Es sind mehr als 100.000 Zahlen, die die Europäische Bankenaufsicht von den 51 europäischen Geldhäusern in 16 Länder erhalten und in den letzten Wochen ausgewertet hat. Diese Banken stehen für etwa 70 Prozent der gesamten Bilanzsumme aller Geldhäuser in der Europäischen Union.
Die europäischen Aufseher haben dieses Mal einen Test konzipiert, der eine schwere, drei Jahre anhaltende Rezession simuliert, die ähnlich stark ausfällt wie während der Finanzkrise von 2008 bis 2010. Dabei unterstellen sie abstürzende Börsenkurse, ein Einbrechen des Euro und der Immobilienpreise sowie plötzlich steigende Zinsen in den USA. Nicht berücksichtigt wurden deren Belastungen durch die niedrigen beziehungsweise negativen Zinsen. Ein Manko, meint auch Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken:
"Das hätte der Glaubwürdigkeit des Stresstests sicherlich gutgetan. Ich glaube aber nicht, dass es ein gravierender Einschnitt ist. Der Stresstest ist auch so aussagefähig. Aber da wir eben die Nullzinsphase haben mit negativen Auswirkungen für die Banken, wäre es schon gut gewesen, wenn das auch mit einbezogen worden wäre."
Auswirkungen des Brexit-Votums findet keine Berücksichtigung
Nicht einbezogen werden auch die Auswirkungen des Brexit-Votums und die möglichen Folgen der italienischen Bankenkrise. Diese werde die deutschen Banken jedenfalls nicht allzu sehr belasten, glaubt Kemmer:
"Die deutschen Banken haben momentan insgesamt 16,5 Milliarden Forderungen an italienische Banken. Das ist für sich genommen ein hoher Betrag. Wenn Sie es aber ins Verhältnis setzen zu den Aktiva des deutschen Bankensystems insgesamt, dann ist das eine überschaubare Zahl. Wir sehen keine Ansteckungsgefahr aus Italien."
Andreas Dombret, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für die Bankenaufsicht zuständig, fürchtet jedenfalls keine neue Bankenkrise in Europa, wie er vor einigen Tagen sagte:
"I don’t fear a new banking crisis in Europe."
Dennoch ist der Finanzmarkt angespannt und schaut aufmerksam auf den Ausgang des Stresstests. Veröffentlicht werden die Zahlen vielleicht auch deshalb erst nach Börsenschluss um 22 Uhr. Immerhin könne man nach dem Stresstest grundsätzlich die Belastbarkeit des Bankensektors besser einschätzen, meint Philipp Häßler, Analyst der equinet-Bank:
"Es ist letztendlich wieder eine Transparenzübung. Man sieht, wie die ein oder andere Bank halt in einem Stressszenario dasteht, ob sie dann Kapital benötigen würde oder nicht. Insofern denke ich, es wird schon interessante Aufschlüsse geben, aber wahrscheinlich wird man nicht viel schlauer sein als vorher – sage ich es mal so."
Deutsche Bank und Commerzbank im Blick der Prüfer
Unter den neun geprüften deutschen Banken sind den Analysten sicher die Deutsche und die Commerzbank einen besonderen Blick wert. Die waren ja gerade in dieser Woche eher negativ aufgefallen. Philipp Häßler:
"Sowohl die Deutsche Bank als auch die Commerzbank leiden halt unter einer niedrigen Profitabilität. Bei der Deutschen Bank kommt noch dazu, dass sie Probleme hat bei der Umsetzung ihrer Strategie, dass da Zweifel sind, ob das so funktionieren wird, und das generell die Kapitalsituation angegriffen wird. Aber mit den italienischen Banken kann man das, glaube ich, nicht vergleichen."
Auch die Gefahr von Risiken, die sich aus dem Fehlverhalten von Bankmitarbeitern ergibt, wird dieses Mal abgefragt. Deren Folgen belasten ja seit Jahren die Deutsche Bank schwer. Eine Kapitalquote geben die Aufseher dieses Mal jedoch nicht vor, deshalb wird es auch keine "Durchfaller" geben.
Aber man wird erkennen können, wie groß im Stressfall der Bedarf an Kapital für die einzelnen Geldhäuser sein wird. Und dann steigt der Druck vonseiten des Marktes auf die betroffenen Banken, ihr Kapital zu erhöhen.