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Bankenrettung
Grüne mit neuen Regelungen zur Bankenabwicklung zufrieden

In der Europäischen Union hat man sich auf die Details einer Bankenunion geeinigt. Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, lobte im Deutschlandfunk, dass der Finanzbranche dabei höhere Lasten aufgebürdet werden.

Sven Giegold im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Was sagt jetzt das Europaparlament? - Sven Giegold ist Finanzexperte der Grünen und Mitglied für die Partei Die Grünen im Europaparlament. Guten Tag, Herr Giegold!
    Sven Giegold: Guten Tag, Herr Meurer!
    Meurer: Zwei ganz große Themen gibt es offenbar bei der Bankenunion. Fangen wir mit dem einen an, nämlich: Wer trifft die Entscheidung, wann eine Bank abzuwickeln ist? In der Regel die Europäische Zentralbank, manchmal auch der Ministerrat, also die nationalen Regierungen. Sind Sie damit einverstanden?
    Giegold: Zunächst mal trifft diese Entscheidung in aller Regel die Europäische Zentralbank und es kann dann auch der nationale Aufseher, nicht der Ministerrat, auch Hinweise geben, wo es Probleme gibt. Mit dem Grundprinzip, dass die Zentralbank erst mal den Auslöser gibt, damit sind wir völlig einverstanden, auch nach einer so langen Verhandlungsnacht.
    Meurer: Das heißt, die Regierungen - nehmen wir mal den Fall -, die zypriotische Regierung hat kein Vetorecht?
    Giegold: Nein. Das entscheidet der Aufseher. Der Aufseher ist ja in Zukunft in der Eurozone die Europäische Zentralbank. Darüber reden wir ja hier. Und damit ist das eben nicht mehr bei den Mitgliedsländern. Die können nicht mehr Pleiten von Banken so lange verschleppen, bis es teuer wird.
    Meurer: Bei diesem Punkt gibt es Ihre Unterstützung, bei der Frage, wer drückt den Startknopf, um eine Bank als eine abzuwickelnde zu definieren?
    Giegold: Ja, genau. Das ist ein großer Fortschritt. Aber ehrlich gesagt war das nicht der umstrittenste Punkt. Wesentlich umstrittener war die Frage, wer eigentlich wann entscheidet, wie die Abwicklung abläuft. Und da wollte der Rat ursprünglich, dass letztlich die nationalen Behörden das entscheiden können, und das ist jetzt durch unsere Mitwirkung sehr viel schlanker geworden. Es wird nur noch sehr selten dazu kommen. In aller Regel wird das eine europäische gemeinsame und faire Entscheidung für alle sein und nicht mehr dem Kuhhandel der Mitgliedsländer und seiner Behörden anheimgestellt.
    55 Milliarden sind ein kleiner Topf
    Meurer: Nehmen wir das zweite große Streitthema, Herr Giegold. Es gibt einen Topf, der soll mit 55 Milliarden Euro gefüllt werden, Geld der Banken selbst, und dieser Topf, dieser Fonds soll dann greifen, wenn eine Bank in Abwicklung ist, wenn man dafür Geld braucht. Wie sieht hier Ihre Einschätzung des Kompromisses aus?
    Giegold: Erst mal muss man sagen, dass natürlich die 55 Milliarden ein kleiner Topf sind. Das liegt aber daran, dass vorher, bevor überhaupt man an dieses Geld heran kann, acht Prozent der Bilanzsumme jeder Bank Gläubigerbeteiligung oder Gläubigerhaftung durchgeführt werden muss, und das ist der große Unterschied, dass in Zukunft zunächst mal die Eigentümer und Gläubiger der Bank bezahlen und nicht irgendein Topf.
    Meurer: Diese acht Prozent Gläubigerhaftung, wie soll das funktionieren?
    Giegold: Das bedeutet, dass in dem Moment wie in Zypern, wenn eine Bank Pleite geht, zunächst mal diejenigen dran sind, denen die Bank gehört oder die der Bank Geld geliehen haben. Und jede Bank muss genügend Kapital vorhalten, das man auch in dieser Weise zur Haftung ziehen kann. Erst wenn das nicht reicht, um die Verluste zu decken - in den allermeisten Bankenkrisen reichen diese acht Prozent -, erst dann geht es überhaupt an den Fonds. Der Fonds wiederum kann noch mal bis zu fünf Prozent der Bilanzsumme theoretisch zuschießen, und dort war es jetzt bisher so, dass immer wenn der Fonds ins Spiel kommt, die Mitgliedsländer wieder in die Entscheidung kommen wollten, was die Gefahr mit sich bringt, dass das nach politischem Kuhhandel geht und nicht wirklich die Steuerzahler schützt. Auch da haben wir viel besser vorgebaut, als das vorher der Fall war.
    Kleinsparer sollen besser geschützt werden
    Meurer: Wir hatten ja im Falle Zyperns die Riesenauseinandersetzung, Herr Giegold, gehabt: Was ist mit Ersparnissen über 100.000 Euro und unter 100.000 Euro. Werden nach diesem Kompromiss die Kleinsparer unter 100.000 Euro garantiert ihr Geld behalten?
    Giegold: Die Sparer unter 100.000 Euro behalten ihr Geld. Das war allerdings vorher schon klar, das war nicht mehr Gegenstand dieser Verhandlungen. Das hatten wir schon in einem vorigen Rechtsetzungsakt abgesichert.
    Meurer: Was geschieht, wenn in den nächsten Jahren schon eine Bank Pleite geht und der Fonds mit 55 Milliarden noch gar nicht gefüllt ist?
    Giegold: Und das ist eben ein großer Erfolg für das Parlament. Ursprünglich hätten jahrelang nach den Wünschen auch von Herrn Schäuble die Nationalstaaten weiter in der Haftung gestanden, und da haben wir jetzt erreicht, dass der Fonds von Anfang an eine Kreditlinie sich besorgen muss - nicht notwendig bei öffentlichen Akteuren, das kann auch am Finanzmarkt sein, aber eine Kreditlinie, die nachher die Banken zurückbezahlen müssen, sodass dieser Fonds tatsächlich von den Banken zu schultern ist und nicht von den Steuerzahlern.
    Aber man muss eine Sache sagen: Es wird Zeit brauchen, bis dieser Abwicklungsmechanismus da ist, und gerade bei dem jetzt laufenden Stresstest und Bilanzprüfungen der Europäischen Zentralbank, da greift dieser Mechanismus noch nicht. Und das bedeutet: Wir haben jetzt noch eine Phase, wo es ein Risiko gibt, das muss man den Bürgern auch offen und ehrlich sagen, dass weiter die Nationalstaaten in der Haftung stehen.
    Meurer: In der Europäischen Union hat man sich auf die Details einer Bankenunion geeinigt. Einschätzungen dazu von Sven Giegold, dem Finanzexperten der Grünen im Europaparlament. Herr Giegold, danke und auf Wiederhören!
    Giegold: Sehr gerne. - Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.