Ein Mädchen liegt wie hingegossen auf dem Sofa, gespreizte Beine, der Rock ist hochgerutscht, die Bluse leicht geöffnet. Sie schaut in einen Handspiegel, während der Mann sich, Achtung, Bedeutung, ums hoch auflodernde Kaminfeuer kümmert. Titel: "Les beaux jours", die schönen Tage, gemalt 1944. Die Franzosen hatten damals ganz anderes zu tun, und die Tage waren nicht schön, aber der sich stets aristokratisch gebärdende Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus, bemühte sich auch in harten Zeiten hingebungsvoll um die jungen Frauen, bei klarem Rollenmodell.
Statt Pubertät "Verwandlung des Menschen"
Das Bild hängt in der Basler Balthus-Ausstellung, und auch die träumende Thérèse ist da, über die jetzt so viel geredet wird, gemalt 1938. Ein im Wortsinne reizendes pubertierendes Mädchen, das sinnierend leicht die Beine öffnet und so einen Blick unter den Rock gewährt, völlig selbstvergessen. Thérèse Blanchard, das Modell, kommt auf 12 Balthus-Gemälden vor, mal als mit ihrem Bruder spielendes Kind, mal als zartes Nymphchen, das sich aber seiner Lolita-Funktion noch gar nicht bewusst ist.
Die Fondation Beyeler sagt zur Ausstellung das Übliche: Die adoleszente Frau sei natürlich ein wichtiges Thema bei Balthus, aber beileibe nicht das einzige. Man wolle seine künstlerische Vielfalt zeigen. In der Tat gibt es im Gesamtwerk eine große Anzahl vor allem von Straßenszenen, in denen - im Stil der Neuen Sachlichkeit - Menschen als Verlorene, als große Einsame in einer klinisch leeren Stadtlandschaft stehen. Auch das Motiv sich langweilender Kinder und Katzen, Landschaften, das Leben als Kartenspiel, Selbstportraits und dergleichen durchziehen das Werk. Prägend aber sind die Mädchenbilder: zum Teil als Akte, zum Teil angezogen - als einladend sich vorbeugende oder räkelnde, die schimmernden Beine zeigende Heranwachsende. Hier liegt offensichtlich eine Faszination für das Übergangs-Stadium der Pubertät vor, sagt Kurator Raphael Bouvier.
"Und das ist auch wichtig, finde ich, zu unterscheiden, dass es in den allermeisten Fällen keine Kinder sind, sondern adoleszente Figuren oder Modelle, die er portraitierte. Die sich wirklich auf der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsenenalter befinden. Und diese Übergangs-Situation, die interessiert Balthus sehr. Er nennt das den Moment der Verwandlung des Menschen."
Leblos stehen die Menschen im Raum
Also: keine Kinder, schon mal gut. Und das Passagere ist ja auch bei den traurigen Straßenszenen das Leitmotiv - allerdings in dem Sinne, dass es keinerlei Beziehung zwischen den Menschen gibt. Gemalt ist das ganz altmeisterlich; Balthus hatte keine Lust auf die Formen- und Farb-Explosionen der Moderne, er kopierte im Louvre und unternahm die obligatorische Italienfahrt.
"Einerseits ist die französische Malerei ein wichtiges Thema, auch die alten Meister der französischen Kunst, aber auch die alten Meister der italienischen Renaissance…"
Masaccio und Piero della Francesca sind in Balthus' Selbstschulung dominant, wie ja auch die Neue Sachlichkeit sich gern auf die alten Meister bezog. Allerdings sind die neusachlichen Maler vor allem in Deutschland hart und politisch motiviert, sie zeigen entfremdete Menschen; bei Balthus bleiben auch die Straßenszenen irgendwie privat und dabei aber formelhaft. Leblos stehen die Menschen im Raum, Platzhalter wie in einem Bühnenbild. In den Portraits und Genreszenen dagegen drapiert Balthus die Figuren wie melancholische, schwülstige Stillleben - schon das frühe Bild seiner späteren Ehefrau Antoinette de Watteville ist der pure David-Hamilton-Kitsch, während das wüste Skandalbild seiner ersten Ausstellung, "La Toilette de Cathy", noch an Dix erinnert.
Aber all die sich entblößenden jungen Mädchen bleiben uns fern, ausgestellt wie Puppen, wie Models. Sie sollen ein Begehren wecken, das nicht eingelöst werden kann und darf. Das ist in manchen Bildern ein bizarrer Schwebezustand, in den meisten aber ein bisschen banal. Sehr weit führt das also nicht - der Maler ist hier nicht potentieller Gesprächs- und Sexualpartner, sondern eher Voyeur. Aber schon wegen dieser Erkenntnis lohnt die Ausstellung. Es gibt immer eine bessere Möglichkeit als das Abhängen von Bildern. Man muss sie analysieren.