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BAMF-Affäre
"Das ist jetzt ein Fall für die Justiz"

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat nach Ansicht der Linken-Politikerin Ulla Jelpke bei seiner Befragung im Innenausschuss wenig zur Aufklärung der BAMF-Affäre beigetragen. Ohnehin seien jetzt vor allem die Justiz gefragt, sagte Jelpke im Dlf. Einen Untersuchungsausschuss brauche es nicht.

Ulla Jelpke im Gespräch mit Philipp May |
    Ulla Jelpke (Die Linke) spricht am 17.01.2014 im Bundestag in Berlin. Auf der Tagesordnung im Bundestag steht unter anderem die Flüchtlingspolitik der EU sowie die Vergünstigungen für stromintensive Unternehmen.
    Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Philipp May: Am Telefon ist jetzt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linkspartei. Guten Abend, Frau Jelpke.
    Ulla Jelpke: Guten Abend.
    May: Sind Sie zufrieden mit dem Auftritt von Seehofer und Cordt?
    Jelpke: Na ja. Ich muss erst mal sagen: Kurz vor der Sitzung, die wir heute hatten, der Sondersitzung, sind uns noch diverse Berichte zugegangen, die doch recht viel Aufschluss gegeben haben, insbesondere der Revisionsbericht eins und zwei. Aber vielleicht erst mal zu Seehofer: Herr Seehofer hat ja schon immer sehr scharf kritisiert das Merkel-Flüchtlingsregime. "Herrschaft des Unrechts" hat er es genannt. Aber auch Staatssekretär Mayer hat ja auch von hoch kriminellem und bandenmäßigem Vorgehen beim BAMF in Bremen gesprochen.
    Davon war heute wie übrigens auch in der letzten Sitzung des Innenausschusses, wo das Thema ja schon mal aufgesetzt war, überhaupt nicht mehr die Rede, sondern Seehofer hat sich im Grunde genommen als den Unschuldigen, der noch nichts weiß, der als Innenminister ganz neu ist, aber er hat in verschiedenen Punkten auf jeden Fall im Grunde genommen gesagt, dass man jetzt prüft, dass kontrolliert wird. Er hat gesagt, dass die Rechtsaufsicht beim BMI nicht funktioniert hätte. Man hätte Stichproben gemacht und im Grunde genommen ist Seehofers Konzept jetzt die Anker-, die neuen Flüchtlingszentren, die er einrichten will und wo es viel Widerstand von einzelnen Bundesländern gibt, dass er die jetzt als die Lösung präsentiert.
    Keine Vertuschungsgeschichten von Seehofer
    May: Bleiben wir vielleicht erst mal beim Skandal um das BAMF, bevor wir zu den Ankerzentren kommen. Fanden Sie den Auftritt von Seehofer denn glaubwürdig?
    Jelpke: Ja, ja. Ich sage mal, er ist sehr loyal, wie er die Sachen vorträgt. Man kann ihm jetzt nicht unterstellen, dass er irgendwelche Vertuschungsgeschichten dort veranstalten wollte, sondern er hat gesagt, es sind viele Fehler gemacht worden und jetzt muss gehandelt werden, und da sind wir jetzt gerade bei, alles aufzuarbeiten. Er hat das BAMF in Schutz genommen und hat gesagt, sie waren auch zeitweilig total überfordert. Ich meine, es ist ja auch richtig, dass damals, als 2015 Hunderttausende kamen, erst mal das BAMF zu wenig Personal hatte.
    May: Wenn ich das richtig verstehe? Sie können Seehofer schon verstehen, wenn er sagt, er ist nicht verantwortlich für den Skandal, und Sie würden ihm auch jetzt die Chance geben, erst einmal aufzuklären, weil er ja, als der Skandal passierte, noch gar nicht in Amt und Würden war?
    Jelpke: Das muss man auf jeden Fall machen. Insofern sage ich, er hat leider dazu wenig beigetragen, weil er die Behörde viel zu wenig kennt. Aber Frau Cordt war ja auch da und Frau Cordt hat schon sehr wichtige Punkte genannt, zum Beispiel, dass insbesondere in Bremen 4.500 sicherheitsrelevante Erkenntnisse überprüft wurden, also Fälle, und es gibt nicht einen einzigen Treffer, was Gefährder oder irgendwelche Leute angeht, die gefährlich werden könnten. Es ist ja ziemlich große Angst da gewesen in der Bevölkerung, dass durch die Fehler, die dort gemacht wurden, jetzt im Grunde Schwerverbrecher auf der Straße herumlaufen.
    "Die Menschen haben zurecht Schutz bekommen"
    May: Und den Eindruck hat Frau Cordt versucht zu zerstreuen. War das für Sie nachvollziehbar?
    Jelpke: Ja, das ist für mich nachvollziehbar, weil diese Prüfungen werden ja nicht von Frau Cordt persönlich gemacht, sondern wie gesagt in Form eines Revisionsberichtes, und eigentlich sind Seehofer und Cordt sich einig, dass das jetzt ein Fall für die Justiz ist. Das ist übrigens auch meine Meinung. Der entscheidende Punkt ist ja, dass beispielsweise die Anerkennungsquoten in der Tat in Bremen immer etwas höher waren, aber gerade im Jahr 2015 ging es ja darum, dass viele Syrer und Iraker gekommen sind, insbesondere Jesiden, und da gibt es beispielsweise keine großartige Abweichung.
    Zum Beispiel in Bremen war die Anerkennung bei 100 Prozent; in anderen Außenstellen lag sie bei 97,5 Prozent. Von daher muss man auch vorsichtig sein, wenn jetzt so übertriebene Fehler dargelegt werden. Wichtig ist natürlich, dass es schon Verfahrensfehler gegeben hat. Das wird auch weiter überprüft. Aber im Großen und Ganzen meine ich auch, dass diese Menschen zurecht Schutz bekommen haben in Deutschland, und jetzt muss man mal weiter sehen, was vor allen Dingen die Staatsanwaltschaft und die Justiz sagt.
    "Es geht um die Qualitätsmangel in den Asylverfahren selbst"
    May: Dennoch stand ja gerade die Behördenchefin Jutta Cordt groß in der Kritik, gerade auch, weil der Verdacht der Vertuschung im Raum stand, beziehungsweise die Frage, wann wusste Jutta Cordt Bescheid über die Vorfälle in der Bremer Außenstelle des BAMF. Hat sie da für Klärung sorgen können?
    Jelpke: Sie hat jedenfalls sehr konkret darlegen können, wann sie was gewusst hat und wie sie auch reagiert hat, also auch, dass sie beispielsweise die Informationen ans Innenministerium weitergegeben hat und dass sie vor allen Dingen jetzt geprüft hat, weil die Vorwürfe gehen ja weit darüber hinaus, insgesamt ans BAMF. Hier geht es vor allen Dingen um die gesamten Qualitätsmängel bei den Asylverfahren selbst, aber auch beispielsweise beim Personal. Sie hat davon gesprochen, dass bei den 8.000 Menschen, die beim BAMF arbeiten, etwa 80 Prozent befristete Verträge haben und dass man jetzt ungefähr bei 2.000 Verträgen entfristet. Das heißt, dass man wirklich mit qualifiziertem Personal weiterarbeitet.
    May: Nach diesem Tag im Innenausschuss, nach dieser Befragung, glauben Sie, dass es einen Untersuchungsausschuss braucht, um weiter aufzuklären? Oder glauben Sie, dass man jetzt erst mal gut beraten ist, weiter Aufklärung im Innenausschuss zu suchen, weil die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss, die steht ja weiter im Raum?
    Jelpke: Ich bin der Meinung, man braucht keinen Untersuchungsausschuss, wenn jetzt auch noch mal weitere Sitzungen folgen. Wir haben zum Beispiel heute vorgeschlagen, dass man auch noch mal de Maizière hört …
    Bei den Qualitätanforderungen muss etwas passieren
    May: Den Vorgänger von Herrn Seehofer.
    Jelpke: Genau, den Vorgänger zu diesen ganzen Vorwürfen. Aber das Entscheidende wird natürlich jetzt sein, dass bei den Qualitätsanforderungen wirklich was passiert.
    May: Da sagt ja zum Beispiel Herr Weise ganz klar, das ist Konsequenz der politischen Entscheidung damals gewesen, als es den Ansturm gab, Schnelligkeit vor Gründlichkeit bei der Überprüfung von Asylanträgen.
    Jelpke: Ganz genau. Masse statt Klasse.
    May: Das heißt, wer ist für Sie der Hauptschuldige der Affäre, die wir gerade hier erleben?
    Jelpke: Ich kann Ihnen im Moment wirklich nur sagen, dass auch das BMI natürlich mit den politischen Vorgaben unglaublichen Druck ausgeübt hat. Das war heute natürlich auch Thema. Und es gibt viele Dinge, wo man immer noch mal nachfragen muss. Es geht auch um den Punkt, werden nur Positiventscheidungen überprüft, oder auch Negativentscheidungen. Das ist ja die Frage, ob man beispielsweise Bundesländer wie Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, die sehr hohe Schutzquoten haben, über zehn Prozent vom Bundesdurchschnitt, oder auch Bayern, wo übrigens sehr viele Fälle sind, wo Menschen vor Gericht gehen …
    May: Hat sich der Bundesinnenminister dazu geäußert?
    Jelpke: Nein. Das ist eine Frage, die noch offen geblieben ist. Wir konnten nicht alles abarbeiten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.