beispiel. Ein Drittel der Menschen in Deutschland tragen es mit sich herum, sagt Professor Karsten Becker, leitender Oberarzt am Institut für medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Münster.
"Wir konnten vor einigen Jahren zeigen, dass genau der Stamm, der bei einem Menschen die Nase besiedelt, dann gefährlich werden kann, wenn derjenige ins Krankenhaus kommt und dort zum Beispiel eine Operation vornehmen lassen muss. Dieser spezielle Stamm verursacht dann zum Beispiel Wundinfektionen oder kann auch Pneumonien verursachen, also Lungenentzündungen, oder auch alle anderen Organe des Körpers infizieren und entsprechende Erkrankungen hervorrufen."
Besonders gefährlich sind Stämme, die inzwischen resistent gegen Antibiotika sind: Methicillinresistente Staphylococcus aureus, kurz MRSA.
"Weil die natürlich noch schwerer zu therapieren sind als ein normaler Staphylococcus aureus."
Um bei MRSA-Infektionen nicht hilflos zu sein, haben sich Karsten Becker und seine Kollegen eine Waffe von Feinden dieser Bakterien abgeschaut: von Bakteriophagen. Diese Viren befallen nicht Mensch oder Tier, sondern Bakterien. Sie dringen in die Bakterienzelle ein, vermehren sich darin und bringen sie schließlich zum Platzen, um die neuen Viren zu verteilen. Dazu verwenden die Phagen ein spezielles Enzym, dass die Bakterienzellwände zerstört: ein sogenanntes Endolysin.
"Und diesen Effekt macht man sich sehr einfach ausgedrückt zunutze, indem man solche ein Endolysin im Labor rekombinant herstellt und ganz spezifisch designt, sodass es sich sehr gut an Staphylococcus aureus anlagern kann und es zerstören kann."
Entwicklung eines Nasensprays
In der Petrischale hat das künstliche Lysin HY-133 seine Wirksamkeit schon unter Beweis gestellt. Die Münsteraner Mikrobiologen haben eine Sammlung von mehr als 1.200 Staphylococcus-aureus-Stämmen – darunter sowohl normale als auch antibiotikaresistente Bakterien. Alle hat das Lysin binnen Minuten abtöten können. Die Forscher entwickeln ein Nasenspray mit diesem Lysin. Die Vision: Es könnte vor einer OP verabreicht werden und so Infektionen verhindern.
"Wir haben natürlich in der Nasenhöhle ganz andere Verhältnisse. Da gibt es abgeschilferte Zellen, es gibt das Nasensekret, das ist viel schwieriger und deswegen muss man eben dieses Endolysin optimieren, insbesondere dahingehend, dass es sich nicht gleich zersetzt und dass es sehr spezifisch für Staphylococcus aureus wirkt und es sehr schnell Staphylococcus aureus eliminieren kann."
Das haben die Forscher in Zusammenarbeit mit einer Firma erledigt. Die Produktion für die Anwendung am Menschen wird gerade mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung aufgebaut. Danach können klinische Studien beginnen. In der Lebensmittelhygiene sind solche Lysine bereits im Einsatz, sagt Professor Herbert Schmidt, Mikrobiologe von der Universität Hohenheim.
"Ein Kollege von mir von der ETH in Zürich, der beschäftigt sich mit Listeria monocytogenes, das ist ein humanpathogenes Bakterium, das über Lebensmittel übertragen wird, und er hat von Bakteriophagen, die speziell Listeria monocytogenes befallen, diese Phagenlysine präpariert, und hat damit eben diese Listerien quasi von den Oberflächen von Lebensmitteln zerstört. Und das funktioniert sehr gut, es gibt Firmen, die das eben auch kommerzialisiert haben, und man kann das kaufen."
Gegen Lysine können Bakterien viel schwieriger Resistenzen entwickeln
Eine andere Firma hat ein Lysin entwickelt, mit dem sich MRSA auf gesunder Haut bekämpfen lassen. Der entscheidende Vorteil: Gegen Lysine können Bakterien viel schwieriger Resistenzen entwickeln als gegen Antibiotika. Das haben sie in Jahrmillionen nicht geschafft. Und es gibt unzählige Bakteriophagen, für jedes Bakterium gleich mehrere. Gegen jeden Erreger wird man sie dennoch nicht einsetzen können.
"Eiweiße können im Körper vielleicht eine Immunantwort hervorrufen, deswegen wird man sehr genau den Einsatzzweck prüfen müssen. Es gibt auch schon sehr schöne Arbeiten, da hat man jetzt Streptokokken, also die Bakterien, die jetzt Halsentzündungen hervorrufen. Die konnte man auch mit Bakteriophagen behandeln, indem man ein Spray entwickelt hat und das zum Beispiel auf die Schleimhäute gesprüht hat. Ähnlich könnte man sich das für die Staphylokokken vielleicht vorstellen, die besiedeln ja auch Schleimhäute."
Bis das Münsteraner Lysin jedoch am Menschen getestet werden kann, werden noch mehrere Jahre vergehen.