Wie ist es um die Credit Suisse bestellt? Um diese Frage ging es auch im Wirtschaftsgespräch „Gut & Börse“ von Radioeins am Donnerstagmorgen, wenige Stunden nach Bekanntgabe der Schweizer Großbank, sich 50 Milliarden Franken von der Schweizer Nationalbank leihen zu werden.
„Wenn Sie als Wirtschaftsexperte sagen ‚Diese Bank XY könnte Probleme‘ haben, dann führt doch diese Aussage erst dazu, dass die Probleme haben, weil dann so unsichere Kunden wie ich da schnell hingehen und ihr Geld abziehen. Wie geht man damit um?“, fragt gegen Ende der RBB-Moderator seinen Gesprächspartner, den Wirtschaftsjournalisten Nicolas Lieven.
Dessen Antwort: Am Ende müsse er sich „natürlich an die Fakten halten“, so wie auch im Fall der Credit Suisse, betont Lieven. Insgesamt aber erlebe auch er den Umgang mit dieser Frage als „Gratwanderung“, weil es auch „viel mit Vertrauen und mit Glaubwürdigkeit zu tun“ habe.
Ringen um die richtige Einordnung
Auch im Deutschlandfunk (Dlf) ist die Krise der Schweizer Bank an diesem Morgen Thema. Auf die Frage der Moderatorin „Stehen wir vor der nächsten weltweiten Bankenkrise?“
erwidert Klemens Kindermann aus der Dlf-Wirtschaftsredaktion
: „Das kann man jetzt noch nicht sagen.“ Immerhin habe die Entwicklung, so Kindermann, „seit heute eine neue Dimension angenommen“.
Andere Medien ringen ebenfalls um die richtige Einordnung: Die Krise der Schweizer Bank sei zwar ein Sonderfall, heißt es etwa im „Handelsblatt“, um zu ergänzen, „doch das macht sie nicht weniger bedrohlich“. Die F.A.Z. stellt auf ihrer Titelseite fest: „Schweizer Bankhaus Credit Suisse schüttelt die Märkte durch“. Und auch „Die Welt“ erinnert mit „Die Angst vor dem Lehman-Moment wächst“ an die Finanzkrise von 2008.
Wirtschaftsjournalist: Es geht um Fakten, nicht Gerüchte
Damals sei dem Wirtschaftsjournalismus vorgeworfen worden, die Finanzkrise nicht vorhergesehen zu haben, blickt Henrik Müller auf diese Zeit zurück - „zum Teil ja auch zu Recht“, ergänzt der Dortmunder Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus und „Spiegel“-Kolumnist. Denn bis 2008 sei die Verbindung zwischen Finanzbranche und Journalismus noch sehr eng gewesen, wie auch Studien gezeigt hätten, so Müller gegenüber dem Deutschlandfunk:
„Man teilte das gemeinsame Weltbild, dass Finanzmärkte stabil seien und dass im Zweifel ein florierender, möglichst großer Finanzsektor eine gute Sache sei für eine Volkswirtschaft, weil da eben hochproduktive Dienstleistungsjobs geschaffen werden.“
Seither, so sein Eindruck, sei das Verhältnis jedoch distanzierter geworden. Zu den Kernaufgaben des Wirtschaftsjournalismus gehöre es, „Entwicklungen abzuschätzen“ und „Szenarien aufzuzeigen, und zwar von der Warte des unabhängigen Beobachters aus", betont der Autor und Wissenschaftler, „und das natürlich auf Basis von Fakten und nicht von wilden Gerüchten“. Genau das erwarte das Publikum, wie auch Umfragen zeigten.
„Berichterstattung beeinflusst natürlich die Stimmung“
Und was ist mit der Gefahr, dass kritische Berichterstattung einen „Bank Run“, also einen Ansturm auf Banken herbeiführt? „Das sehe ich nicht“, so Müller. Natürlich beeinflusse, auch das sei wissenschaftlich belegt, journalistische Berichterstattung die Stimmung in der Bevölkerung und welche Themen dort als wichtig erachtet würden.
„Man könnte ja auch sagen, wir ignorieren das Thema und bringen nichts über Credit Suisse.“ Doch das wäre ja nicht angemessen, denn die Probleme verschwinden ja nicht, sie würden dann nur verschwiegen, findet der Journalismusprofessor – auch angesichts der Erfahrungen der vergangenen 15 Jahre.
Mit Blick auf Entwicklungen des gesamten Finanzsystems sei der Journalismus ohnehin nicht allzu wichtig, erklärt Kim Otto, Professor für Wirtschaftsjournalismus in Würzburg. Entscheidend hier seien institutionelle Großanleger wie etwa BlackRock, der weltgrößte Vermögensverwalter aus den USA, sagte der frühere WDR-Journalist im Deutschlandfunk. Und bei solchen Unternehmen spielten eben „journalistische Informationen gar keine Rolle“.
"Von Panikmache habe ich wenig gespürt“
Diese Investoren verfügten über eigene Quellen und beschäftigten außerdem „die guten Analysten“. Otto warnt private Investoren auch deshalb davor, auf „vermeintlichen Analysten“ zu vertrauen, die auf Social-Media-Kanälen unterwegs sind. Denn diese hätten ihre eigene Agenda.
Auf die Frage, ob im klassischen Journalismus aktuell angesichts der Krise bei Credit Suisse nicht Panik geschürt werde, rät Otto, zu unterscheiden zwischen Schlagzeilen und den dazugehörigen Texten. Bei den Schlagzeilen gehe es auch um einen Leseanreiz. „Wenn man dann aber genauer in die Artikel reingeht, habe ich da von Panikmache wenig gespürt.“ Auch Otto hält es für gerechtfertigt, darüber zu sprechen, welche Risiken es aktuell gibt.