Bettina Klein: Ein Schuldenerlass von immerhin 50 Prozent, eines der wichtigsten Ergebnisse des EU-Gipfels der vergangenen Nacht, und es war der schwerste Brocken für die Verhandlungsführer. Private Anleger verzichten auf immerhin 100 Milliarden Euro. 70 Milliarden sollen die Banken tragen, 30 die öffentliche Hand. Nicht schlecht für eine angeschlagene Volkswirtschaft, wird manch einer glauben, aber wer jetzt mit Freude in Griechenland gerechnet hat, muss umdenken.
Am Telefon begrüße ich Elmar Brok, langjähriger Europaparlamentarier, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag, Herr Brok.
Elmar Brok: Guten Tag.
Klein: Zunächst mal: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse des Gipfels?
Brok: Das Ergebnis ist besser, als ich es erwartet habe am gestrigen Nachmittag. Es hat sich doch gezeigt, dass in der Stunde der Not man zu weitgehenden Lösungen möglich ist, dass dies eine Basis ist, auf der jetzt aufgebaut werden kann, dass dazu den Märkten genügend Sicherheit demonstriert wird, dass die Europäer in der Lage sind, zu entscheiden und sich gegenseitig zu stützen, und ich glaube auch, dass durch den Haircut gegenüber Griechenland und dann in der Kombination mit dem neuen EFSF wir in der Lage sind, dann doch einen Ringzaun, einen Schutzwall zu machen, dass die Haltbarkeit des Euro von großer Bedeutung ist und dadurch glaubhaft wird.
Klein: Weshalb waren Sie gestern noch pessimistischer?
Brok: Ja wenn ich mir die Diskussionen in Brüssel angehört habe, wenn ich sehe, welche Schwierigkeiten auch in Berlin da waren, in welcher Weise die Bundeskanzlerin in der Lage sein würde, ihr Mandat auszuüben, dann klangen die Meldungen nicht so gut, auch dass man sich da jetzt durchgeboxt hat, insbesondere auch, weil unklar war, in welcher Weise die Banken einbezogen werden können, denn man musste ja vermeiden, einen ungeordneten Haircut hinzukriegen.
Klein: Aber genau daran entzünden sich jetzt auch die Zweifel, denn die Frage ist ja, wie bindend sind diese Beschlüsse, denn jede Bank einzeln muss jetzt noch dazu ja sagen und sich entscheiden, dass sie diesen Beschluss mitträgt.
Brok: Ich glaube, wenn das dann zu einem ungeordneten Verfahren käme und entscheidende Banken nicht mitmachten, dann würde das ein solches Durcheinander an den Märkten bedeuten, dass gerade diese Banken den meisten Verlust haben. Ich glaube, auch die Banken haben keine andere Chance, und da ja hier auch Absicherungen gegeben werden durch den Fonds, muss man sagen, dass, glaube ich, hier Bedingungen vorhanden sind, dass es unklug wäre für verantwortliche Banken, hier etwas zu tun, die ja auch darauf angewiesen sind, dass sie möglicherweise mit staatlicher Hilfe oder europäischer Hilfe rekapitalisiert werden, was sie auch brauchen, um diese Krise zu überstehen.
Klein: Also Sie halten das für ausgeschlossen?
Brok: Ausgeschlossen ist nichts im Leben. Ich hoffe nur, dass in solch einer wirklich gefährlichen Situation, wo auch ein weltweiter Crash kommen kann, wir in der Lage sind zu verstehen, dass man nun gemeinsam handeln muss und jeder seinen Teil der Verantwortlichkeit trägt. Und da das nicht verantwortlich sein auch teuer werden kann, ist das vielleicht der beste Hinweis darauf, dass das funktionieren wird.
Klein: Ich würde gerne noch mal auf das zu sprechen kommen, was wir gerade im Bericht aus Athen gehört haben. In Griechenland ist man nicht zufrieden, zumindest wenn man die Kommentare verfolgt, auch die Bürgerstimmen. Eine strenge Überwachung der Haushaltspolitik ist ein starker Kritikpunkt, von der Besatzung durch die Troika ist die Rede, Katastrophe für die Griechen, haben wir gerade gehört. Halten Sie das für gerechtfertigt?
Brok: Ich glaube, das sind noch Einzelstimmen und nicht die gesamte Bevölkerung. Aber man muss schon sehen, dass doch die Gehaltskürzungen, die stattgefunden haben, wie auch Verluste von Spareinlagen, die mit einem solchen Haircut verbunden sind, und all dieses natürlich auch bedeutet, dass man da nicht glücklich sein kann und dass wir sehen müssen, dass beide großen griechischen Parteien ihr großes Maß an Verantwortung in den letzten Jahren jetzt nicht ausgefüllt haben. Aber was wir jetzt auch tun müssen ist, nicht nur über Sparen zu reden, sondern sie zu drängen, Strukturveränderungen zu machen, die zu Wachstum führen, und auch vorhandene europäische Gelder, die ihnen zustehen, einzusetzen, dass sie Wachstum sehen und dass die Menschen ein Licht am Ende des Tunnels sehen, denn mit Sparen allein hat man noch nie Schulden zurückgezahlt, es muss jetzt auch die Wachstumskomponente hinein.
Klein: Wie, Herr Brok, beurteilen Sie denn das veränderte Risiko beim Hebeln des EFSF, denn auch das ist ja nun festgeschrieben worden und die Details kennen wir noch immer nicht?
Brok: Nun, es wird nicht die Garantiesumme höher für Deutschland, ...
Klein: Das wissen wir, ja.
Brok: ..., aber das Risiko mag größer werden, dass einzelne Bereiche davon fällig werden könnten. Aber was wir machen müssen ist, jetzt zu zeigen, dass die Europäische Union steht und dass wir gegenüber den Märkten auftreten, wenn hier Spekulanten versuchen, hier weiter hineinzugehen, und das muss ein Maß an Glaubwürdigkeit haben. Je klarer das ist und je mehr Bereitschaft zum Risiko wir auch zeigen, desto unwahrscheinlicher ist, dass der Fall eintritt, dass das Risiko genommen werden muss, und wir sollten es vermeiden, jetzt weiter die Politik des zu wenig, zu spät zu machen.
Klein: Wann, Herr Brok, ist eigentlich wieder das Europaparlament in dieser Hinsicht gefragt?
Brok: Das europäische Parlament hat sich gerade damit beschäftigt, denn Herr Barroso und Herr van Rompuy haben gerade dem Plenum des europäischen Parlaments Bericht gegeben. Die Kommission wird hier ihre konkreten Vorschläge machen, die ja zum Teil durch die Gesetzgebung des europäischen Parlaments müssen. Das heißt, wir haben gerade schon mit Herrn Barroso und Herrn van Rompuy über das Ergebnis diskutiert.
Klein: Ich meinte, inwieweit sind sie weiter eingebunden in das bevorstehende Verfahren, dass sich ja wiederum über Wochen und Monate erstrecken wird, wo ja zum Beispiel auch die nationalen Parlamente wiederum eingebunden sein werden.
Brok: Also wir sind nicht eingebunden in den Bereich als Entscheider, wo nationales Geld für die Garantiefonds genommen wird. Aber das, was gesetzgeberisch geregelt werden muss, dieses muss durch das europäische Parlament hindurch und vom europäischen Parlament als Mitgesetzgeber entschieden werden.
Klein: Abschließend, Herr Brok: Ein Signal heute aus Brüssel war auch die stärkere Zusammenarbeit, die stärkere Verzahnung der Euro-Staaten. Es gibt inzwischen auch natürlich Bedenken von denjenigen, die sagen, die Euro-Staaten sind dabei, sich abzukoppeln, und dieses neuerliche Europa der mindestens zwei Geschwindigkeiten sehr skeptisch sehen. Was entgegnen Sie?
Brok: Das ist wirklich ein schwieriger Punkt und hier müssen wir Ängste und Missverständnisse beseitigen, denn ich glaube, dass es wichtig ist, dass dieser Euro als eine Avantgardemethode gesehen wird, so wie sie auch ursprünglich vorgesehen war. Die Länder, die im Euro sind, können sich Regeln geben, aber diese Euro-Gruppe muss offen stehen für alle Länder, die diese Bedingungen erfüllen und hineingehen wollen. Es darf nicht sein, dass es abgekoppelt wird, es darf nicht sein, dass hier neue Institutionen errichtet werden, und dies ist, glaube ich, heute sehr deutlich von den Rednern in der Debatte, aber auch von Präsident Barroso und von Herrn van Rompuy zum Ausdruck gebracht worden, dass hier die Gemeinschaftsinstitution insbesondere in dieser Kommission genutzt werden muss, damit dieses Europa nicht auseinanderfällt.
Klein: Die Einschätzung des Europaparlamentariers Elmar Brok. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Brok.
Brok: Ich danke sehr herzlich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Am Telefon begrüße ich Elmar Brok, langjähriger Europaparlamentarier, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag, Herr Brok.
Elmar Brok: Guten Tag.
Klein: Zunächst mal: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse des Gipfels?
Brok: Das Ergebnis ist besser, als ich es erwartet habe am gestrigen Nachmittag. Es hat sich doch gezeigt, dass in der Stunde der Not man zu weitgehenden Lösungen möglich ist, dass dies eine Basis ist, auf der jetzt aufgebaut werden kann, dass dazu den Märkten genügend Sicherheit demonstriert wird, dass die Europäer in der Lage sind, zu entscheiden und sich gegenseitig zu stützen, und ich glaube auch, dass durch den Haircut gegenüber Griechenland und dann in der Kombination mit dem neuen EFSF wir in der Lage sind, dann doch einen Ringzaun, einen Schutzwall zu machen, dass die Haltbarkeit des Euro von großer Bedeutung ist und dadurch glaubhaft wird.
Klein: Weshalb waren Sie gestern noch pessimistischer?
Brok: Ja wenn ich mir die Diskussionen in Brüssel angehört habe, wenn ich sehe, welche Schwierigkeiten auch in Berlin da waren, in welcher Weise die Bundeskanzlerin in der Lage sein würde, ihr Mandat auszuüben, dann klangen die Meldungen nicht so gut, auch dass man sich da jetzt durchgeboxt hat, insbesondere auch, weil unklar war, in welcher Weise die Banken einbezogen werden können, denn man musste ja vermeiden, einen ungeordneten Haircut hinzukriegen.
Klein: Aber genau daran entzünden sich jetzt auch die Zweifel, denn die Frage ist ja, wie bindend sind diese Beschlüsse, denn jede Bank einzeln muss jetzt noch dazu ja sagen und sich entscheiden, dass sie diesen Beschluss mitträgt.
Brok: Ich glaube, wenn das dann zu einem ungeordneten Verfahren käme und entscheidende Banken nicht mitmachten, dann würde das ein solches Durcheinander an den Märkten bedeuten, dass gerade diese Banken den meisten Verlust haben. Ich glaube, auch die Banken haben keine andere Chance, und da ja hier auch Absicherungen gegeben werden durch den Fonds, muss man sagen, dass, glaube ich, hier Bedingungen vorhanden sind, dass es unklug wäre für verantwortliche Banken, hier etwas zu tun, die ja auch darauf angewiesen sind, dass sie möglicherweise mit staatlicher Hilfe oder europäischer Hilfe rekapitalisiert werden, was sie auch brauchen, um diese Krise zu überstehen.
Klein: Also Sie halten das für ausgeschlossen?
Brok: Ausgeschlossen ist nichts im Leben. Ich hoffe nur, dass in solch einer wirklich gefährlichen Situation, wo auch ein weltweiter Crash kommen kann, wir in der Lage sind zu verstehen, dass man nun gemeinsam handeln muss und jeder seinen Teil der Verantwortlichkeit trägt. Und da das nicht verantwortlich sein auch teuer werden kann, ist das vielleicht der beste Hinweis darauf, dass das funktionieren wird.
Klein: Ich würde gerne noch mal auf das zu sprechen kommen, was wir gerade im Bericht aus Athen gehört haben. In Griechenland ist man nicht zufrieden, zumindest wenn man die Kommentare verfolgt, auch die Bürgerstimmen. Eine strenge Überwachung der Haushaltspolitik ist ein starker Kritikpunkt, von der Besatzung durch die Troika ist die Rede, Katastrophe für die Griechen, haben wir gerade gehört. Halten Sie das für gerechtfertigt?
Brok: Ich glaube, das sind noch Einzelstimmen und nicht die gesamte Bevölkerung. Aber man muss schon sehen, dass doch die Gehaltskürzungen, die stattgefunden haben, wie auch Verluste von Spareinlagen, die mit einem solchen Haircut verbunden sind, und all dieses natürlich auch bedeutet, dass man da nicht glücklich sein kann und dass wir sehen müssen, dass beide großen griechischen Parteien ihr großes Maß an Verantwortung in den letzten Jahren jetzt nicht ausgefüllt haben. Aber was wir jetzt auch tun müssen ist, nicht nur über Sparen zu reden, sondern sie zu drängen, Strukturveränderungen zu machen, die zu Wachstum führen, und auch vorhandene europäische Gelder, die ihnen zustehen, einzusetzen, dass sie Wachstum sehen und dass die Menschen ein Licht am Ende des Tunnels sehen, denn mit Sparen allein hat man noch nie Schulden zurückgezahlt, es muss jetzt auch die Wachstumskomponente hinein.
Klein: Wie, Herr Brok, beurteilen Sie denn das veränderte Risiko beim Hebeln des EFSF, denn auch das ist ja nun festgeschrieben worden und die Details kennen wir noch immer nicht?
Brok: Nun, es wird nicht die Garantiesumme höher für Deutschland, ...
Klein: Das wissen wir, ja.
Brok: ..., aber das Risiko mag größer werden, dass einzelne Bereiche davon fällig werden könnten. Aber was wir machen müssen ist, jetzt zu zeigen, dass die Europäische Union steht und dass wir gegenüber den Märkten auftreten, wenn hier Spekulanten versuchen, hier weiter hineinzugehen, und das muss ein Maß an Glaubwürdigkeit haben. Je klarer das ist und je mehr Bereitschaft zum Risiko wir auch zeigen, desto unwahrscheinlicher ist, dass der Fall eintritt, dass das Risiko genommen werden muss, und wir sollten es vermeiden, jetzt weiter die Politik des zu wenig, zu spät zu machen.
Klein: Wann, Herr Brok, ist eigentlich wieder das Europaparlament in dieser Hinsicht gefragt?
Brok: Das europäische Parlament hat sich gerade damit beschäftigt, denn Herr Barroso und Herr van Rompuy haben gerade dem Plenum des europäischen Parlaments Bericht gegeben. Die Kommission wird hier ihre konkreten Vorschläge machen, die ja zum Teil durch die Gesetzgebung des europäischen Parlaments müssen. Das heißt, wir haben gerade schon mit Herrn Barroso und Herrn van Rompuy über das Ergebnis diskutiert.
Klein: Ich meinte, inwieweit sind sie weiter eingebunden in das bevorstehende Verfahren, dass sich ja wiederum über Wochen und Monate erstrecken wird, wo ja zum Beispiel auch die nationalen Parlamente wiederum eingebunden sein werden.
Brok: Also wir sind nicht eingebunden in den Bereich als Entscheider, wo nationales Geld für die Garantiefonds genommen wird. Aber das, was gesetzgeberisch geregelt werden muss, dieses muss durch das europäische Parlament hindurch und vom europäischen Parlament als Mitgesetzgeber entschieden werden.
Klein: Abschließend, Herr Brok: Ein Signal heute aus Brüssel war auch die stärkere Zusammenarbeit, die stärkere Verzahnung der Euro-Staaten. Es gibt inzwischen auch natürlich Bedenken von denjenigen, die sagen, die Euro-Staaten sind dabei, sich abzukoppeln, und dieses neuerliche Europa der mindestens zwei Geschwindigkeiten sehr skeptisch sehen. Was entgegnen Sie?
Brok: Das ist wirklich ein schwieriger Punkt und hier müssen wir Ängste und Missverständnisse beseitigen, denn ich glaube, dass es wichtig ist, dass dieser Euro als eine Avantgardemethode gesehen wird, so wie sie auch ursprünglich vorgesehen war. Die Länder, die im Euro sind, können sich Regeln geben, aber diese Euro-Gruppe muss offen stehen für alle Länder, die diese Bedingungen erfüllen und hineingehen wollen. Es darf nicht sein, dass es abgekoppelt wird, es darf nicht sein, dass hier neue Institutionen errichtet werden, und dies ist, glaube ich, heute sehr deutlich von den Rednern in der Debatte, aber auch von Präsident Barroso und von Herrn van Rompuy zum Ausdruck gebracht worden, dass hier die Gemeinschaftsinstitution insbesondere in dieser Kommission genutzt werden muss, damit dieses Europa nicht auseinanderfällt.
Klein: Die Einschätzung des Europaparlamentariers Elmar Brok. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Brok.
Brok: Ich danke sehr herzlich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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