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Bankenrechtler: Doppelspitze bei Deutscher Bank ist "ambitiös"

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verabschiedet sich mit enttäuschenden Zahlen. Auf ihn folgt mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen eine indisch-deutsche Doppelspitze. Ein Zeichen dafür, dass die Deutsche Bank ihre eigene Globalisierung erfolgreich gemeistert habe, sagt Bankenrechtler Burghof.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Sollte Josef Ackermann jemals vorgehabt haben, sich noch einmal richtig feiern zu lassen – die Feier fällt aus, denn die letzte Jahresbilanz, die er heute als Chef der Deutschen Bank vorgestellt hat, ist eine gemischte. Zuletzt liefen die Geschäfte nicht sonderlich gut im Investmentbanking, der Gewinn ist dort eingebrochen. Das ist eine wichtige Größe, denn immerhin wird es der bisherige Chef des Investmentbereichs sein, der indischstämmige Banker Anshu Jain, der ab dem Frühjahr gemeinsam mit Jürgen Fitschen die Bank führen wird. Wir wollen in den kommenden Minuten beim Thema bleiben. Am Telefon begrüße ich Professor Hans-Peter Burghof, er leitet den Lehrstuhl Bankrecht an der Universität Hohenheim. Guten Tag!

    Hans-Peter Burghof: Guten Tag!

    Schulz: In welchem Zustand hinterlässt Josef Ackermann die Deutsche Bank?

    Burghof: Eigentlich verglichen mit anderen Banken in einem sehr guten Zustand. Natürlich sind nicht alle Blütenträume gereift, die man hatte. Man hat ja nun diese Vorstellung einer ganz hohen Eigenkapitalrendite als Dauerzustand, hat aber zwei Dinge feststellen müssen: erstens, dass das nicht haltbar ist, und zweitens, dass das auch gar nichts bringt, weil es in der Regel dann doch häufig auf Kosten von Zuverlässigkeit geht, von Langfristigkeit. Und insofern ist der Zustand, auch wenn man auf einem niedrigeren Gewinnniveau sich jetzt wiederfindet, vielleicht gar nicht so schlecht.

    Schulz: Josef Ackermann, er ist und war ja eine Reizfigur in der deutschen Gesellschaft – nicht nur bei Globalisierungs- und Bankenkritikern. Andererseits war er aber auch ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Welches Image wird das Bild prägen?

    Burghof: Ich denke, es wird so bleiben wie es war, die deutsche Öffentlichkeit wird ein vollkommen gespaltenes Bild haben. Diejenigen, die sich enger mit Banken beschäftigen, die auch akzeptieren, dass Banken in einer bestimmten Weise agieren, werden die Verdienste vor allem sehen. Ich meine, er hat die Deutsche Bank so aufgestellt, dass sie global präsent ist, und das ist eine Leistung auch für die deutsche Wirtschaft, denn die deutschen Unternehmen sind ja genauso aufgestellt, die brauchen auch so eine Bank.

    Andererseits gibt es natürlich die Kritik – und die ist auch nicht unberechtigt – an vielen Kurzschüssen. Die haben halt eine Steuerung gehabt, die ganz, ganz stark auf Rentabilität, auf Rendite ging, und das hat in die Bank hineingewirkt und hat zu Auswüchsen geführt, die auch teilweise das Verhältnis zu den Kunden erheblich belastet haben. Dann gibt es natürlich auch die ideologisch motivierte Kritik, die generell das Agieren von Banken kritisch sieht und sagt, das müsste alles vom Staat ausgehen, aber das spielt jetzt eigentlich keine große Rolle.

    Schulz: Was war oder ist der größte Fehler, den Josef Ackermann gemacht hat?

    Burghof: Ich denke, dass ihm gelegentlich ein paar Teams gerade im Investmentbanking aus dem Ruder gelaufen sind, die also diese starke Orientierung an der Rendite über alles gestellt haben, die man dann über Zahlenwerke gesteuert hat, die dazu geführt haben, dass sie Dinge getan haben, die das Verhältnis der Bank zu ihren Kunden ganz erheblich geschädigt haben. Das korrigiert man jetzt, das hat man erkannt, da arbeitet man dran. Nur bis so ein Schaden behoben ist, das kann natürlich eine ganze Weile dauern.

    Schulz: Manche sagen, der schwerste Fehler, den Ackermann gemacht habe, das war sein Auftritt beim Mannesmann-Prozess, als er das Victory-Zeichen gezeigt hat. Wie charakterisiert Ackermann dieser Auftritt?

    Burghof: Ich weiß es nicht. Er hat das ja so geschildert, dass das ein Witz war, den man halt so macht in so einem Vorgespräch, wenn man nervös ist und sich ein bisschen versucht zu lockern, und dass das dann halt so aufgenommen und interpretiert wurde, wie es nie gemeint war. Ich nehme ihm das eigentlich ab.

    Dann müssen wir uns mehr Gedanken darüber machen, wie die Medien eigentlich umgehen mit Menschen. Das Problem ist ja, wenn man keinen Witz mehr machen darf in der Öffentlichkeit, wenn man sich überhaupt nicht mehr menschlich zeigen kann in der Öffentlichkeit, weil jedes, was man tut, beobachtet und dann immer, immer wieder im Fernsehen, in den Bildmedien gezeigt wird, dann werden wir nur noch im Grunde genommen living Zombies haben, Leute, die jede Handlung unter Kontrolle haben, die nie einen Satz sagen, den nicht ihr Pressesprecher bis zum Letzten mit der Rechtsabteilung abgestimmt hat. Also ich würde das nicht so hoch hängen, auch wenn es natürlich, eben weil es so schön illustrativ ist, das Bild der ganz breiten Öffentlichkeit prägen wird.

    Schulz: Ihm das als Überheblichkeit auszulegen, das wäre aus Ihrer Sicht das große Missverständnis?

    Burghof: Ich denke, diese Situation, das ist sicher ein Missverständnis. Dass natürlich eine Großbank wie die Deutsche Bank immer mit dem Problem der Überheblichkeit zu kämpfen hat, das ist klar, aber das geht großen Konzernen übrigens auch so.

    Schulz: Jetzt braucht es offenkundig ja zwei Manager, um einen zu ersetzen. Liegt das wirklich daran, dass die Fußspuren eines Josef Ackermann so groß sind?

    Burghof: Das weiß ich nicht. Richtig ist aber, dass die Bank halt sehr breit aufgestellt ist und dass man offenbar niemanden gefunden hat, der in dieser Breite die Bank repräsentieren kann. Herr Ackermann verbindet halt diese Schweizer Solidität, die man im commercial banking braucht, mit der Weltläufigkeit des großen Investmentbankers. Zumindest hat er diese Rolle spielen können. Und es ist nicht leicht, Leute zu finden, die dieses beides können, und deswegen ist es vielleicht ganz sinnvoll, dass man, wenn man jetzt zunächst mal dafür Zeit hat, solange man niemand hat, der beides kann, halt das auf zwei Schultern legt.

    Schulz: Können Anshu Jain und Jürgen Fitschen das dann gemeinsam?

    Burghof: Da sind wir sehr gespannt. Normalerweise führt so was zu Machtkämpfen. Andererseits: jeder von den beiden hat seine spezielle Spielwiese und muss gar nicht dem anderen in die Suppe spucken. Es wird eine Frage der Charakterstärke der beiden sein, ob sie es schaffen, zusammenzuleben, oder ob dann irgendeiner von den beiden die Ellbogen ausfährt und sagt, jetzt muss ich aber entscheiden, wo die Bank hinfährt. Für die Bank wäre das wohl nicht so gut, weil je stärker man sich auf einen Bereich konzentriert und den anderen vernachlässigt, umso schwächer wird die Bank, weil umso schlechter ist halt diese Möglichkeit der Ergebnisstreuung, die ja gerade in diesem Jahr das Ergebnis der Deutschen Bank im Grunde genommen gerettet hat.

    Schulz: Zu lesen gibt es und geschrieben wird, das ist der Eindruck, im Moment wohl deutlich mehr über Anshu Jain. Glauben Sie, dass das auch die Machtverteilung in der Bank vorzeichnet?

    Burghof: Ich glaube, vor kurzer Zeit hätte man dem noch eindeutig zugestimmt. Inzwischen ist es ein bisschen anders geworden: die Bank hat ja ganz kräftig zugekauft, im commercial banking, auch im retail banking mit ganz normalen Kunden, hat sich da stärker aufgestellt. Und das heutige Ergebnis, was präsentiert wurde, beruht ja im wesentlichen eben nicht auf dem Investmentbanking. Das heißt, die Position von Jain ist deutlich geschwächt worden durch die Ereignisse der letzten Zeit. Das kann Geld kosten – ich denke jetzt nur an die Prozesse in den USA -, es kann aber auch helfen dazu, dass die Bank insgesamt ausgewogener in die Zukunft geführt wird und dass nicht das Investmentbanking über alles hinwegfährt.

    Schulz: Und mit Jain gibt es natürlich jetzt auch zum ersten Mal einen Chef der Deutschen Bank, der weder in Europa sozialisiert ist, noch oder kaum Deutsch spricht. Was heißt das denn eigentlich für Deutschlands größte Bank?

    Burghof: Ja das heißt, dass sie es geschafft hat, sich erfolgreich zu globalisieren. Aber das sehe ich eigentlich nicht negativ. Ich meine, die Arbeitssprache in vielen großen Unternehmen ist heute Englisch, und auch an Universitäten wie zum Beispiel an meiner gibt es halt auch Vorlesungen schon auf Englisch. Das heißt, die Studenten werden da schon drauf getrimmt. Ich lese also eigentlich auch nur auf Englisch, weil das eben die Sprache der Finanzen ist.
    Andererseits behält sie aber auch den Fuß auf dem Boden in Deutschland, indem sie weiterhin einen sehr deutsch geprägten zweiten Chef hat. Das ist eigentlich ein ganz gutes Konzept, da habe ich eigentlich nichts gegen. Es ist halt ein Zeichen der Globalisierung. Wenn man in die Wiege dieser beiden Chefs geguckt hätte und überlegt hätte, dass diese beiden mal zusammen eine Bank führen würden, dann hätte man wahrscheinlich damals gesagt, das ist vollkommen unmöglich.

    Schulz: Kann so ein Konzept denn überhaupt funktionieren, eine Doppelspitze bei der größten deutschen Bank?

    Burghof: Es ist ambitiös, nenne ich es mal, weil natürlich Manager alle die Tendenz haben, sich entfalten und durchsetzen zu wollen, und wenn man dann in einer Doppelspitze ist, dann geht das schnell auf Kosten des anderen in der Doppelspitze. Andererseits: Herr Fitschen hat halt die größere Verankerung in Deutschland, die Herr Jain braucht, damit er stark sein kann in der Bank, und Herr Jain ist halt ein bisschen jünger, hat vielleicht da ein noch ein bisschen aggressiveres Auftreten, was diese Dinge angeht. Man kann da nur gespannt sein, ob die beiden es schaffen. Ich wünsche es ihnen, dass sie da harmonisch miteinander arbeiten und nicht gegeneinander.

    Schulz: Wenn wir jetzt noch mal bei Anshu Jain bleiben. Auch heute Mittag hier bei den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk steht er auch deswegen in der Kritik – nicht nur wegen des Ergebnisses jetzt in seiner Investment-Sparte, sondern weil es auch Berichte gibt über dubiose Geschäfte, die letzten Endes auch Jain zu verantworten haben soll. Sehen Sie da keinen Image-Schaden auf die Bank zukommen?

    Burghof: Das Risiko ist da, und Sie wissen: vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, da kann alles Mögliche bei herauskommen. Richtig spekulieren darüber, was dahinter steckt, können wir nicht. Da müssen wir einfach gucken, welche Beweise auf den Tisch kommen, wie die gewertet werden. Es gibt auch einen Punkt, der einem Sorgen machen kann: das ist die simple Tatsache, dass ausländische Unternehmen es vor amerikanischen Gerichten traditionell sehr schwer haben. Das kann daran liegen, dass sie nicht gewohnt sind, mit amerikanischen Gerichten umzugehen; es kann aber auch daran liegen, dass amerikanische Richter ausländischen Unternehmen gegenüber auch mal gerne skeptischer sind als gegenüber amerikanischen Unternehmen, was relativ natürlich ist, aber das ist natürlich ein Problem für die Deutsche Bank. Die Risiken dieser Prozesse sind nicht unerheblich.

    Schulz: Sie spielen an auf die Schadensersatzklagen, die es ja gibt in den USA, eben gegen die Deutsche Bank. Wird das für die Bank gefährlich, oder für Anshu Jain?

    Burghof: Für beide, ganz klar. Ich meine, die Bank kann viel Geld verlieren, die Amerikaner neigen ja zu exzessiven Strafen. Und insbesondere, wenn die Bank das Gefühl hat, wir haben nichts falsch gemacht, und lässt es darauf ankommen und macht keinen Deal vorher, wie das ein amerikanisches Unternehmen wahrscheinlich täte, dann kann es sehr, sehr teuer werden, weil der Richter dann am Ende sagt, ihr seid nicht einsichtig, deswegen müsst ihr jetzt richtig viel Geld zahlen. Und wenn das Geld dann noch aus dem Ausland kommt, dann macht das ein amerikanischer Richter möglicherweise besonders gerne, dann den Betrag sehr hochzusetzen. Also da ist ein erhebliches Risiko und es liegt natürlich in der Verantwortung von Jain, und da muss man mal gucken, wie groß der Schaden ist. Es ist da einiges aus dem Ruder gelaufen im Investmentbanking vieler, vieler Banken, aber eben auch der Deutschen Bank, und das wird jetzt zurückgeführt, und es kann halt sein, dass uns das noch mal Probleme bereiten wird in der Deutschen Bank.

    Schulz: Professor Hans-Peter Burghof, Finanzwissenschaftler der Uni Hohenheim und heute in den "Informationen am Mittag" hier im Deutschlandfunk. Danke schön!

    Burghof: Bitte schön.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.