Die britische Notenbank wurde überhaupt nur gegründet, um etwas zu tun, wovor unabhängigen Zentralbanken heute graut: Sie finanzierte die englische Krone. Gerade 1690 hatten die Engländer eine entscheidende Seeschlacht gegen die Franzosen verloren, die Navy war versenkt, und der König musste sofort neue Schiffe bauen. Dafür musste er sich Geld leihen, erklärt Angus Armstrong, Leiter der Makroökonomischen Forschungsabteilung am National Institute of Economic and Social Research:
"Die Bank of England ist die zweitälteste Zentralbank der Welt nach Schwedens Rijksbank. Sie wurde 1694 gegründet. Die Regierung zog los und führte Kriege, und um das zu tun, brauchte sie Geld, also gab sie Schuldscheine aus. Und die Bank of England hat diese Schulden zertifiziert und sichergestellt, dass die Verbriefungen auch anerkannt wurden. So wurde sie die Bank der Regierung."
Aufstieg Großbritanniens zur Weltmacht entscheidend gefördert
Das Schiffsbauprogramm erwies sich auch als gigantisches Konjunkturprogramm für die komplette Wirtschaft – und die englische Kriegsmarine gewann in der Folge fast alle Seeschlachten. Und so hat die "Old Lady of Threatneedle Street", wie die britische Zentralbank auch genannt wird, den Aufstieg Großbritanniens zur Weltmacht entscheidend gefördert. Zudem etablierte sich die Bank of England als Stabilisator in Krisenzeiten, weil sie klamme Banken mit Liquidität versorgen konnte – und somit 1720 eine Massenpanik unter Bankkunden beendete.
Auch seit dem Brexit operiere die Bank of England wieder in einem Krisenmodus, sagt Angus Armstrong.
"Letzte Woche hat die Bank of England die Konsequenzen eines Brexit für die Finanzmarktstabilität überschlagen und beschlossen, den Banken etwas mehr Spielraum zu geben beim Eigenkapital. Banken müssen jetzt temporär weniger Eigenkapital vorhalten. Die Bank of England war also sehr aktivistisch seit der Brexit-Abstimmung."
Das Mandat der 3.600-Mitarbeiter-Behörde deckt eine derartige aktive Konjunkturstimulation ab – allerdings nur dann, wenn die Inflation unter zwei Prozent liegt, im grünen Bereich.
"Wenn sie das erreicht hat, aber erst dann, kann sie auch die anderen wirtschaftspolitischen Ziele der Regierung unterstützen. Das unterscheidet sie von der Fed, die das Mandat hat, niedrige und stabile Preise zu gewährleisten, Vollbeschäftigung und niedrige langfristige Zinsen. Das ist sehr kompliziert, das alles unter einen Hut zu kriegen. Die EZB ist – ganz im Gegenteil – viel simpler – sie soll nur Preisstabilität gewährleisten."
Seit 1997 weitgehende politische Unabhängigkeit
Kann die Bank of England bei diesem breiteren Mandat aber auch politisch so unabhängig sein wie die EZB, die auf politische Einmischung hochallergisch reagiert? Immerhin wurde die Bank of England, bis dahin eine private Bank, vor genau 70 Jahren komplett verstaatlicht. 1997 aber gab Gordon Brown, Schatzkanzler der frisch gewählten Labour-Regierung, der Bank of England ihre weitgehende politische Unabhängigkeit zurück:
"Die Regierung setzt das Inflationsziel fest. Aufgabe der Bank of England wird es sein, den Leitzins zu bestimmen. Und zwar durch das Monetary Policy Committee. Da wird kein Finanzminister oder irgendein Minister drin sitzen; kein Politiker mischt bei diesem Komitee mit."
Das war die radikalste Veränderung in der damals 300-jährigen Geschichte der Bank. Zwar seien die Mitglieder des Ausschusses, der monatlich über den Leitzins entscheidet, vom Schatzkanzler ernannt. Aber sie seien, sagt Makroökonom Angus Armstrong, anerkannte Experten.
"Das Ungewöhnliche ist die rechtliche Unabhängigkeit, die 1997 geschaffen wurde – im Bereich der Inflationsbekämpfung, aber nach der Finanzkrise auch im Bereich der Stabilisierung der Finanzmärkte."
Seit sich in der Finanzkrise Banken wie die Royal Bank of Scotland oder Lloyds fast in den Ruin spekuliert hatten, hat die Bank of England ihre Bankenaufsicht verschärft. Auch war es ihr zwischenzeitlich gelungen, die lahmende britische Konjunktur zu stimulieren. Doch nach dem Brexit-Votum geht die englische Zentralbank in dieser Hinsicht gerade wieder zurück auf Los.