Sigrid Fischer: Die deutsch-amerikanische Freundschaft - nicht die politische, die musikalische - feiert nächstes Jahr 40. Geburtstag. Das Buch dazu erscheint schon jetzt: Das ist DAF, heißt es, es ist die von Robert Görl und Gabi Delgado autorisierte Bandbiografie. Interviews mit den beiden Elektropunk- und Technopionieren und mit Weggefährten sind darin versammelt. Und auch sehr, sehr viele Fotos. Im Ratinger Hof in Düsseldorf fängt ihre Geschichte an, die Miriam Spies vom Gonzoverlag zusammengetragen hat. Guten Tag nach Mainz, Frau Spies.
Miriam Spies: Hallo, guten Tag.
Fischer: Aus den 80ern da kennen Sie die Band ja nicht, dafür sind Sie viel zu jung. Wann haben Sie denn DAF für sich entdeckt?
Spies: Genau, ich bin ja erst geboren worden, als DAF sich das erste Mal getrennt hat. Das habe ich gerade so verpasst. DAF ist mir, glaube ich, als ich 14 oder 15 war zum ersten Mal begegnet.
Fischer: Aber dann immer noch interessant, 15 Jahre später, scheinbar.
Spies: Ja, durchaus. Ich finde das sowieso ein großes DAF-Phänomen, dass DAF scheinbar irgendwie keinen Staub ansetzt. Auch wenn man aktuell auf Konzerten ist, da sind ja nicht nur die Alten, die man erwarten würden, von damals, die so eine Art nostalgische Zeitreise machen. Sondern eben auch ganz viele Junge, die das neu für sich entdecken, ohne dabei zu sagen: Wow, das ist ja 40 Jahre alt, wer will das hören? Sondern, das funktioniert einfach immer noch wahnsinnig gut.
Yin und Yang
Fischer: Ja, aber nie durchgehend. Die haben sich immer wieder getrennt, immer wieder zusammengefunden. Es gab so viele Revivals, lag das an künstlerischen Differenzen einfach oder daran, dass die beiden - wie sie das in einigen Interviews auch schon gesagt haben -, dass sie eigentlich grundverschieden sind die beiden?
Spies: Naja, es ist so ein bisschen von beidem. Zum einen sind die beiden wirklich sehr unterschiedlich, funktionieren aber unglaublich gut als Yin und Yang. Das war bei der Arbeit am Buch auch so. Die ergänzen sich perfekt zu einem runden Ganzen, sind aber völlig konträre Charaktere. Das macht aber die Musik auch so wahnsinnig spannend und den Kontrast aus Musik und Gesang - da spiegelt sich ja genau dieser Kontrapunkt auch wieder. Und auf der anderen Seite gibt's zu jeder Trennung auch wieder eine Geschichte. Die sind dann auch alle verbucht in dem Buch. Sei es nach den ersten drei Plank-Alben, da waren sich beide zur Abwechslung -
Fischer: Conny Plank, Produzent.
Spies: Genau. Die von Conny Plank produzierten Alben, da waren sich alle beide auch einig: Da war das Bild erstmal fertig gemalt. Da sind innerhalb von 18 Monaten drei Alben entstanden, die beiden waren dann, glaube ich, auch erstmal ausgepowert von diesen drei Alben und haben gesagt: Langt jetzt.
Fischer: Sie haben die ja getrennt interviewt, wie man schon lesen konnte, haben ganz viel - zwanzig Stunden Material, oder so. Und oft haben die sich sehr unterschiedlich an Dinge erinnert. In welchen Punkten zum Beispiel waren die Versionen einfach anders?
Spies: Zum Beispiel bei der Frage: Wer hat eigentlich den ersten Synthesizer angeschleppt. Wie war das nochmal? Wer hat die Musik elektronisiert und wer hat diese Art von Sequenzen bei DAF eingeführt? Das war -
Fischer: Aber da geht's ja um die künstlerische Eitelkeit, natürlich? Das warst du oder das war ich. Ist ja nicht unwichtig, wer das war.
Spies: Eben, eben. Es sind keine Lappalien. Oder als es bei dem Virgin-Deal darum ging: wie war das denn damals nochmal, war das Simon Draper, der A&R von Virgin, der sich direkt für DAF entschieden hat oder hat der eher gezögert und es war dann doch Branson (Labelchef, Anm. d. Red.). Das waren so Sachen, die unterschiedlich erinnert wurden. Aber dafür haben wir dann auch noch Weggefährten eingeholt, nur oftmals ist es so, dass wir dann nicht zwei und auch nicht eine, sondern dann eben drei Meinungen dazu hatten.
"Weiterentwicklung von Punk mit anderen Mitteln"
Fischer: Wo kam eigentlich der Name deutsch-amerikanische Freundschaft her? Wir haben uns hier gefragt und wissen es nicht.
Spies: Auch das ist so ein Diskussionspunkt: Eine der Varianten dazu ist, dass Gabi Delgado auf dem Weg in die DDR - er ist ja eigentlich gebürtiger Spanier, mit acht Jahren nach Deutschland gekommen, und hatte mit seinem Pass Probleme an der Grenze und hat da lange auf so ein Schild geguckt mit "deutsch-sowjetischer Freundschaft" und fand das irgendwie total gut und hat das adaptiert, weil er gesagt hat: na gut, bei denen steht das wenigstens dran, bei uns nicht, aber wir sind so durchamerikanisiert. Und so kam dann der Name. Allerdings war es wohl eine Wahl, eine geheime Wahl, bei der damals die Gründungs - oder damals noch fünf Mitglieder - alle Zettel in einen Topf geworfen haben und dann der Name ausgelost wurde.
Fischer: Die erste Bandphase hat ja gar nicht lange gedauert, '78-'82, warum war die so wichtig, also künstlerisch?
Spies: DAF ist für mich in erster Linie die Weiterentwicklung von Punk mit anderen Mitteln. Das, was damals auch groß im Ratinger Hof passiert ist an musikalischen Neuerungen, haben die zwei einfach nochmal radikaler und konsequenter umgesetzt. Und sehr viele Strömungen dieser Zeit - ob es nun die elektronischen Einflüsse waren oder eben diese Punkenergie - zusammengeführt und so eine Art Substitut daraus auf die Bühne gebracht. Da wo Punk dann vielleicht gesagt hat, wir verzichten auf ausgedehnte Gitarrensoli hat DAF einfach gesagt, nein, wir verzichten auf die Gitarre. Und wo Punk vielleicht gesagt hat, wir verzichten auf komplexe Songstrukturen, hat DAF gesagt, nein, wir verzichten einfach auf Songstrukturen allgemein. Und hat dadurch, finde ich, auch etwas sehr zeitloses.
Nazischick und Homoerotik
Fischer: Sie selber sagen, sie wollten wirklich Kunst machen oder die Kulturgeschichte verändern. Großer Anspruch. Und ich frage mich, war das wirklich so ernst und tiefgehend oder war das auch viel Pose. Denn es war ja auch Provokation ganz viel im Spiel. Dann ging man mal hin und hat "Sieg heil" gesagt und alle regten sich auf. Also viel Pose auch dabei, oder?
Spies: Ja, Provokation ist unbedingt ganz wichtig in der Geschichte von DAF. Ganz gleich, ob es jetzt um die Texte geht: "Tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler"-
Fischer: In einem Song, und Jesus noch dabei.
Spies: Und Jesus noch gleich mit, genau. Aber auch das komplette Auftreten, dieser Nazischick und das ganze Spiel mit der Homoerotik. Da war immer ganz, ganz viel Provokation mit bei, was natürlich auch für Gehör gesorgt hat.
Fischer: Aber sie haben dann auch Fans gehabt aus Szenen, die sie vielleicht nicht so gerne gehabt hätten. Skinheads waren dann plötzlich auch mal DAF-Fans, haben sie sich damals auch mal richtig distanziert von dieser falschen Fangruppe?
Spies: Meines Wissens gab es kein Distanzieren in dem Sinne, dass das dann quasi bekannt gegeben wurde im Sinne von "wir distanzieren uns" oder so. Die Provokation ging nicht so weit, dass sie das Spiel getrieben haben, die Frage offen zu lassen. Andere Fragen haben sie ja durchaus offen gelassen, wie dieses Spiel mit der ganzen Homoerotik. Aber im Gegensatz dazu haben sie die Nazi-Frage schon deutlich verneint.
Fischer: Gibt es ein Foto in dem Buch, wo Sie sagen würden: Da gefallen mir die beiden am besten oder das ist besonders - DAF-besonders ausdrucksstark?
Spies: Es gibt ein paar sehr, sehr schöne. Zum Beispiel die Philippshallen-Fotos, die sind sehr eindrucksstark, dieser Publikumsmob und Gabi Delgado schreiend in das Mikrophon mitten in diesem Pulk von Leuten. Oder Robert Görl, der eben auch schweissgebadet und sichtlich erschöpft da sich den Weg durch die Massen bahnt - das mag ich zum Beispiel sehr gerne diese Strecke.
Fischer: Das ist DAF - die Bandbiographie ist am 27.11 im Schwarzkopf-Verlag erschienen. Und die vier wichtigsten DAF-PLatten sind gerade erst als Box-Set veröffentlicht worden. Vielen Dank, Miriam Spies.
Spies: Sehr gerne.
Robert Görl und Gabi Delgado. Aufgeschrieben von Miriam Spies und Rudi Esch: "Das ist DAF"
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2017. 344 Seiten, 24,99 Euro.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2017. 344 Seiten, 24,99 Euro.
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