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Bakteriophagen
Suche nach den vergessenen Viren

Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien befallen. Lange waren sie in Vergessenheit geraten - zu gut funktionierten Antibiotika. Doch immer mehr Bakterien sind resistent gegen gängige Antibiotika. Deswegen hat sich eine Aachener Forschergruppe auf die Suche nach den Bakteriophagen gemacht.

Von Joachim Budde |
    Wer sucht, der findet. Und er findet das Gesuchte leichter, wenn er von vornherein dort sucht, wo es sich vermuten lässt. Eine Gruppe von Forschern des Instituts für medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Aachen hat genau nach diesem Prinzip gehandelt. Die Forscher suchen auf Bakterien spezialisierte Viren, Bakteriophagen, sagt Hans-Peter Horz:
    "Phagen können sich nur reproduzieren in Anwesenheit ihres Wirtes, und in Abwässern befinden sich offensichtlich eher diese Keime als in natürlichen Regionen, und deswegen haben wir auch bevorzugt in solchen Abwässern gesucht, und dort wurden wir auch am ehesten fündig."
    Die Aachener Forscher suchten nach Phagen gegen Bakterien der ESKAPE-Gruppe. Unter diesem Akronym werden Erreger zusammengefasst, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind. Dazu gehören Darmbakterien wie Escherichia coli, aber auch Keime, die auf der Haut oder in der Nase vorkommen wie Staphylokokkus aureus, sagt der Mikrobiologe.
    "Diese sechs kommen am häufigsten vor, weil sie sehr umweltresistent sind, und weil sie eben über viele Mittel verfügen, Resistenzen auch horizontal zu übertragen, das heißt, sie sind gerade im Krankenhaussetting extrem flexibel, und das macht halt dem Kliniker oder dem Patienten Probleme."
    Ansätze zur Phagentherapie gibt es schon seit 100 Jahren. Weil aber Antibiotika Bakterien lange Zeit so erfolgreich bekämpften, sind die Phagen in Vergessenheit geraten. In Ländern der früheren Sowjetunion gibt es in verschiedenen Instituten immer noch Sammlungen davon.
    "Theoretisch hätte man sagen können, wir nehmen einfach die Phagen, die schon existieren, aber es hat uns eben besonders interessiert, wieweit man für aktuelle bakterielle Stämme Phagen findet, denn die Bakterien mutieren ja auch über die Zeit, und wir wissen auch, dass die Bakterien an einem Ort, also eine Spezies an einem Ort A und dieselbe Spezies am Ort B im Genom sehr stark unterscheiden können und man dadurch nicht automatisch annehmen kann, dass ein Phage, der woanders isoliert wurde, auch wirklich an einem anderen Ort wirksam sein könnte."
    Die Forscher suchten nicht nur Phagen, die sich zum Beispiel auf Escherichia coli spezialisiert haben, sondern nach Aachener Phagen für Aachener Keime. Nicht für alle ESKAPE-Bakterien hatten sie Erfolg:
    "Wir haben verschiedene Phagen gefunden, die für 70 Prozent der getesteten Stämme auch aktiv waren, wobei für manche Erreger man eher Phagen finden konnte, besonders problematisch erschien es für Staphylococcus aureus, da haben wir überhaupt keine Phagen gefunden, zumindest nicht mit diesem ersten Ansatz."
    Dafür kann es mehrere Gründe geben: Es kann sein, dass Hans-Peter Horz und seine Kollegen die Phagen schlicht mit den falschen Bakterienstämmen geködert haben. Oder ihre Wasserproben enthielten so wenig Phagen, dass die sich in der Kürze der Versuche nicht genügend vermehren konnten.
    "Eine andere Möglichkeit ist, dass man diese Phagen typischerweise auf einem Nährmedium vorfindet in Form von Plaques oder Löchern, die sie in den Bakterienrasen machen, und es gibt Evidenzen, dass gerade die Plaques bei Staph aureus colinin sehr, sehr klein sind, es könnte sein, dass wir sie schlichtweg übersehen haben."
    Als nächstes untersuchen die Forscher die Sicherheit der Phagen.
    "Derart, dass Phagen letztlich auch das Potenzial haben können, sich in das Genom der Bakterien zu integrieren, das ist die unschöne Seite der Phagen, denn viele Virulenzfaktoren werden gerade eben durch diese Phagen auch auf Bakterien übertragen. Und deshalb müssen wir auf jeden Fall das Genom komplett sequenzieren, dass eben keine solchen Virulenzgene enthalten sind, auch keine Antibiotikaresistenzgene enthalten sind, und vor allen Dingen keine Gene, die darauf hindeuten, dass dieser Phage in das Genom integrieren kann."
    Grundsätzlich seien diese Versuche zu begrüßen, sagt Georg Peters, Direktor Institut für medizinische Mikrobiologie an der Universität Münster.
    "Wie überhaupt jeder Weg, der neben neuen Antibiotika, die wir ja auch nicht mengenmäßig haben, dazu führt, etwas zu haben, um multiresistente gram-negative Bakterien behandeln zu können, ist gut, aber das ist jetzt alles im Stadium der Grundlagenforschung. Und das ist überhaupt noch nicht abzuschätzen, ob das jemals wirklich in die klinische Anwendung kommt."