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Balkan-Konferenz
Serbiens Außenminister in Rage

Gemeinsam mit Großbritannien hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Staaten des Balkans zu stabilisieren. In der britischen Botschaft in Berlin trafen sich die Außenminister der Balkan-Länder, um zu diskutieren - doch das Panel drohte zum diplomatischen Fiasko zu geraten. Der serbische Außenminister Ivica Dačić wurde lauter.

Von Dirk-Oliver Heckmann |
    Ivica Dačić, Außenminister von Serbien, spricht am 05.11.2014 bei einer Podiumsdiskussion über Bosnien und Herzegowina in der britischen Botschaft in Berlin. Auf Einladung des britischen Außenministers Hammond und dem deutschen Amtskollegen Steinmeier treffen sich die Außenminister des Westlichen Balkans in die britischen Botschaft in Berlin zu einer Konferenz.
    Der serbische Außenminister Ivica Dačić traf in Berlin auf einem Panel unter anderem Frank-Walter Steinmeier und sein britischer Amtskollege Philip Hammond. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Alles deutete darauf hin, dass die Veranstaltung Diskutanten und Zuhörer gleichermaßen in eine Art Dämmerzustand versetzen würde. Da saßen ganze neun Personen auf dem Podium der britischen Botschaft, die Außenamts-Chefs des ganzen Balkans, dazu Frank-Walter Steinmeier und sein britischer Kollege Philip Hammond. In der Mitte: Eckart Stratenschulte, Leiter der Europäischen Akademie Berlin, dem die Aufgabe zukam, die Runde zu moderieren.
    Und das war keine leichte Sache. Alle Beteiligten - einer nach dem anderen - hatte in ähnlichen Gruß-Adressen den Plan gelobt, Bosnien-Herzegowina zu unterstützen.
    Roter Knopf
    Doch mit gleich seiner ersten Frage an den serbischen Außenminister Dačić drückte Moderator Stratenschulte so etwas wie einen roten Knopf. Stratenschulte erinnerte daran, dass der russische Präsident Putin vor nicht allzu langer Zeit in Belgrad Gast der größten Militär-Parade seit 30 Jahren gewesen ist, und dass Putin ausgezeichnet wurde für seine Verdienste für den Frieden - und das mitten in der Ukraine-Krise. "Ist Serbien ein sogenannter Swing-State?" Also ein Staat, der mal Richtung Westen blickt, und dann wieder Richtung Russland, fragt er noch.
    Der serbische Ober-Diplomat beginnt mit einem Witzchen:
    "Wir aus dem Balkan brauchen kein Mikrofon, um zu sprechen", meint Dačić, und hat erst einmal ein paar Lacher auf seiner Seite. Doch dann wird er für einen Top-Diplomaten ungewöhnlich deutlich:
    "Sie sind offenbar nicht gut informiert über die Lage auf dem Balkan", übersetzt die Dolmetscherin.
    Das ist der Grund, weshalb er gefragt habe, versucht Stratenschulte noch, die Situation zu retten. Aber Dačić lässt sich nicht beirren:
    "Die Frage, die der Moderator da stelle, komme 50 Jahre zu spät", redet sich Dačić in Rage. Schon 1948 habe Jugoslawien sich von Stalin abgewandt; da habe Ost-Berlin noch unter seiner Herrschaft gestanden.
    Die Zuhörer recken die Hälse. Gerät hier etwas aus dem Ruder? Oder macht Dačić einen Witz? Der sieht gerade gar nicht danach aus, sitzt aufrecht, und erhöht noch einmal die Lautstärke.
    "Ich entschuldige mich dafür, es offen auszusprechen", setzt er fort, zunehmend ohne die Übersetzung der Dolmetscherin abzuwarten:
    "Bitte respektieren Sie unseren ehrlichen Wunsch, Mitglied der Europäischen Union zu werden - das ist bei den meisten Ihrer Landsleute ja nicht der Fall!"
    Betretene Gesichter
    Betretene Gesichter auf dem Podium, das ein oder andere gequälte Lächeln. Der Moderator greift zum Wasser. Dačić brüllt. Um dann auf das Gas-Pipline-Projekt Southstream zu sprechen zu kommen. Weshalb tue der Moderator so, als sei Serbien das einzige Land, das den Vertrag mit Moskau unterschrieben habe? Italien, Ungarn, Österreich, Ungarn - haben die nicht auch unterzeichnet? Um mit dem Vorwurf zu gipfeln:
    Glauben die Deutschen, dass sie die einzigen sind, die das Recht haben, mit Russland zu handeln?
    Die zwei Minuten, die der Moderator jedem Redner eingeräumt hatte, sind längst deutlich überschritten. Aber niemand traut sich, Dačić zu stoppen. Das gibt dem serbischen Außenminister noch die Gelegenheit, mit einem Vergleich aufzuwarten, der möglicherweise viel über das Verhältnis zwischen dem Westen, Serbien und Russland heute aussagt:
    "Sie laden mich zum Geburtstag ein oder einer Art Jahrestag, im nächsten Jahr dann kommt keine Einladung mehr. Dann frage ich: Wieso bin ich nicht eingeladen worden? Und Sie antworten: Wissen Sie, das letzte mal hat der Schmuck gefehlt nach Ihrer Abreise. Und ich sage: Damit habe ich nichts zu tun! Und Sie: Ja, ich weiß, aber der schlechte Eindruck blieb zurück!"
    "Sie haben einen schlechten Eindruck von uns! Bitte ändern Sie Ihre Meinung!"
    Der Moderator ist ein wenig sprachlos, entscheidet sich aber, es auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber Dačić lässt nicht locker.
    Das Privileg des Moderators sei es, ignorant sein zu können - und Fragen zu stellen statt Antworten zu geben. Nach 5 Minuten 20 war Stratenschulte erlöst; die Episode aber zeigt: Auf dem Balkan ist die Gefahr auch heute noch groß, auf Tretminen zu treffen - und seien es nur diplomatische.