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Banjo-Virtuose Rüdiger Helbig
Der Picker aus Bogenhausen

Rüdiger Helbig verfasste das erste deutschsprachige Banjo-Lehrbuch, er drehte Lehrvideos und unterrichtet bis heute. Der 1949 geborene Odenwälder hat die goldene Ära der Folkmusikbewegung im deutschsprachigen Raum aktiv miterlebt, Johnny Cash und Jimi getroffen. Porträt eines saiten-besessenen Originals.

Von Jochen Hubmacher |
    Ein Mann im weißen T-Shirt und roter Kappe halt ein Banjo in der Hand und lächelt in die Kamera. Links neben ihm Gitarren-Gurte, an der Wand hinter ihm hängen Akustik-Gitarren.
    Wurde selbst Profi und sah 1966 Jimi Hendrix in München spielen: Rüdiger Helbig. (Deutschlandradio/Jochen Hubmacher)
    Musik: "John Hardy"
    "John Hardy", ein Klassiker des US-amerikanischen Folksong-Repertoires. Diese knapp zwei Minuten Musik lassen keinen Zweifel daran: Rüdiger Helbig ist ein Virtuose des fünfsaitigen Banjos. Jenes Instrument, das der Country- und insbesondere der Bluegrassmusik ihren charakteristisch-knackigen Sound verleiht. Wenn in Deutschland in den vergangenen fünf Jahrzehnten irgendwo ein professioneller 5-String-Banjo-Spieler gebraucht wurde, dann hatte Helbig ganz oft seine Finger und die dazu gehörigen Fingerpicks mit im Spiel. Auch international sorgte er für Furore. Mit verschiedenen Formationen tourte er durch die halbe Welt. Geboren wurde Rüdiger Helbig 1949 in einem Odenwald-Dorf gut 30 Kilometer nördlich von Heidelberg. Doch schon als kleines Kind zog er mit seiner Familie nach München.
    Rüdiger Helbig: "Zu einer Zeit, muss ich sagen, da gab es eigentlich weniger Münchner, sondern wesentlich mehr Amerikaner. München war abgefüllt mit amerikanischen Soldaten und ich bin hier ganz in der Nähe in Bogenhausen groß geworden, Parkstadt Bogenhausen, die hat man seinerzeit gerade gebaut, aber die ganze Gegend hier herum haben höhergestellte Soldaten gewohnt. Meine erste Freundin war auch eine Amerikanerin dadurch. Also ich bin amerikanisch "verseucht" von Anfang an."
    Seine erste Hörbegegnung mit einem Banjo fand zu Hause am heimischen Plattenspieler statt.
    "Also bei mir war's eigentlich der erste Kontakt durch meine Schwester. Das war ja die Dixieland-Zeit in den 50er-Jahren noch. Und die hat jede Menge LPs nach Hause gebracht mit Dixieland-Bands, so wie Dutch Swing College Band und so weiter. Und da war halt schon immer ein Banjo zu hören. Zwar ein 4-saitiges, nicht in 5-saitiges, was ich spiele, aber immerhin ein Banjo. Und da haben mich in erster Linie natürlich die Schallplatten interessiert, wo ein Banjo hinten geschrubbt hat. Das war mein erster bewusster Kontakt zur Musik. Und dieses Faible für Swing und Jazz ist bis auf den heutigen Tag geblieben. Und irgendwann habe ich mir gedacht, ich möchte ein Banjo haben, und das hab ich mir in meinen Schulferien selber verdient das Geld, und zwar in der Firma von meinem Vater. Also wo mein Vater angestellt war. Und der mir gegenüber gesessen ist damals. Der hat ein 6-saitiges Banjo gespielt und ich hatte sonst keine Ahnung von Banjos. Und dann bin ich mit ihm losgezogen, nachdem ich das Geld nach sechs Wochen Arbeit bekommen habe, und da haben wir ein 6-saitiges Banjo gekauft. Das war so der erste "Step in" ins Banjo und auch in die Musikrichtung. Weil der hatte damals schon die alten Country Lieder gespielt und hat mir so ein bisschen was gezeigt auf dem 6-saitigen Banjo. 6-saitiges Banjo ist genauso bestimmt wie eine Gitarre, klingt halt bloß anders. Und dann irgendwann bin ich aufs 5-string-Banjo umgesattelt, weil mir irgendeiner gesagt hat, diese Musik wird mit 5-saitigem Banjo gespielt. Es war schon so komisch damals. Die GIs haben einen Radiosender gehabt, hier in Deutschland, das war der AFN. Und am Nachmittag um 15 Uhr war immer diese Country Sendung und die Opening-Melodie dieser Country Sendung war seinerzeit der Foggy Mountain Mountain Breakdown. Der "Foggy Mountain Breakdown" ist der breiten Masse bekannt, und zwar war das die Leading Melodie im Film "Bonnie und Clyde"."
    Musik: "Foggy Mountain Breakdown"
    Der "Foggy Mountain Breakdown" von und mit der US-amerikanischen Banjo-Legende Earl Scruggs. Scruggs hat mit dem in den 1940er-Jahren bahnbrechend neuen Stil, die Saiten mit drei Fingern zu picken, Generationen von Banjo-Spielern weltweit beeinflusst. Natürlich auch Rüdiger Helbig. Doch im München der 60er-Jahre war es trotz vieler amerikanischer GIs vor Ort extrem schwierig an Musiker heranzukommen, die einem Anfänger etwas auf dem 5 String-Banjo beibringen konnten. Immer wieder ging Helbig in die einschlägigen Musikkneipen, wenn dort eine Bluegrassband auftrat, um sich den ein oder anderen Kniff abzuschauen. Einer der Banjospieler, die er dort traf, schickte ihm aus den USA schließlich das Banjo-Lehrbuch, das Earl Scruggs verfasst hat.
    "Und dieses Buch lag wie eine Bibel unter meinem Kopfkissen. Mit dem bin ich schlafen gegangen und in der Früh aufgewacht und das Banjo lag auch immer in meinem Bett. Also ich habe wie ein "Vergifteter" jeden Tag geübt. Man hat den Drang danach. Man hat keinen Lehrer, der es einem zeigen kann, also muss man es irgendwie selber auf die Reihe bringen und dann entwickelt man automatisch einen unheimlichen Ehrgeiz."
    Musik: "Grassland"
    München Mitte der 1960er-Jahre, das war ein Tummelplatz für spannende Musiker aus der ganzen Welt. Rüdiger Helbig saugte diese Eindrücke als Teenager in sich auf und kann von irren Begegnungen erzählen. Etwa von dem Abend, an dem er zufällig in einem Konzert mit einem damals weitgehend unbekannten Gitarristen landete. Dessen Name: Jimi Hendrix.
    "Ich habe einen Zwillingsbruder, der hatte, in Schwabing damals gab es ein Lokal, das hieß PN, hat der bereits Karten gehabt für eine, man hat gesagt, Beat Band, Rock Band gab's den Ausdruck noch nicht. Eine Beat Band aus England hat da gespielt, so Beatle artige sagen wir mal. Es war so überfüllt, dass ich nicht mehr reingekommen bin. 40, 50 Meter weiter gab es ein anderes Lokal, das hieß Big Apple. Und nachdem mein Bruder und ich zusammen dort waren, bin ich halt aus Verlegenheit die Treppen runter gegangen zum Big Apple. Alles voller Rauch. Alle haben sie gekifft ohne Ende. Das hast du schon draußen auf der Straße gerochen. Ich bin halt dann einfach, um die Zeit totzuschlagen, da unten reingegangen. Es waren vielleicht fünf, sechs Leute drinnen und da war eine vogelwilde Band, also gar nicht meine Musik damals muss ich sagen, so abgefahren. Drei Schwarze, einer mit einer riesen Afro- Mähne. Wie ein Löwe. Und dann noch ein Bassist und ein Schlagzeuger. Naja und dann haben die das Spielen angefangen und da habe ich mir gedacht, hey, das ist ja gewaltig abgefahren. Wenn man es heute hört, ist es zahm. Aber für damalige Zeiten war das so richtig abgefahren. Wenn wir den Sound der Beatles gewohnt waren, war das schon ganz was anderes. Naja, das war so noch vor Woodstock, wo er dann wirklich bekannt geworden ist. Und ich war den ganzen Abend mit der ganzen Band zusammen. Wir waren nur fünf, sechs Leute als Publikum. So sind die die ganze Zeit bei uns gesessen und wir haben uns unterhalten. Und es war sehr nett. Und ich muss sagen, so vogelwild wie der Jimi Hendrix ausgeschaut hat, auch die anderen zwei, so zahm waren sie. Und die haben alle toll gespielt. Das muss ich auch sagen. Auch wenn es nicht meine Musik war. Das hat mich schon beeindruckt. Und Jimi Hendrix hat auch seine Shows da gemacht. Also mit Zähnen spielen und so. Das war mir neu, das habe ich auf dem Banjo noch nicht probiert."
    Dass Rüdiger Helbig selbst einmal als Profimusiker über die Bühnen ziehen sollte, war damals keinesfalls klar. Denn neben der Musik hat er ein großes Faible für die bildende Kunst. Schon früh zeigte sich sein Talent fürs Malen, seiner Bilder verkauften sich, er stattete ganze Arztpraxen damit aus.

    Künstlerbackground und Brotberuf

    "Ich bin eigentlich mehr aus der Künstlerecke, und zwar väterlicherseits waren die Maler und Bildhauer und das ist auch so meine Profession. Bloß haben meine Eltern damals gemeint: "Werd lieber nicht Maler, sondern irgendwas anderes." Und dann bin ich Musiker geworden und das ist ja gehopst wie in die Luft gesprungen. Macht keinen Unterschied. Und ich war sehr gut im Portraitieren auch Landschaftsmalerei, obwohl ich nicht auf der Kunstakademie war. Es war zwar mein Wunsch, aber das war halt nicht drin. Naja, auf jeden Fall. Meine Eltern haben es gut mit mir gemeint und haben mich eine Ausbildung, es ist lachhaft, als technischer Zeichner machen lassen. Technischer Zeichner hat also mit Kunstmalerei ja gar nichts zu tun. Aber sie haben es ja gut gemeint. Während der Zeit ich die Ausbildung hatte, habe ich schon sehr viel Musik gemacht, bin viel auf der Bühne gestanden und habe wesentlich mehr verdient auf der Bühne als mit dem Beruf. Also hab‘ ich nach der Ausbildung sofort aufgehört damit."
    Mit Bands wie Kentucky Bluefield oder der Black Bottom Skiffle Group, hinter der der aus der Schlagerbranche bekannte Produzent Ralph Siegel stand, war Rüdiger Helbig Dauergast in Radio-und Fernsehshows. Er spielte vor Scheichs in den arabischen Emiraten ebenso wie in offizieller Mission zum Kulturaustausch in der DDR. Die Tournee in den sozialistischen Osten Deutschlands sorgte damals auch abseits der Bühnen für jede Menge Aufsehen.

    Mit dem Camaro in die DDR

    "Ich fahre ja, seitdem ich mit Amis groß geworden bin, immer bis auf den heutigen Tag noch amerikanische Autos und da hatte ich einen Camaro dabei. Und ich weiß noch, in Dresden hab‘ ich den vorm Hotel hingestellt und ich wollte mir Zigaretten aus dem Wagen holen. Geh also nochmal runter und auf einmal war da eine Menschenansammlung von gut 150 - 200 Leuten um den Wagen gestanden und ich hatte angenommen, dass mir da einer reingedonnert ist in den Wagen oder so. Das nimmst ja an, es ist ein Unfall. Dabei haben die geschaut. Die haben noch nie ein amerikanisches Fahrzeug gesehen. Das war der Hammer! Und einmal in Leipzig hab ich auch vorm Hotel geparkt und gehe noch runter wieder. Es war schon dunkel und hole noch paar Klamotten aus dem Auto raus und da ist mein Wagen von unten total beleuchtet gewesen, als wenn unten Scheinwerfer drinnen wären, und ich gehe dahin und dann habe ich gemerkt, dass einer da war: Hallo! Und da war der ganz erschrocken und ist so vorgekrochen. Und der Wagen war nicht hochgebockt, der Camaro ist ja nicht hoch. Und da ist der da rausgekommen. Dann sagt er zu mir, er ist Fahrlehrer. Es tut ihm so leid und er wollte einfach mal eine V8-Maschine sehen. Und da habe ich die Zündschlüssel hochgehalten und hab gesagt: hier fahr mal ‘ne Runde, bringst mir halt nachher wieder den Wagen. Da hat er gesagt, Nein, wenn ich das mache, komme ich ins Gefängnis. Also es waren noch andere Zeiten damals in der DDR."
    Rüdiger Helbig hat zweifelsohne die goldene Ära der Folkmusikbewegung im deutschsprachigen Raum aktiv miterlebt. Doch das Dasein als Profimusiker bringt natürlich Licht-und Schattenseiten mit sich.

    Goldene Folk-Zeiten

    "Es ist halt nicht leicht, wenn du mit der Band vier bis sechs Wochen auf Tour bist und siehst deine Kinder nicht mal, nur um das Geld zu verdienen, das du leben kannst. Jetzt muss ich aber dazusagen, früher war das wirklich so. Wir waren Berufsmusiker und haben niemals für Eintritt gespielt. Also es waren immer Festgagen aus einem ganz bestimmten Grund. Nämlich es gab Agenturen, die sich um dich gekümmert haben, um die Buchungen und eine Agentur geht nie und nimmer auf Risiko. So waren das immer Festgagen und gute Gagen. Wir waren z.B. auch für amerikanische Soldaten unterwegs in ganz Europa. Ja, ich kann es ruhig mal am Mikrofon sagen: Das waren beim Dollarkurs von Vier Mark zehn in der Regel 1700 bis 2000 Dollar pro Abend, zweimal oder dreimal eine halbe Stunde. Solche Gagen sind für die Musiker, die jetzt hier umeinander kreuchen und fleuchen, fast undenkbar. Und sowas war für uns damals die Normalität."
    Dennoch war Rüdiger Helbig klug genug, sich nicht allein aufs Banjospielen zu verlassen und eröffnete Ende der 1970er-Jahre seinen Folkladen.
    "Dazu geraten haben mir meine amerikanischen Musiker. Die haben gesagt, hey Rüdiger, es ist wohl besser, wenn du dir ein zweites Standbein schaffst als Musiker. Mach es so wie viele drüben in den Staaten, mach‘ ein kleines Musikgeschäft auf. Falls mal eine Band auseinanderfällt, brauchst du zwei Jahre bis etwas Neues steht, bis du wieder Jobs hast, und in der Zeit musst du existieren. Und das war gut so."
    Musik: "Kentucky Bluefield"
    "Kentucky Bluefield", ein Stück von Rüdiger Helbig in einer Aufnahme mit der Black Bottom Skiffle Group aus dem Jahr 1977. Helbig hat gerade zu Beginn seiner professionellen Musikerkarriere eisern an sich gearbeitet, um als Autodidakt mithalten zu können. Insbesondere bei Studioaufnahmen mit Kollegen, die eine Ausbildung an einer Musikhochschule vorweisen konnten, hat er schnell gemerkt, wo seine Defizite liegen, etwa wenn es um Musiktheorie ging. Gerade in der Bluegrass-Szene gilt das Spielen nach Noten noch heute als verpönt. Viele auch sehr gute Bluegrass-Musiker der älteren Generation, sogar Legenden wie Earl Scruggs, konnten schlecht Noten lesen, geschweige denn vom Blatt spielen. Als Studiomusiker, wenn es oft darum geht, fremde Stücke mit ihren Melodien und Akkordfolgen schnell zu erfassen, ist dies jedoch eine Grundvoraussetzung. Mit der Zeit hat Rüdiger Helbig seinen eigenen Spielstil entwickelt. Virtuosität und eine gewisse Aggressivität sind beim Bluegrass-Banjo natürlich ein Thema, aber nie als Selbstzweck und immer zur rechten Zeit. Denn nichts sei schlimmer, so Helbig, als ein Banjo-Spieler, der sich permanent in den Vordergrund drängt.
    Angesprochen auf seine stilprägenden Vorbilder meint er.
    Ein Mann im weißen T-Shirt und roter Kappe lehnt sich an eine alte Registrierkasse. Er steht vor einer weißen Schrankwand. An der Schrankwand hängen Postkarten und Banjos.
    Rüdiger Helbig eröffnete das Musik-Geschäft einst als "zweites Standbein". (Deutschlandradio/Jochen Hubmacher)
    "Klar hab ich angefangen mit Earl Scruggs durch das Buch natürlich. Und dann bin ich mehr auf Melodic-Style übergegangen. Scruggs ist mehr so aus den Akkorden raus gespielt und mehr so diese Basics, ja: Und ein Banjo-Spieler seinerzeit, der mich unheimlich fasziniert hat, war Alan Munde, mit dem ich heute eng befreundet bin. Der hat die Gabe schon immer gehabt, irgendwelche Melodien zu erfassen und das aufs Banjo um zu arrangieren. Und du hast wirklich geglaubt, die Nummer ist nur für Banjo geschrieben worden. Dieses Talent hat er einfach. Und bis auf den heutigen Tag mag ich ihn unheimlich gerne, so wie er spielt. Und automatisch hab‘ ich natürlich Spieltechniken von ihm übernommen. Phrasierung und Spieltechniken und so weiter. Und das ist in meinen Stil, wenn du so willst, eingeflossen."
    Musik: "Rocky Island Hornpipe"
    "Rocky Island Hornpipe" von der 1986 eingespielten Rüdiger Helbig-Platte "Banjo Breakfast". Vermutlich das erste Banjo-Album, das jemals in Deutschland produziert wurde. In Hendersonville, Tennessee dagegen wurde einige Jahre später eine CD aufgenommen, auf der Helbig zwar nicht mitspielte, aber an deren Zustandekommen er maßgeblich mitgewirkt hat. Und dieses Netzwerk-Knüpfen für einen bekannten deutschen Kollegen führte am Ende zur Begegnung mit Country-Musiklegende Johnny Cash.

    Begegnung mit Johnny Cash

    "Das war eigentlich ganz einfach. Ich war immer wieder regelmäßig in den USA drüben und habe zu der Zeit auch immer wieder Konzerte oder Fernsehsendungen mit Gunter Gabriel gemacht. Und der Gunter Gabriel war der englischen Sprache nicht so mächtig. Da hat er mich einfach mal gefragt: Mensch Rüdiger, kannst Du nicht mal einen Kontakt machen zu Johnny Cash. Ich möchte so gern mit ihm ein Duo-Album aufnehmen. Also in Deutsch und Englisch - Johnny Cash-Lieder. Und ich habe gesagt: "Ja, ich rufe mal an und schau mal, ob ich empfangen werde." Naja, auf jeden Fall hat es geklappt und ich bin sehr nett empfangen worden von Johnny Cash, von der June Carter, vom Management, alle waren sie da. Und es war so lustig, ich gehe da in dieses Areal rein. Du kommst in das Haus rein. Links und rechts hat er schon hinter Glas seine eigene Hall of Fame gehabt. Also Klamotten, Instrumente, die er gespielt hat. Und da habe ich gedacht: "Hey, der lebt doch noch", so ist es mir durch den Kopf gegangen. Aber das Gespräch war sehr nett und es war auch fruchtend. Die haben dann später einen Vertrag gemacht und die LP wurde aufgenommen. Die gab's dann. Also insofern hat sich mein Weg dahin gelohnt."
    Wesentlich kürzer war der Weg für ein Aufnahmeprojekt, bei dem Rüdiger Helbig wieder selbst Hand ans Banjo legte. Beim Bayerischen Rundfunk entstand ein CD-Album mit Kinderliedern. Das Weltmusikensemble Quadro Nuevo erwies dabei auch den berühmten "Drei Chinesen mit dem Kontrabass" die Ehre, und Rüdiger Helbig steuerte zu diesem musikalischen Gipfeltreffen ein paar Blue Notes bei.
    Musik: "Drei Chinesen mit dem Kontrabass"
    Fragt man Rüdiger Helbig danach, was für ihn die Faszination Banjo im Kern ausmacht, zeigt sich einmal mehr sein spitzbübischer Humor.

    Banjo-Stradivari

    "Naja, das heißt halt: Wenn scho‘ Banjo! Banjo hat ein ganz gewissen Klang und was mich dann beim 5-string Banjo so fasziniert hat, das war das Perlige, wenn ein Banjo rollt. Das ist so was Perliges, das kann man nicht nachahmen mit der Gitarre oder mit irgendwas anderem. Und das hat mich schon immer gereizt. Der Ton auch und Du wirst lachen: Banjo kommt bis auf den heutigen Tag immer noch gut bei den Leuten an. Weil ein Banjo klingt nicht traurig, es klingt immer lebhaft und positiv. Und das ist es vielleicht."
    Stichwort Klang: Rüdiger Helbig versteht es, seinem Instrument viele verschiedene Nuancen zu entlocken. Mal zupft er mit den über Daumen und zwei Finger gestreiften Metall- oder Kunststoffpicks mit viel Attacke direkt an der Brücke, die über das Fell verläuft. Dann wieder klingt es butterweich, wenn sich die rechte Hand Richtung Banjohals bewegt. Um seine Vorstellung vom vollen, glockigen Klang umzusetzen, hat Rüdiger Helbig irgendwann das für ihn optimale Instrument gefunden. Zu hören ist es auf seiner bislang letzten CD "Back to the Banjo"
    "Das was ich da auf der Platte gespielt habe, das war ein 1929er Gibson Granada, ein Original Flat Top. Es gibt Arch Top Tonringe und die Flat Top. Und die Flattop bringen die schöneren Bässe einfach. Die Arch Tops klingen hochtöniger. Und das Instrument, was ich da habe, hat natürlich etwas History. Ich habe das seinerzeit erstanden in Nashville von Curtis McPeak, und der hat es von Earl Scruggs gekriegt. Also Earl Scruggs hat das gespielt. Und das ist natürlich vergleichsweise wie bei der Geige eine Stradivari. Kostet ein Vermögen. Da würden sich rund um Köln bestimmt die Leute ein oder zwei Häuser von bauen können. Aber von dem Instrument gibt's nur eine Handvoll weltweit und ich verwende das nicht mehr auf der Bühne schon lange nicht mehr. Nur noch im Studio."
    Musik: "Pull The Shade Down"
    "Pull the shade down", ein langsamer Walzer in traditioneller Bluegrass-Manier, geschrieben von Rüdiger Helbig. Auf seiner 2007 veröffentlichten CD "Back to the Banjo" hat sich Helbig einige sehr prominente Gastmusiker eingeladen. Rob Ickes, den fantastischen Dobro-Spieler aus den USA, haben wir gerade schon gehört. Beim folgenden "On the road to Nashville" erleben wir neben Helbig, Helmut Mitteregger an der Mandoline, Robert Sautter und Ossi Schaller, Gitarre sowie Albin Haering am Bass. Dazu an der Geige, oder der Fiddle, wie es im Bluegrass heißt: Byrone Berlin. Berlin spielte zeitweise bei den Bluegrass Boys, der legendären Band von Bill Monroe. Gewissermaßen der Goldstandard in der Bluegrassmusik.
    Musik: "On the road to Nashville"
    Wenn man Rüdiger Helbigs Musikerleben Revue passieren lässt, dann machen seine Studio-Aufnahmen und die unzähligen Konzerte und Auftritte in Radio und Fernsehen einen gewichtigen Teil aus. Doch die vielleicht nachhaltigste Wirkung hat er mit seinem pädagogischen Schaffen erzielt. Gerade für Banjo-Spieler in Deutschland, der Schweiz und in Österreich. Denn Helbig verfasste das erste deutschsprachige Lehrbuch für Banjo, er drehte Lehrvideos und unterrichtet bis heute. Im Bluegrass-Camp Germany trommelt er regelmäßig südlich von München hochkarätige Profis zusammen, die dort ihr Wissen weitergeben an die nächste Generation von Bluegrassmusikern.

    Was bleibt vom Bluegrass-Dino

    "Ich werde im April 72 Jahre. Ich bin also ein Bluegrass-Dinosaurier hier in Deutschland. Aber ich kann auf eine schöne Zeit zurückblicken. Ich habe viele, viele Menschen animieren können mit dieser Bluegrass-Musik. Und das ist dann die nächste Generation, die jetzt meinen Sinn, wenn Du so willst, weitergeben wird, weil irgendwann haut‘s mich ja auch um. Da gibt's dann den Rüdiger nicht mehr. Aber, und da bin ich wirklich stolz drauf: Ich habe schon dafür gesorgt, dass hier einiges in Bewegung geraten ist. Ich bilde mir sonst nichts ein. Aber das hat schon Spuren hinterlassen. Und das Wichtigste, das kann ich nur jedem mitgeben, der meint, er ist der Größte: Der Könnergrad ist nicht ausschlaggebend, der Spaß an der Freude ist das Ausschlaggebende. Da ist es unausschlaggebend, ob man auf der Bühne steht oder zuhause im Wohnzimmer mit Freunden spielt. Und Bluegrass ist so eine tolle Musik einfach. Es werden immer mehr und immer mehr. Und es ist wunderschön anzusehen."
    Musik: "Morning Dew"