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Banken versuchen Schadensbegrenzung nach Libor-Manipulation

Über Jahre hinweg haben Banken offenbar den Referenzzinssatz Libor manipuliert. Jetzt wird gegen die möglicherweise beteiligten Geldinstitute wegen Verdacht auf Betrug ermittelt. Die Banken sind nun um Schadensbegrenzung bemüht.

Von Brigitte Scholtes |
    Eine Gruppenlösung soll her. Das haben offenbar mehrere Banken im Sinn, die in die Zinsmanipulationen verstrickt sein könnten. Denn sie möchten offenbar, so glauben Beobachter, individuelle Strafen vermeiden, so wie sie die britische Bank Barclays in Kauf genommen hatte und hoffen, mit einem Gruppenvergleich besser wegzukommen. Verhandlungen darüber hätten nach der Strafe für Barclays von fast einer halben Milliarde Dollar an Dynamik gewonnen, hieß es. Doch die Banken sind unterschiedlich verstrickt in die Affäre. Das mache die Verhandlungen der Banken untereinander schwierig. Ob die Gruppenlösung Erfolg haben könnte, daran haben Analysten Zweifel. So sagt Steffen Bongardt von Independent Research:

    "Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob überhaupt Regulierer und Aufsichtsbehörden einer Gruppenlösung zustimmen. Für uns ist insbesondere fraglich, ob in Folge einer solchen Gruppenlösung überhaupt eine Strafmilderung eintritt, weil um Strafmilderung zu erreichen, sind ja andere Eigenschaften erforderlich wie Kooperationsbereitschaft oder gegebenenfalls ein "Whistleblower"-Status, der so was rechtfertigen würde."

    Welche Banken zu einer solchen Gruppe gehören könnten, ist unklar. Ins Visier der Ermittler waren gut ein Dutzend Geldhäuser geraten, darunter die Deutsche Bank, die Schweizer UBS, Citigroup und JP Morgan. Offizielle Stellungnahmen dazu gibt es von ihnen nicht. Den Banken wird vorgeworfen, den Referenzzinssatz Libor manipuliert zu haben. Er wird einmal täglich in London festgesetzt – eigentlich auf Basis tatsächlicher Transaktionen und für verschiedene Kreditzeiträume. Inzwischen denken Regulierer offenbar über eine Abschaffung des Libor nach, er ist Basis für weltweite Finanzgeschäfte im Volumen von mehreren hundert Billionen Dollar. Doch alternative Lösungen sind schwierig, meint Bankenanalyst Bongardt:

    "Die Banken haben sich kein Geld mehr geliehen und dadurch im Grunde genommen nur noch Schätzungen als Libor-Zinssatz ausgegeben. Wenn sich die Banken im Moment Geld leihen, dann nur im kurzfristigen Zeitraum. Das heißt diese Lösungsansätze, die wir momentan sehen – es gibt ja Diskussionen um mögliche Ausweitungen der teilnehmenden Banken würde eben das Risiko abmildern, nicht ausschließen. Dann gibt’s natürlich Diskussionen um eine zentrale Clearingstelle, wo gegebenenfalls mehr Banken ihre kompletten Transaktionen bündeln können. Aber auch da haben sie ja das Problem, dass der Libor mehrere Zeiträume abdeckt."

    Bei der britischen Barclays Bank haben die Libor-Manipulationen schon zum Rücktritt des Verwaltungsrats- als auch des Vorstandschefs geführt. Nun machen sich Beobachter in Frankfurt Gedanken darum, inwieweit Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain in die Affäre verwickelt sein könnte, ob er Kenntnis von diesen Manipulationen gehabt haben könnte. Denn er war bis Ende Mai für die entsprechende Sparte zuständig. Angeblich habe Josef Ackermann ihn deshalb als seinen Nachfolger abgelehnt, ist zu hören. Das sind reine Spekulationen, und noch hält man Konsequenzen für Jain nicht für wahrscheinlich. Aber eines dürfte der Deutschen Bank doch zu denken geben, glaubt Analyst Bongardt:

    "Tatsache ist aber auch, dass die laufenden Diskussion um eine mögliche Mitwisserschaft und fehlerhafte oder unzureichende Kontrollsysteme innerhalb der Deutschen Bank natürlich die Deutsche Bank insgesamt belasten und gegebenenfalls zu einem Reputationsschaden führen können."

    Angeblich sind bei der Deutschen Bank 100 Mitarbeiter an der Aufklärung beteiligt.