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Band SDP
“Man recycelt sich ein bisschen selber”

Zusammen mit Bela B von der Band "Die Ärzte" machen sich Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin alias SDP auf ihrem neuen Album über Musik nach Schema F lustig. “Wenn man Musik und Industrie zusammennimmt, dann läuft schon mal grundsätzlich immer was schief”, sagten sie im Dlf. Durchaus selbstkritisch.

Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin im Corsogespräch mit Adalbert Siniawski |
Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin von der Band SDP stehen in schwarzen T-Shirts vor einem bunten Gemälde
Vincent Stein (l.) und Dag-Alexis Kopplin von der Band SDP im DLF-Funkhaus (Deutschlandradio/Kerstin Janse)
Adalbert Siniawski: "Die Unendlichste Geschichte" haben Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin von der Berliner Band SDP ihr elftes Album genannt. Das steht für ihre lange Freundschaft, die beachtliche und erfolgreiche Karriere, aber auch den Humor in Text und Sound, für den sie bekannt sind. Zur Verstärkung haben sie wieder Gastmusiker eingeladen – SDP sind etwa große Fans der Punkrocker Die Ärzte. Und während Ärzte-Gitarrist Farin Urlaub schon beim Song "Fenster" von Kraftklub mitspielte, musste für "Das Lied" von SDP eine Alternative her... Doch zunächst: Sprechen wir über "Das Lied". Was läuft falsch in der Musikindustrie?
Dag-Alexis Kopplin: Uh, das ist jetzt ein bisschen suggestiv.
Siniawski: Wie der Song.
Kopplin: Was falsch läuft in der Musikindustrie? Ich glaube, wenn man Musik und Industrie zusammennimmt, dann läuft schon mal grundsätzlich immer was schief, und es ist keine neue Erfindung. Der Song schießt natürlich schon in eine gewisse Richtung, schießt auf gewisse Klischees und spielt damit, aber definitiv nicht in Richtung bestimmter Künstler oder bestimmter Musikgenres.
Siniawski: Vincent Stein, was sagen Sie?
Vincent Stein: Ja, wir nehmen uns ja mit dem Song auch selber aufs Korn. Also es wird ja in alle Richtungen gefeuert, das heißt, auch die eigene Richtung gefeuert.
"Selbstironie gibt es sowieso immer"
Siniawski: Stimmt, weil Autotune und irgendwie so mal tief singen, dann wieder hoch, das können Sie ja auch ganz gut.
Stein: Genau, also es ist ja, wie gesagt, es ist gar kein böse gemeinter Song, der irgendwas verteufelt, sondern der Song soll natürlich irgendwie auch ein Schmunzeln hervorrufen. Und wenn wir sagen, es ist die zweite Strophe, die Stimme ist tief dann - oder Schema F -, dann meinen wir natürlich: Okay, auch wir haben irgendwelche bestimmten Formen oder so; man recycelt sich auch ein bisschen selber.
Siniawski: Selbstironie gibt es auch.
Stein: Selbstironie gibt es sowieso immer, und dann haben wir noch einen musikalischen Gast bei dem Song, Bela B. Das war allerdings natürlich wirklich sehr teuer. Wir hatten bei "den Ärzten" angefragt, ob wir Farin Urlaub buchen können vielleicht als Stargast und die haben dann ... aber anscheinend hatten wir nicht genug Geld auf den Tisch gelegt, dann kam Bela B. Und der hat uns auch noch für Kraftklub gehalten. Ärgerlich, aber da haben wir halt ein bisschen Geld beim Video gespart.
Kopplin: Obwohl wir große Kraftklub-Fans sind, war das schon traurig, denn "Die Ärzte" haben natürlich eine ganz besondere Bedeutung für uns als Vincent und Dag in unserer Freundschaft und auch für uns als Band.
Siniawski: Aber es hat sich dann auch musikalisch niedergeschlagen, dass er da war, weil es geht dann so richtig in die Punkrock-Ecke.
Kopplin: Ja, es ist nicht das erste Mal, dass man uns so hört, aber da hört man uns eben auch als Enkel oder Erben oder so von "Die Ärzte" oder wie immer man das jetzt nennen möchte.
Siniawski: Vorbilder.
Kopplin: Jetzt nicht Vorbilder im Sinne von Idole, aber natürlich musikalische Inspiration - und in der Zeit, wo wir große "Ärzte"-Fans waren, wo Vincent und ich uns auch kennengelernt haben, im Alter von zwölf Jahren, da waren "Die Ärzte" unsere Lieblingsband so. Und die Musik, die man zu der Zeit hört, die prägt auf jeden Fall. Und ich finde, es ist eine coole Musik gewesen, die uns da geprägt hat.
Siniawski: Man merkt schon viele Einflüsse bei Ihnen, großer Stilmix - ist ja auch bekannt, schon auf den Vorgängerplatten. Auf R'n'B folgt Singer-Songwriter-Pop, darauf Dancehall, Punk-Geschrammel, wie gesagt. Klingt so, als ob Sie viele Einzelteile dann irgendwann zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Entstehen Ihre Songs so, als so eine Art Puzzle? Dag-Alexis Kopplin.
Kopplin: Puzzle klingt so etwas zu verspielt und irgendwie ein bisschen zu chaotisch, keine Ahnung. Also wenn man sich ein Album von uns vorstellt, dann kann man sich das vorstellen wie ein Mixtape, was man sich früher selber aufgenommen hat, ja. Da ist zum Beispiel der harte Rock-Song drauf, den man halt zu der Zeit am meisten feiert, vielleicht. Die zwei, drei Balladen oder ernstere Songs, die man irgendwie fühlt. Und noch ein paar Lieder dazwischen, vielleicht irgendwie ein lustiger Song, die man im Urlaub mit den Freunden lieben gelernt hat, obwohl man ihn eigentlich nicht mochte oder so, ja. Und irgendwie, so sah so ein Mixtape früher aus, und so ähnlich sehen auch unsere Alben aus.
Siniawski: Aber so richtig politisch kann es auch manchmal werden, selbst wenn es natürlich in Ironie und Selbstironie verpackt ist. Ich denke da an den Anti-Geiz-Song - so habe ich das zumindest wahrgenommen - "Was man hat das hat man." Wie explizit politisch kann man sein, oder kapitalismuskritisch?
Kopplin: Also erstmal hängt es da noch von der Zeit und dem Kontext ab, ob man nicht sagen kann, dass alles, was man macht, politisch ist. Und ich sag mal, konsequent unpolitisch zu sein, obwohl man zum Beispiel Lieder macht und dann in der Öffentlichkeit steht, ist ja irgendwie auch ein politisches Statement, ne, sich dem zu entziehen. Wir kommen nie mit dem erhobenen Zeigefinger, aber wenn man sich auf unsere Texte einlässt, kriegt man auf jeden Fall mit, wie wir ticken, wie wir zu eigenen Themen stehen.
Siniawski: Gegen Tierversuche zum Beispiel.
Kopplin: Ja total, aber das ist natürlich auch mit einem großen Augenzwinkern. Es könnte sein, dass es manche Tierversuchsgegner auch ein bisschen zu d’rüber finden. Aber so machen wir uns die Gedanken eher nicht.
Stein: Ja, also ich denke, dass wenn man unsere Platten und vor allem die ganze Historie verfolgt - und es sind ja wirklich viele Tonträger schon -, dann kann man unsere Position schon ziemlich gut raushören oder sich vorstellen, wie wir denken. Aber ich bin selber kein Fan davon, wenn mir jemand eine Moralpredigt in einem Lied hält und mit einem erhobenen Zeigefinger irgendwie erzählt, wie die Welt besser zu sein hat oder wie er denkt, dass die Welt besser sein sollte. Von daher machen wir das auch nicht, sondern wir lieben es vielmehr, es entweder humoristisch oder auch als Fragestellung zu verpacken. Und ich denke, dass das auch viel mehr Aufmerksamkeit erregt, wenn der Hörer irgendwie vielleicht auf eine locker-lustige Art und Weise den Song hört und denkt, " halt, das haben Sie gerade nicht wirklich gesunken! Warte mal, das können sie nicht ernst gemeint haben, okay?", und sich dann vielmehr sofort damit beschäftigt, als dass man ihm jetzt irgendwie erzählt, dass man irgendwas besser weiß, weil das tun wir wahrscheinlich auch gar nicht.
Siniawski: Musikalische Unterstützung haben Sie sich auch geholt - "Das Lied", Bela B, haben wir schon besprochen, deutlich hörbar auch. Aber auch Teesy und die 257ers und Capital Bra. Warum diese Kollaborationen?
Stein: Die Frage ist eigentlich ganz einfach zu beantworten: Wenn wir mit jemandem zusammen ein Lied machen oder er als Gast bei unserem Hörspiel ist, liegt es daran, dass die, dass wir Lust darauf haben, dass es unsere Freunde sind, dass sie Lust haben, Zeit haben und dass wir auch Fans natürlich von den anderen Musikern sind.
Wir haben noch länger mit SDP gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Siniawski: Was verbindet Sie mit dem Berliner Hip-Hop-Produzenten und Rapper Blokkmonsta?
Kopplin: Ja, auch eine gewachsene Künstlerfreundschaft. Er hat über die letzten Jahre … also man lernt sich oft kennen im Zusammenhang von Festivalauftritten so, wenn die Entourage unterwegs ist zusammen, und mit manchen Leuten freundet man sich an, mit manchen nicht.
Stein: Es gibt nicht viele mit diesem harten, rockigen Cross-Over-Stil - also wirklich harte Rock-Metal-Riffs meets Hip-Hop ...
Siniawski: Mit dieser rauhen, verzerrten Stimme auch.
Stein:: Also wer das umsetzen kann, und wir haben wirklich ein großes Herz für diese Art von Musik und da war Blokk …, Blokk …, Blokk, wie ich nenne, einer der wenigen, der das wirklich auch perfekt beherrscht und wo er richtig zur Geltung kommt.
Siniawski: Aber unumstritten ist er ja nicht. In seiner Karriere hatte er auch mal eine zehnmonatige Haftstrafe - zwar auf Bewährung, aber wegen Gewaltdarstellung, Volksverhetzung, Beleidigung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten bekommen. Als Band, die auch viel von Jugendlichen gehört wird: Diskutiert man dann darüber - neben der Freundschaft, die man vielleicht hat - aha, sollten wir dieses Zeichen setzen, jemanden da zur Zusammenarbeit zu bringen, der vielleicht so eine etwas dunklere Geschichte hat in seiner Karriere?
Kopplin: Naja, wir fragen uns immer alles, also wir fragen uns zu jeder Silbe, die wir machen, zu jedem Bild, was auf dem Cover ist und zu allem, alles so. Und Blokkmonsta ist vielleicht nicht unumstrittenen in dem Sinne, für mich ist er aber, ich will es nicht übertreiben, aber er hatte auch was Märtyrerhaftes, weil an ihm so exempelhaft gegen ihn gekämpft wurde von staatlicher Seite aufgrund von Texten, und am Ende sind es immer noch Texte und Kunst, und auf der Straße passiert jeden Tag so viel Scheiße und passiert so viel und so oft ist kein Polizist da. Und bei jemandem, der Zeilen aufnimmt und Zeilen schreibt, reitet man so oft ein Zuhause und so, ist es halt … das ist die andere Seite, so ja. Und ansonsten muss sich jeder immer von einem selber ein Bild machen. Bei uns ist ja nur der Song, den Blokkmonsta mit uns macht auf dem Album.
"Worte haben ein Gewicht"
Stein: Und wir hinterfragen jede Zeile von uns und ich glaube, das hört man auch, dass wir uns wirklich viel Gedanken über unsere Texte machen.
Siniawski: Aber er darf bei Ihnen ja doch in dem Song rappen, "vor dem Richter hält man die Klappe, wenn es sein muss". Also das, in diesem Zusammenhang, hat es dann schon irgendwie so einen bisschen fahlen Beigeschmack, oder?
Kopplin: Eigentlich nicht, also wenn es sein muss, ist ja erst mal sehr stark Auslegungssache, wann das sein muss. Für ihn gibt es sicher vielleicht auch Fälle, wo das nicht sein muss, das weiß ich nicht so genau, aber wie immer berichtet er von Lebenswirklichkeiten und fordert ja nicht irgendjemand zu irgendetwas auf, sondern er berichtet von Dingen, und in dem Song geht es darum, dass Worte ein Gewicht haben - und das haben sie auch vor Gericht.
Siniawski: Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin von SDP, vielen Dank.
Kopplin: Ja, wir haben zu danken.
Stein: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.