Christoph Heinemann: Vorwürfe und Zurückweisungen - in der Affäre um unzulässig ausgestellte Asylbescheide weist das Bundesflüchtlingsamt Meldungen zurück, die Aufklärung verschleppt oder etwas vertuscht zu haben, und widerspricht damit Berichten über E-Mails, in denen ein Gruppenleiter im BAMF darum gebeten hatte, den Vorfällen geräuschlos nachzugehen und nicht alles bis ins Detail zu prüfen. Im Zentrum steht die BAMF-Außenstelle in Bremen. Gegen die damalige Bremer BAMF-Chefin und weitere Verdächtige laufen Ermittlungen.
Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Kurz vor dieser Sendung haben wir Bernd Baumann erreicht, den ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion. Er ist auch Mitglied des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Ich habe ihn gefragt, was er sich von einem Untersuchungsausschuss verspricht.
Bernd Baumann: Es ist ja klar und es wird jetzt ganz deutlich, dass diese Grenzöffnung mit Millionen, die aus dem Inneren von Orient und Afrika ganz plötzlich zu uns kommen, nicht so einfach zu bewältigen waren in der Bürokratie und in der Verwaltung, dass das eigentlich ein Großprojekt war, das die Politik ja zu verantworten hat, und jetzt die Frau Cordt im Kreuzfeuer steht. Gut, sie hat Fehler gemacht, sie hat auch Missmanagement betrieben. Sie hat beispielsweise im Innenausschuss nur Dinge geäußert, die bereits der Presse bekannt waren. Aber letztendlich ist für das Ganze CDU/CSU und die SPD verantwortlich, die Merkel-Regierung, die diese kaum zu bewältigende Grenzöffnung verursacht hat, und jetzt wird ein Bauernopfer gesucht.
"Fehler jetzt im Detail ausleuchten"
Heinemann: Bedarf es für diese Erkenntnis eines Untersuchungsausschusses?
Baumann: Es bedarf eines Untersuchungsausschusses, um die Fehler jetzt im Detail auszuleuchten. Es ist ja klar geworden, dass nicht nur tausende Fälle falsch entschieden wurden, sondern hier ist deutlich geworden, es sind ja auch erkennungsdienstliche Maßnahmen unterdrückt und darauf verzichtet worden. Das heißt, hier können Gefährder in höchstem Ausmaß, hier können Straftäter und Kriminelle in jeder Form massenhaft eingewandert sein, ohne dass wir das mitbekommen haben und registriert haben. Das muss jetzt ausgeleuchtet werden nach und nach, so schnell wie es geht.
Heinemann: Eben, so schnell wie es geht. Herr Baumann, ein Untersuchungsausschuss wird voraussichtlich monate- oder jahrelang arbeiten. Ich nehme das auf, was Sie gerade gesagt haben. Muss jetzt nicht sehr schnell gehandelt werden?
Baumann: Es muss sehr schnell gehandelt werden. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Es muss schnell gehandelt werden in den Außenstellen, wo das bekannt geworden ist, wo das aufgetaucht ist. Es muss jetzt sehr schnell auch vom Innenministerium her bewirkt werden, dass alles offengelegt wird, und nicht, wie in den internen Mails zu lesen war, dass man das geräuschlos machen wollte und Dinge unterdrücken wollte. Das ja, so schnell wie es geht. Aber dass systematisch zusätzlich ein Untersuchungsausschuss die ganzen Schwachstellen aufdeckt, auch Bereiche, in die man kurzfristig nicht hineinleuchten kann, das steht außer Frage. Das muss sein!
"Herr Seehofer ist jetzt in der Pflicht"
Heinemann: Das heißt, die Politik sollte die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses nicht abwarten, sondern jetzt schon…
Baumann: Nein, natürlich nicht! Die muss so schnell agieren, wie es geht. Dafür ist Herr Seehofer jetzt in der Pflicht, dafür ist er jetzt Innenminister. Da muss er tun, was kurzfristig nur möglich ist, aufklären, aufdecken, was kurzfristig möglich ist. Der Untersuchungsausschuss hat darüber hinaus die Aufgabe, systematisch Dinge noch mal auszuleuchten, denn alles, was mit Einwanderung zu tun hat, wird uns ja noch auf Jahre und Jahrzehnte befassen mit diesem Thema. Da können wir uns gar nicht davon absentieren.
Heinemann: Herr Baumann, halten Sie es für möglich, dass es Missstände auch in umgekehrter Richtung gibt, das heißt, dass berechtigte Asylanträge pauschal abgelehnt wurden?
Baumann: Theoretisch ist ja alles möglich. Wenn man sich aber anguckt, wie die Willkommenskultur, diese Grenzöffnungsbesoffenheit, sage ich mal, damals stattgefunden hat, und dass die Politiker ja bestimmen, wer in welchen Ämtern welche Aufgaben übernimmt, glaube ich nicht, dass es Verzerrungen in dieser Richtung gibt, sondern eher in die andere.
"Massenhafte Bestechlichkeit, bandenmäßige missbräuchliche Antragstellung"
Heinemann: Sollte es die dennoch geben, sollten dann die Asylanträge nachträglich bewilligt werden?
Baumann: Das weiß ich jetzt nicht. Das muss man sehen. Das muss nach Recht und Gesetz entschieden werden. Da gibt es keine Ausnahmen in die eine oder andere Richtung. Aber dass das in großem Maße in diese Richtung geschehen könnte, wo ich doch weiß, wer die Amtschefs und wer die Behörden aufgebaut hat und die entscheidenden Leute an entscheidende Positionen gesetzt hat, glaube ich nicht, dass das nennenswerte Ausmaße sind in diese Richtung.
Heinemann: Das heißt, das müsste ein Untersuchungsausschuss Ihrer Meinung nach gar nicht untersuchen?
Baumann: Der Untersuchungsausschuss untersucht alles, was schiefgelaufen ist. Wir untersuchen ein Behördenversagen. Da gibt es keine Scheuklappe in die eine oder andere Richtung. Nur jeder, der sich damit befasst hat, der sehenden Auges die ganzen Dinge verfolgt hat, weiß ja - und das ist ja auch jetzt rausgekommen in Bremen -, dass es massenhafte Bestechlichkeit und bandenmäßige missbräuchliche Antragstellung gab, dass das klar zugunsten derer geht, die hier unrechtmäßig ins Land gekommen sind, die noch nicht mal erkennungsdienstlich ausreichend behandelt worden sind. Das ist das Problem.
"Auflösung von Rechtsstaat, die historisch eigentlich einmalig ist"
Heinemann: Wie können rechtswidrige Asylbescheide wieder zurückgenommen werden?
Baumann: Das ist eine Sache, die müssen jetzt Juristen klären. Das ist keine Sache, die die Politiker vorrangig zu entscheiden haben. Wichtig ist, der Untersuchungsausschuss muss ausleuchten, was auszuleuchten ist, muss alles klarstellen, und insbesondere das Politikerversagen, das ja oben an erster Front steht, aufklären und nicht Bauernopfer in den Behörden nur verursachen. Auch da müssen dann Leute zurücktreten, die versagt haben, aber ursächlich ist hier das Politikerverhalten und da muss alles ausgeleuchtet werden, was hier schiefläuft, weil wie gesagt, diese Behörde, dieses Problem wird uns noch lange beschäftigen. Die Grenzöffnung, die ja historisch einmalig ist und in der ganzen Welt als solche verfolgt wurde, wird einen Einwanderungsdruck erzeugen und hat ihn schon erzeugt, der uns noch lange beschäftigt. Von daher muss die Behörde vernünftig arbeiten, muss vernünftig strukturiert und organisiert werden, und deswegen braucht es den Untersuchungsausschuss.
Heinemann: Heißt das auch, was Sie jetzt gesagt haben, dass Sie versuchen werden, einen Ausschuss, wenn es ihn denn geben würde, als Podium für eine Abrechnung mit der Migrationspolitik der Bundesregierung zu nutzen?
Baumann: Das hört sich jetzt schon wieder ein bisschen an, als würden wir da irgendwas missbrauchen wollen oder so. Die Regierung hat das verantwortet, die Regierung hat das verursacht. Das hat weltweit ja Kopfschütteln hervorgerufen. Und wir sehen ja jetzt erst die ganzen Schwierigkeiten und Probleme, die das verursacht hat: Leute mit 20fachen Identitäten, tausende missbräuchliche Entscheidungen, Bestechlichkeit, bandenmäßiger Missbrauch. Das muss aufgedeckt werden bis in die kleinsten Bereiche hinein. Sie müssen sich überlegen: Wer hier in Deutschland irgendwie an einem Gewässer ohne Angelschein seine Angel reinhält, wird sofort strafrechtlich verfolgt. Hier ist in einem Ausmaß eine Auflösung von Rechtsstaat passiert, von Rechtsstaatlichkeit, die historisch eigentlich einmalig ist.
"Untersuchungsausschuss wird aus unserer Sicht jetzt wirken müssen"
Heinemann: Ganz kurz noch mal die Frage: Meine letzte Frage, würden Sie die mit Ja oder mit Nein beantworten? Ist das für Sie ein Podium für die Abrechnung?
Baumann: Das ist ein Podium für die Aufklärung der Fehler in den Behörden, die die Politiker verursacht haben, die Politikerverantwortlichkeiten aufzudecken. Wenn Sie das Podium nennen wollen für Abrechnung oder so, dann ist das Ihre Semantik. Die Abrechnung mit der Merkel-Regierung und ihrem Versagen bei der Grenzöffnung findet fast jedes Mal im Bundestag statt, ist fast jedes Mal Thema, und das wird auf Dauer auch so bleiben. Natürlich wird auch dieser Untersuchungsausschuss entsprechend die Fehler aufdecken. Wir selber haben ja einen Merkel-Untersuchungsausschuss schon lange vor der FDP ins Gespräch gebracht und befassen uns damit. Eigentlich sind wir die Urheber und waren wir die Ersten, die das gefordert haben, und in dem Sinne wird auch dieser Untersuchungsausschuss aus unserer Sicht jetzt wirken müssen.
Heinemann: Herr Baumann, vielen Dank für das Gespräch!
Baumann: Ich danke Ihnen.
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