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Bankenunion
"Dann muss sie abgewickelt werden"

Die EU-Finanzminister wollen mit einer Bankenunion die Abwicklung kriselnder Finanzinstitute regeln, erklärt der FDP-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EU-Sonderausschusses zur Finanzkrise Wolf Klinz. So soll verhindert werden, dass die Bürger bei Bankenpleiten zu schnell zur Kasse geben werden.

Der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz im Gespräch mit Dirk Müller |
    O-Ton Wolfgang Schäuble: “In der Grundsubstanz der politischen Einigung haben wir das erreicht, dass wir sagen können, wir werden das nächste Woche schaffen.“
    Dirk Müller: Jetzt haben wir Wolfgang Schäuble schon gehört. Wir haben es ein bisschen vorgezogen, unser nächstes Thema. Wolfgang Schäuble zur vermeintlichen Einigung der EU-Finanzminister gestern Abend in Brüssel. Es ist aber keine Einigung, wie wir heute Morgen hören, sondern die ersten Eckpunkte stehen offenbar nun auf dem Papier. „Wir sind die Retter der Gestrandeten, der Gestrauchelten, der Gescheiterten“ – vielleicht trifft diese Beschreibung nicht ganz so exakt zu, vielleicht ist das zu pathetisch, hat auch nichts mit Sozialromantik zu tun. Es geht um die Finanzkrise, es geht um die Banken. 1.615 Milliarden Euro haben die EU-Staaten bereitgelegt, um marode Geldhäuser zu retten, um diese zu unterstützen – 1.615 Milliarden. Wahrscheinlich die größte Finanztransaktion der Geschichte. Deutschland hat alleine dabei 260 Millionen ausgegeben, nicht die Kanzlerin persönlich, sondern wieder einmal der Steuerzahler, und genau das sollte sich jetzt ändern, zumindest nach deutscher Lesart, wenn die Finanzminister eine Lösung finden, wie Banken künftig abgewickelt werden können. Doch dann gab es in Brüssel in den vergangenen Tagen offenbar deutliche Signale dafür, dass der Steuerzahler doch wieder ran muss. Gestern Abend nun diese vorläufigen Eckpunkte, wir haben es eben von Wolfgang Schäuble zumindest in der Ankündigung gehört.
    Wie geht das weiter? Muss der Steuerzahler ran? – Darüber wollen wir nun reden mit Wolf Klinz (FDP), Chef des Sonderausschusses zur Finanzkrise im Europäischen Parlament. Guten Morgen!
    Wolf Klinz: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Klinz, welche Gentleman bitten Sie denn zur Kasse?
    Klinz: An sich, glaube ich, sind sich alle darüber einig, dass es das Ziel sein muss, den Steuerzahler in Zeiten zukünftiger Krisen nicht mehr zur Kasse zu bitten, und eine Lösung jetzt so zu stricken, dass die Stabilität des Finanzsektors verbessert wird. Und insofern: Da gibt es gar keine unterschiedliche Meinung zwischen den Mitgliedern der Euro-Zone oder auch der Europäischen Union. Hier zieht man an einem Strang. Die Frage ist nur, wie man vorgeht. Deutschland hat, wie häufig schon in der Vergangenheit, rechtliche Bedenken, dass der Vorschlag der Kommission, die Kommission zu einer zentralen Abwicklungsbehörde zu machen, nicht stimmig sei, und es hat Angst, dass irgendjemand – und in Deutschland findet sich ja leicht jemand – dagegen klagt beim Bundesverfassungsgericht und dadurch die ganze Sache wieder zu einem Stillstand kommt. Deswegen hat man sich, so wie ich es verstanden habe, auf folgendes Vorgehen jetzt geeinigt: Es wird eine zentrale Abwicklungsbehörde geben, in der aber die Vertreter der nationalen Abwicklungsbehörden, die es ja schon gibt, sitzen. Die werden eine Entscheidung treffen und die kann dann formell noch einmal durch die Kommission oder, falls die nicht zustimmt, durch den Rat bestätigt werden.
    Zuerst sollen Aktionäre und Gläubiger zahlen
    Müller: Das sind jetzt die Entscheidungsmodi, der Abstimmungsprozess, die Entscheidungsfindung. Ein Gremium soll jetzt kommen, die Kommission kann eventuell intervenieren, ein Vetorecht dagegen einlegen. Aber es ist eben nicht die Kommission, die jetzt bestimmt, wie die Banken wo abgewickelt werden?
    Klinz: Das ist auch meiner Meinung nach nicht die entscheidende Frage.
    Müller: Entschuldigung, Herr Klinz. Das wollte ich Sie gerade fragen. Wir haben ja darüber geredet. Wer soll denn am Ende die ganze Sache bezahlen? Wer entscheidet, ist doch zunächst einmal nicht so wichtig.
    Klinz: Ist nicht ganz unwichtig, aber Sie haben recht: Entscheidend ist natürlich, wer bezahlt. Und hier ist ja an sich auch Einvernehmen darüber, dass zunächst einmal im Falle einer Schwierigkeit die Aktionäre zur Kasse gebeten werden und darüber hinaus die Gläubiger einer Bank, und zwar einer gewissen Kaskade folgend, zunächst die Gläubiger, die Juniorgläubiger sind, sprich nicht so gesichert sind, bis hin zu den Seniorgläubigern. Und wenn die alle herangezogen worden sind, dann ist das die Möglichkeit, den Steuerzahler in dieser Phase noch außen vor zu lassen. In der Vergangenheit hat man in dieser ersten Krisensituation schon den Steuerzahler herangezogen. Von der Commerzbank ist kein einziger Aktionär quasi seines Geldes verlustig gegangen.
    Müller: Das heißt, der Steuerzahler zahlt, aber jetzt erst an dritter Stelle?
    Klinz: Langsam, langsam! Zunächst mal hoffen wir, dass dieses sogenannten Bail-in-Verfahren funktioniert. Das heißt, dass nicht mehr der Steuerzahler im Sinne eines Bail-out die Bank rettet, sondern dass die Gläubiger und Aktionäre dran kommen. Wenn das Geld dann immer noch nicht ausreichen sollte, dann natürlich ist die Frage, wer tritt dann an die Stelle. Und hier ist es so, dass wir versuchen wollen, auch hier den Steuerzahler zu schonen, in der Form, dass wir sagen, wenn das nicht ausreicht, das Bail-in-Potenzial, dann ist eigentlich die Bank nicht mehr solvent und dann muss sie abgewickelt werden. Für diese Abwicklung soll jetzt ein Abwicklungsmechanismus herangezogen werden mit einem Abwicklungsfonds, und darüber hat man sich gestern auch verständigt, dass ein solcher Fonds etabliert werden soll.
    Müller: Jetzt müssen wir aber noch mal auf diesen anderen Fonds schauen, dieser Bankenfonds, das heißt das, was die Banken selbst zusammenkratzen sollen, ansparen sollen. 55 Milliarden habe ich jetzt gestern gelesen.
    Klinz: Der zentrale Abwicklungsfonds …
    Müller: Wenn ich das kurz noch mal ausführen darf, Herr Klinz? 55 Milliarden – da sagen doch viele, das ist doch ein Witz, 55 Milliarden innerhalb von zehn Jahren. Denken wir an die HRE, das waren 100 Milliarden, die da notwendig waren.
    "Der kleine Sparer ist geschützt"
    Klinz: Sie dürfen eines nicht vergessen: Das ist ein Witz, wie Sie es ausdrücken. Aber dieser zentrale Abwicklungsfonds, der zwischen 55 und 70 Milliarden betragen soll, die im Laufe von zig Jahren, 10 bis 15, angespart werden müssen, dieser Fonds wird ja nicht benutzt, um die Bank zu rekapitalisieren, sondern er wird nur benutzt, um eine ordnungsgemäße Abwicklung der Bank sicherzustellen, das heißt sicherzustellen, dass die Teile einer Bank, die nach wie vor, sagen wir mal, genutzt werden können, dass die auf eine andere Bank übertragen werden, dass sie möglicherweise auf eine Bridge Bank, also eine Brückenbank übertragen werden, und diese Art Finanzierung soll dieser Fonds leisten. Der Fonds soll nicht herangezogen werden, um die Bank als solche zu rekapitalisieren. Dafür sind Aktionäre und Gläubiger zuständig, und wenn die es nicht mehr können, dann tritt das Stadium der Abwicklung ein.
    Müller: Herr Klinz, wir müssen ein bisschen auf die Zeit achten. Ich habe noch eine Frage. Vielleicht noch ein konkretes Beispiel: Wir nehmen mal an, eine große internationale europäische Bank geht Pleite, vielleicht Santander in Spanien, nur als Beispiel. Dann sind das viele, viele, viele Milliarden. Da gibt es Aktionäre, da gibt es Junior- und Senioranleger, da gibt es private Gläubiger. Wenn ich da beispielsweise jetzt eine halbe Million, was ich in der Regel tue, wenn ich auf solche Banken schaue, angelegt habe, wie viel Geld muss ich dann einbezahlen, wenn meine Bank Pleite ist? Wie viel Geld verliere ich?
    Klinz: Sie würden im Zweifelsfalle möglicherweise alles, was über 100.000 geht, verlieren.
    Müller: Das heißt, nur noch 100.000 Euro sind nach dem zyprischen Vorbild, nach dem zyprischen Beispiel gesichert?
    Klinz: Ja.
    Müller: Und dem stimmen Sie auch zu?
    Klinz: Ja. Ich meine, das ist ja meiner Meinung nach in Ordnung. Der kleine Sparer ist geschützt, da gibt es den Einlagensicherungsfonds, der bis zu 100.000 die Gelder der Kunden sicherstellt. Und die Gläubiger, die darüber hinaus angelegt haben, die werden ja auch risikobedingt entsprechend höhere Renditen erzielen.
    Müller: Dann werde ich ja nur noch 100.000 anlegen demnächst. Dann lasse ich die 400.000 irgendwo anders.
    Klinz: Wenn Sie eine Million anlegen, könnten Sie theoretisch natürlich auch zehnmal 100.000 bei zehn verschiedenen Bankinstituten anlegen.
    Müller: Gut, auch eine Essenz. – Wolf Klinz (FDP), Chef des Sonderausschusses zur Finanzkrise im Europäischen Parlament, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Klinz: Auf Wiederhören!
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