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Ballett-Rekonstruktion
Ein Erfolg von 1922

Oskar Schlemmer tanzte mit auf der Bühne, als 1922 sein "Triadisches Ballett" uraufgeführt wurde. Nun bringt das Bayerische Staatsballett in München das Stück erstmals nach 25 Jahren wieder auf eine Bühne - und das in einer gelungenen Rekonstruktion.

Von Wiebke Hüster |
    "10 Figuren zum Triadischen Ballett" von Oskar Schlemmer (1888-1943), hier 2009 ausgestellt im Museum Würth in Künzelsau.
    So sollen die Tänzer aussehen: Schlemmer hat "10 Figuren zum Triadischen Ballett" geschaffen. (picture alliance / dpa / Norbert Försterling)
    Das Triadische Ballett nannte Oskar Schlemmer so, weil er die Dreiheit liebte. "Die Drei", erklärte er, sei eine "eminent wichtige beherrschende Zahl, bei der das monomane Ich und der dualistische Gegensatz überwunden wird und das Kollektive beginnt."
    Das Kollektive begann für Oskar Schlemmer damit, dass er sein Ballett konstruierte für ein Stuttgarter Tänzerpaar, dem er selbst sich auf der Bühne zugesellte. Die Tänzer brachten nur wenige Bewegungsideen ein, Schlemmer musste da doch sein monomanes Ich aktivieren, um die schreitenden Tänze, Soli, Duette und Trios festzulegen. Schnell schlüpften die Tänzer hinter der Bühne in immer wieder neue seltsame Kostüme. Wie von einer Leinwand herabgestiegen, wirkten der schöne, hölzern klappernde Hampelmann, die Scheibentänzer, deren Oberkörper und Köpfe in diesen Scheiben steckten, als müssten gleich ein Zauberer vorbeikommen und einen riesig schweren Trick mit ihnen ausführen.
    Der große Rock sieht aus, als hätte man einen bunt gestreiften Brummkreisel aufgeschnitten und das obere Teil der Tänzerin umgehängt. Auf dem Kopf trägt sie einen Hut, der wie ein Bonbon aussieht. Ihre später auftretende Variante hat einen Rock aus pastellfarbenen Bällen umgeschnallt.
    Man weiß nicht mehr, wie das Triadische Ballett 1922 im Jahr seiner Uraufführung genau aussah. Oskar Schlemmer feierte einen großen Erfolg damit in Stuttgart. Und irgendwie passte es ja auch so interessant in die Zeit aufkommender Rationalisierungsprozesse und fortschreitender Industrialisierung, den menschlichen Körper in Teilen in geometrischen Formen zu verbergen und ihm die vollausgreifende, natürliche Bewegung unmöglich zu machen. Das Kuriose ist nur, dass Schlemmer das in ganz heiterer Weise tut. Ihm liegt daran, die von ihm ersehnte Synthese von Organischem und Künstlichem schön aussehen zu lassen. Mit fröhlichen Farben, mit festlichem Weiß, mit feierlichem Gold sind die Stäbe, Spiralen und Kugeln, die Halbkugeln und Scheiben geschmückt. Schlemmer lässt nach dem Experiment mit den Tänzern die gewonnenen ästhetischen Eindrücke in sein bildnerisches Werk zurückfließen.
    Nur selten gespielt
    Wie die Choreografie tatsächlich verlief, ist nicht mehr exakt nachzuvollziehen. Das Stück wurde nach den Stuttgarter Aufführungen nur noch sehr selten gespielt. Die aufwendigen Kostüme wollte Schlemmer bald verkaufen und es deprimierte ihn, dass er 1932 mit seinem Stück beim Choreographischen Wettbewerb gegen das berühmte Anti-Kriegsballett "Der grüne Tisch" von Kurt Jooss verlor.
    Die Fassung, mit der das Bayerische Staatsballett II, die JuniorCompany, derzeit in der Münchner Reithalle auftritt, stammt von 1977. Sie schuf der deutsche Tänzer und Choreograf Gerhard Bohner. Münchens Ballettdirektor Ivan Liska und seine Frau Colleen Scott tanzten von der Premiere an viele Jahre diese gefeierte und weltweit aus Gastspielen gezeigte Fassung. Kein Wunder, dass ihnen jetzt die Rekonstruktion so am Herzen lag und auch so gut geriet. Die unwahrscheinlich authentische Kostümrekonstruktion und Neufassung besorgte Ulrike Dietrich. Achtzig Minuten ist diese Version lang, was sich manchmal etwas hinzieht, nämlich immer dann, wenn die von Bohner damals in Auftrag gegebene Musik von Hans-Joachim Hespos, die hier vom Band kommt, klanglich wenig Assoziationen eröffnet.
    Bohners ebenfalls zurückhaltende Choreografie zeigt schlichte klassische Bewegungen für die auf Spitze tanzenden Ballerinen. Von den Ballets Russes und ihren choreografisch aufsehenerregenden modernen Werken mit neuer Musik und Bühnenbildnern wie Picasso ist Schlemmer ein ganzes Stück entfernt. Einigen berühmten Theaterleuten und Musikern, so wie Robert Wilson und Laurie Anderson hat Bohners Rekonstruktion viel bedeutet. Die Begeisterung der Avantgarde-Performerin Anderson zitiert das informative Programmheft: "Die Schlemmer-Tänze waren wirklich frisch und wunderschön, eine Reihe von Tänzen über Architektur...Und es war auch ein Schock, diese Art von Kontinuität zu spüren und zu merken, dass Künstler Ideen haben, die dann von anderen Künstlern benutzt werden und dass es überhaupt keinen Fortschritt gibt, sondern eine ganz, ganz lange sich rückwärts und vorwärts in die Zeit erstreckende Konversation."