In seinem Lissabonner Büro hält Manuel Luís ein Stück Kork in der Hand und erklärt den Unterschied zwischen guter und schlechter Rinde. Der 38-jährige Agraringenieur ist zurzeit selten in der Hauptstadt: Die Schälung der Korkrinden in der südlichen Alentejo-Region hat begonnen und Luís will mit seiner Firma den Kork für einen Landwirt einfahren. In Lissabon warten vor allem bürokratische Aufgaben: Das kleine Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, land- und forstwirtschaftliche Projekte mit Hilfe von EU-Fonds umzusetzen. Wenn jetzt als Sanktionsmaßnahme tatsächlich die Gelder aus Brüssel gekürzt werden sollten, erwartet Manuel Luís nicht nur für seinen Betrieb schwere Zeiten:
"Eine Kürzung der EU-Gelder würde den ganzen Sektor treffen. Die Grundbesitzer, die ihr Eigentum nicht mehr richtig pflegen können, Unternehmen wie wir, die die EU-Projekte nicht durchführen können, unsere Mitarbeiter und die Maschinerie/Maschinen, die dann nicht gebraucht werden, und ein großer Teil der Arbeiter vor Ort, die in den Projekten einen Job finden: also beim Säen, beim Beschneiden der Bäume oder bei der Instandhaltung der Wälder. Und damit sinkt auch die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten wie Dünger, Saatgut oder Insektenvernichtungsmittel."
"Eine Kürzung der EU-Gelder würde den ganzen Sektor treffen. Die Grundbesitzer, die ihr Eigentum nicht mehr richtig pflegen können, Unternehmen wie wir, die die EU-Projekte nicht durchführen können, unsere Mitarbeiter und die Maschinerie/Maschinen, die dann nicht gebraucht werden, und ein großer Teil der Arbeiter vor Ort, die in den Projekten einen Job finden: also beim Säen, beim Beschneiden der Bäume oder bei der Instandhaltung der Wälder. Und damit sinkt auch die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten wie Dünger, Saatgut oder Insektenvernichtungsmittel."
Den Wirtschaftsmotor nicht abwürgen
Zwischen 2014 und 2020 soll Portugal rund 25 Milliarden Euro an Fördergeldern von der EU erhalten. Und dieses Geld sei für die gesamte Wirtschaft enorm wichtig, sagt auch João Galamba, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der regierenden Sozialisten im portugiesischen Parlament:
"Die EU-Gelder machen einen großen Teil des Budgets für öffentliche Investitionen in Portugal aus. Und sie kurbeln gleichzeitig die privaten Investitionen mit an. Wenn jetzt wirklich in diesem Bereich, der so enorm wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist, gekürzt wird, wäre das ein kurzsichtiger Schritt. Wir wissen, dass Haushaltsdisziplin wichtig ist, aber wenn sie den Wirtschaftsmotor abwürgt, dann erreicht sie auch ihr wichtigstes Ziel nicht."
Unmut über die Brüsseler Politik
Galamba hat mit seiner Fraktion eine Resolution auf den Weg gebracht, in der sich das Parlament gegen mögliche Sanktionen aussprechen will. Portugal hatte in den vergangenen beiden Jahren das angepeilte Defizitziel weit überschritten. Doch Lissabon verweist darauf, dass ohne die außerordentliche Verstaatlichung von zwei angeschlagenen Banken in den Jahren 2014 und 2015 das Budget nicht derart überzogen worden wäre. In Portugal herrscht deshalb großes Unverständnis, warum die EU gerade jetzt so genau auf die Zahlen hinter dem Komma schaut. Beim Parteitag der Sozialisten am Wochenende machte Premierminister António Costa seinem Unmut über die Brüsseler Politik Luft:
"1000 Menschen, Menschen so wie wir hier, sind in der vergangenen Woche im Mittelmeer ertrunken, als sie Europa erreichen wollten. Und was macht Europa? Es diskutiert darüber, ob die vorherige portugiesische Regierung das Defizitziel um 0,2 Prozent überschritten hat oder nicht."
Die sozialistische Minderheitsregierung erhält auch Unterstützung aus konservativen Kreisen. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte bei seinem Staatsbesuch in Deutschland vor zehn Tagen Bundeskanzlerin Angela Merkel um Nachsicht gebeten. Und auch führende Mitglieder der vorherigen konservativen Regierung, deren Haushaltspolitik nun am Pranger steht, haben sich gegen Sanktionen ausgesprochen. João Galamba überrascht diese ungewöhnliche Geschlossenheit der eigentlich tief gespaltenen politischen Kräfte in Portugal nicht. Denn die Forderung nach Sanktionen für Portugal spreche gegen den gesunden Menschenverstand, so der sozialistische Fraktionsvize:
"Es gibt die Idee, dass die Glaubwürdigkeit der Euro-Stabilitätskriterien davon abhängt, ob Staaten bestraft werden oder nicht. Ich glaube aber, es hängt vielmehr davon ab, ob die Länder sich um das Einhalten der Regeln bemühen. Wenn jetzt ein Land ganz offen sagen würde: 'Diese Kriterien interessieren mich nicht, ich lasse das Defizit ansteigen, ich mache, was ich will.' Dann würde eine harte Linie vielleicht sinnvoll sein. Aber das macht Portugal ja nicht. Und deshalb steht eine falsche Logik dahinter, wie wir die Glaubwürdigkeit der Regeln garantieren können. Mit der Peitsche geht das nicht."
"Es gibt die Idee, dass die Glaubwürdigkeit der Euro-Stabilitätskriterien davon abhängt, ob Staaten bestraft werden oder nicht. Ich glaube aber, es hängt vielmehr davon ab, ob die Länder sich um das Einhalten der Regeln bemühen. Wenn jetzt ein Land ganz offen sagen würde: 'Diese Kriterien interessieren mich nicht, ich lasse das Defizit ansteigen, ich mache, was ich will.' Dann würde eine harte Linie vielleicht sinnvoll sein. Aber das macht Portugal ja nicht. Und deshalb steht eine falsche Logik dahinter, wie wir die Glaubwürdigkeit der Regeln garantieren können. Mit der Peitsche geht das nicht."