Jürgen Liminski: In dieser Woche ist die Finanzarchitektur der EU um eine Säule bereichert, manche sagen, durch diese Säule auch stabilisiert worden. Gemeint ist der Kompromiss zur Abwicklung maroder Banken in Euro-Land. Er sieht vor, dass nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Aktionäre, Gläubiger und Sparer zuerst haften sollen und dass dann nationale Abwicklungssysteme und später ein europäischer Fonds auf den Plan treten. Zur Kasse gebeten für diesen Fonds, der mit 55 Milliarden Euro befüllt werden soll, werden die größten Euro-Banken, aber auch Sparkassen und Volksbanken. Letztere brauchen diesen Fonds wahrscheinlich gar nicht, sollen aber mit einzahlen. Gerhard Hofmann ist im Vorstand der Volks- und Raiffeisenbanken, kennt sich auf der europäischen Ebene bestens aus, er war unter anderem Vorsitzender im Ausschuss der Europäischen Kreditwirtschaft. Ihn begrüße ich nun am Telefon, guten Morgen, Herr Hofmann!
Gerhard Hofmann: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Herr Hofmann, ein neuer Fonds soll es richten! Werden hier die kleinen Geldhäuser über den großen Tisch der EU gezogen?
Hofmann: So weit darf es natürlich überhaupt nicht kommen. Die eigentliche Belastung, die die einzelnen Banken zu tragen haben werden, die steht ja noch nicht fest. Dazu wird die Kommission einen sogenannten delegierten Rechtsakt erlassen, der vom Rat auch sehr genau kontrolliert wird, und in diesem Rahmen fordern wir Beitragsgerechtigkeit oder eine faire Belastung aus dieser europäischen Sonderabgabe.
Liminski: Dazu kommen wir gleich, zu den Beiträgen, die Sie, also Ihre Banken zu zahlen haben. Aber vorher noch eine allgemeinere Frage: Wo sehen Sie sonst noch Pferdefüße dieser Einigung?
Hofmann: Ich sehe weniger Pferdefüße der Einigung, sondern eher zwei Punkte. Die erste Frage ist, ob die Regelungen so, wie sie jetzt getroffen werden, in der Praxis auch konsequent umgesetzt werden. Das betrifft zunächst das sogenannte Bail-in, also die Haftung, die Sie schon angesprochen haben, von Eigentümern, Gläubigern, vielleicht auch großen Einlegern. Und das Zweite ist natürlich auch, wie die EZB ihre Aufsicht in der Praxis ausübt. Wird das proportional sein, wird das verhältnismäßig sein? Man kann nicht alle Banken über einen Leisten sozusagen scheren oder man kann nicht alle Banken gleich behandeln. Und diese Differenzierung, die ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig, um am Ende die Bankenunion erfolgreich zu machen.
Differenzierte Zahlungen
Liminski: Dann sprechen wir jetzt über diese Differenzierung! Die Sparkassen zahlen weniger, die Volksbanken auch. Ist da noch eine Lücke zum Verhandeln, jedenfalls solange der Fonds noch in der Planung ist?
Hofmann: Ja, ich hatte schon gesagt: Die Beitragsregelung steht noch nicht fest und wir müssen jetzt auf den letzten Metern - niemand weiß ganz genau, wie lange es noch dauert - sehr dafür eintreten, dass die Banken, die – fast möchte man sagen: nach menschlichem Ermessen - nicht in eine Situation kommen können, dass sie aus den europäischen Mitteln ihre Abwicklung finanzieren müssen, dass diese Banken natürlich auch sehr niedrige und zum Teil auch gar keine Beiträge zahlen. Das ist die Aufgabe, die wir jetzt im Rahmen unserer Interessenvertretung in Brüssel wahrnehmen.
Liminski: Also gar keine Beiträge zahlen, das ist Ihr Ziel?
Hofmann: Nein, ich würde sagen: differenziert zahlen. Wir haben ja ein System in Europa, bei dem wir 128 Banken künftig von der Europäischen Zentralbank überwachen lassen. Diese 128 Banken repräsentieren ungefähr 85 Prozent des Bilanzvolumens aller Banken. Und da kann es natürlich nicht sein, dass hier eine groß angelegte Umverteilungsaktion jetzt stattfindet, in der etwa kleine Banken für die Abwicklung von großen Banken zahlen, in der manche Länder für die Abwicklung von Banken anderer Ländern zahlen. Und darum geht es geht es im Kern.
"Eine Frage der Akzeptanz der Bankenunion"
Liminski: Wenn nun die Politik etwas beschließt, womit Sie nicht einverstanden sind, könnte man da nicht einfach nicht einzahlen oder Einzahlungen strecken?
Hofmann: Ich glaube, das würde man sich sehr gut überlegen. Richtig ist, dass jedes in Europa geschaffene System auch einer rechtlichen Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof standhalten muss. Das ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. Aber man würde sich das sehr, sehr genau überlegen, ob man einen solchen Konflikt dann eingehen würde. Da müsste die Schieflage schon ganz enorm sein. Für mich ist das eher eine politische Frage, eine Frage nämlich der Akzeptanz der Bankenunion, auch einer Akzeptanz dieser besonderen Belastungen durch unsere 17,7 Millionen Mitglieder. Wir sind damit ja die breiteste Bewegung im Bankenbereich. Und diese 17,7 Millionen Mitglieder möchten natürlich auch, dass eine kleine Genossenschaftsbank beitragsgerecht hier veranlagt wird.
Liminski: Höre ich da raus, dass Sie notfalls klagen werden?
Hofmann: Ich glaube, das kann man jetzt weder ausschließen, noch prognostizieren. Jedes System, das bestimmte Belastungen mit sich bringt, muss einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Denn irgendwann wird diese rechtliche Überprüfung auch kommen. Aber im Moment ist eher die Zeit des Gesetzgebers, des Verordnungsgebers. Und wir setzen uns sehr dafür ein, dass es dabei fair und ausgeglichen zugeht.
Liminski: Die Entscheidungsgremien in der EZB und der neue Rat der SRM, also des Bankenabwicklungsmechanismus, sind ja auch ein Thema. Deren Mandat ist nicht demokratisch abgesichert, sollen aber für alle entscheiden. Kann man das nicht auch anfechten, ist das auch ein Thema?
Hofmann: Das ist, glaube ich, auf jeden Fall ein Thema, aber man würde das nicht rechtlich anfechten, sondern das ist eine Frage der Governance-Struktur, der demokratischen Legitimation, wie Sie sagen. Und ich glaube, es ist ein generelles Thema in Europa: Wenn wir möchten, dass die Bürger mehr Vertrauen in Europa haben, wenn wir möchten, dass die Bürger Europa als ein lohnendes Einigungsprojekt sehen, dann brauchen wir in allen Bereichen ein Maximum an demokratischer Legitimation. Und wo sie fehlt, muss sie gegebenenfalls nachträglich hergestellt werden.
Liminski: Die Volksbanken wollen sich nicht über den Tisch der Bankenunion so ohne Weiteres ziehen lassen, das war Gerhard Hofmann aus dem Vorstand der Volks- und Raiffeisenbanken. Besten Dank für das Gespräch, Herr Hofmann!
Hofmann: Ich danke Ihnen!
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